Die Vereinsmeier und ihre Sorgen

Jüngere Mitglieder sind in Vereinen oft Mangelware. Genau das ist mittlerweile ein ernsthaftes Problem, weil Stellen offen bleiben und es an Nachwuchs bei den Verantwortlichen fehlt. Die Städte Heilbronn und Vellberg bekommen das bereits zu spüren.

Die Sonne steht hoch am Himmel und bringt eine angenehme Wärme mit sich am Tag der Arbeit, dem Feiertag am 1. Mai. Perfektes Wetter also, um den Tag im Freien zu verbringen. Wie jedes Jahr an diesem Tag veranstaltet der Musikverein sein Fest in den Weinbergen. Auf der Bühne des großen Zeltes spielt der Akkordeonverein bereits sein drittes Lied. Ein Blick durch die Reihen der Musiker zeigt, dass vor allem ältere Frauen und Herren auf den Stühlen sitzen und ihr Instrument bedienen. Jüngere Musiker sind hier nicht zu finden. Das ändert sich auch nicht, als der Gesangsverein auftritt. Unter den Sängern gibt es zudem keinen Leiter, der den Chor durch die Lieder führt und die Einsätze vorgibt.

Die Deutschen werden allgemein gerne als „Vereinsmeier“ bezeichnet. Beim Bundesjustizamt waren Ende 2015 im Vereinsregister rund 600.000 Vereine eingetragen. Doch die Zahl verschweigt, was ein Blick hinter die Kulissen des Vereinslebens zeigt: Die Gemeinschaften haben vor allem mit dem Fehlen von Nachwuchs und Verantwortlichen zu kämpfen. Dass auch die Region hiervon nicht verschont bleibt, erklärt Markus Otten, der Vorsitzende des Stadtverbandes für Sport in Heilbronn: „Nahezu jeder Verein hat Probleme, Übungsleiter und Nachwuchs zu finden.“ Den Grund hierfür sieht er jedoch nicht direkt bei den Vereinen. Vielmehr habe sich die Gesellschaft verändert. „In der früheren Zeit war es einfach so, dass man sich mit dem Verein verbunden fühlte“, schildert der Vorsitzende. Heute gingen die Menschen in die Vereine, um einen Kurs oder eine zeitlich begrenzte Aktion zu belegen. Dadurch fehlt auch der Nachwuchs, der Verantwortlichkeit und Leiterfunktionen übernimmt.

Was wird seitens der Stadt Heilbronn unternommen, um gegen die Schwierigkeiten vorzugehen? „Der Stadt selbst sind hierbei die Hände gebunden. Sie kann diese Entwicklung nur dadurch unterstützen, indem sie ihren Angestellten für ihre ehrenamtliche Tätigkeit Sonderurlaub gewährt“, so der Vertreter des Stadtverbandes.

Auch die Stadt Vellberg im Landkreis Schwäbisch Hall hat mit der Problematik Personalmangel zu kämpfen. Konkret geht es um das örtliche Mineralfreibad. Seit diesem Jahr fehlt es im Bad an Aushilfen bei der Beckenaufsicht. Auf eine öffentliche Ausschreibung für eine weitere Kraft neben dem Bademeister ging keine Bewerbung ein. „Dann kam der Tag, an dem das Freibad geschlossen bleiben musste“, berichtet Ute Zoll, Bürgermeisterin von Vellberg. Daraufhin hätten sich Freiwillige zur kurzfristigen Aushilfe gemeldet. „Mit diesen Angeboten retten wir uns aktuell von Woche zu Woche“, erzählt die Bürgermeisterin weiter. Allerdings müsse das Problem langfristig gelöst und die Stelle voll besetzt werden. Als Alternative an geschlossenen Tagen bleibt den Vellbergern sonst nur, auf umliegende Bäder auszuweichen.

Auf die Frage, woher allgemein das Problem des Nachwuchsmangels rührt, meint Zoll: „Es fehlt an der Bereitschaft, sich verpflichtend über längere Zeit an etwas zu binden.“ Markus Otten führt den Gedanken noch weiter aus: „Langfristig muss sich das allgemeine Vereinsbild wieder ändern.“ Ein Umdenken brauche aber noch eine Weile.

Alexander Liedtke