Die Renaissance des gedruckten Wortes

Unser Alltag ist von den Medien geprägt. Inzwischen hat die mobile Internetnutzung die gesamte Gesellschaft erreicht. Trotz des enormen Medienkonsums hinterfragen viele die Glaubwürdigkeit im Internet. Die gedruckte Zeitung wird weiterhin geschätzt.

Im Jahre 2017 können wir uns fast alle ohne Bedenken zu der Gruppe der „Digital Omnivores“ – der digitalen Allesfresser zählen. Die durchschnittliche Mediennutzung liegt in Deutschland seit Jahren schon über neun Stunden pro Tag und längst haben digitale Endgeräte die Haushalte zu nahezu 100 Prozent erreicht. Es gibt kaum jemanden, der kein Smartphone besitzt und das Phänomen der „Whats-App-Kommunikation“ ist längst nicht mehr nur bei jungen Menschen zu beobachten. Die Generation der Silver-Surfer hat an dieser Stelle deutlich aufgeholt und die mobile Internetnutzung die gesamte Gesellschaft durchdrungen. Insofern ist der Medienkonsum auch keine Frage des Alters, sondern zunehmend eine Frage der Bedürfnisse und Erwartungen an die Medien selbst.

In der Wissenschaft kennen wir den Uses-and-Gratifications-Ansatz, der vereinfacht besagt, dass die Zuwendung zu einem Medium mit bestimmten persönlichen Bedürfnissen einhergeht. So kennen wir zum Beispiel das starke Bedürfnis, unterhalten zu werden, was überwiegend im Fernsehen, im Kino oder neuerdings über Streaming-Dienste wie Netflix stattfindet. Das Internet scheint ein sehr geeigneter Kanal, um sich, neben der Unterhaltung, sehr schnell und „on-demand“, also zu jedem Zeitpunkt, informieren zu können – und das wird auch erwartet. Das aktuelle Weltgeschehen spielt sich auf dem kleinen Display zwischen Facebook-Post und Candy Crush ab. Ein Champions-League-Ergebnis erfährt eben auch kein Sportbegeisterter aus der gedruckten Zeitung mehr.

Aber die Glaubwürdigkeit, die Seriösität, die Nachhaltigkeit fehlt dem Medium Internet. Wieder mehr Menschen, vor allem auch junge Leute, schließen sich der Slow-Media-Bewegung an. Im Kern geht es dabei darum, lieber weniger, aber bessere Medien zu konsumieren und vor allem auf die redaktionelle Qualität zu achten. Vermehrt streben die Menschen wieder nach Entschleunigung, denn immer online und erreichbar zu sein, ist auf Dauer ziemlich anstrengend. Für die Redaktionen reicht es aber nicht aus, die Nachrichten vom Vortag zu publizieren. Gerade regionale und lokale Journalisten haben die Chance, leser- und bürgernah über relevante Vorkommnisse oder Auswirkungen im Verbreitungsgebiet zu berichten, Dinge einzuordnen und zu kommentieren. Das Hintergründige und Verlässliche rückt vermehrt in den Fokus vieler Menschen, die an Nachrichten und Informationen interessiert sind.

Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gedruckte Zeitungen weiterhin Marktanteile in der Gesamtleserschaft zugunsten der Online- und Mobile-Medien verlieren werden. Zu schnell und zu einfach können heute Dinge digital publiziert und weitergeteilt werden. Die gedruckte Zeitung wird aber für alle, die sich umfassend und hochwertig informieren wollen, ein unabdingbarer Begleiter bleiben.

Vielleicht muss Zeitung zukünftig vermehrt als eine Art Prinzip im Umgang mit Informationen gesehen werden. Die ursprüngliche Rolle des Gatekeepers, also des Schleusenwärters, der die wichtigen und relevanten Nachrichten von den unwichtigen unterscheidet, ist dabei ein wesentlicher Aspekt. Die gedruckte Ausgabe muss vermehrt als eine Art Luxusgut begriffen werden, denn der Rezipient verbringt bei der Lektüre doch einiges an Zeit mit dem Produkt. Das wiederum werden aber nur diejenigen machen, die sich bewusst dafür entscheiden und dafür auch Geld ausgeben. Dies kann eine Renaissance für gedruckte Medien bedeuten, die dann endlich ihre Nische im gesamtmedialen Angebot gefunden haben werden.

Christof Seeger

Zur Person

Christof Seeger ist Professor an der Hochschule der Medien (HDM) in Stuttgart. Sein Forschungsgebiet sind die Medienwirkungen. Insbesondere fokussiert er sich auf Eye-Tracking, Elektroenzephalografie (EEG) sowie Medienrezeption und -nutzung.