Eine Branche in Gefahr?

Knapp drei Millionen Beschäftigte, rund 260 Milliarden Umsatz in 2016 die Logistikbranche rangiert in Deutschland auf Platz drei im Branchenranking. Die Erfolgsgeschichte hält an, darin sind sich alle Experten einig. Einigkeit besteht aber auch darin, dass die Branche in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen stehen wird.

Auf der einen Seite herrscht Optimismus ob der steigenden Nachfrage, getrieben durch die gute konjunkturelle Situation und das Bestellverhalten der Konsumenten. So stieg die Zahl der bundesweit transportierten Pakete in 2016 auf 3,1 Milliarden an, das heißt, jedem Bundesbürger – vom Neugeborenen bis zum Senior – wurde im Schnitt alle zehn Tage ein Paket zugestellt. Die nächsten Onlinegeschäfte sind bereits voll im Gange. Haben wir in Deutschland 2016 online Lebensmittel im Wert von 1,6 Milliarden Euro eingekauft, so soll es in drei Jahren sechsmal so viel sein. Dieses Wachstum hat Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur und die Fachkräfte. Von beidem gibt es hierzulande zu wenig. Die Folge sind Staus, überfüllte Parkplätze und Lkw, die aufgrund des Fahrermangels auf dem Hof stehen bleiben. Bringt der bereits eingeläutete Megatrend – die Digitalisierung der realen Welt – einen großen Rückgang der Logistikaktivitäten? Hierüber lässt sich streiten. Einerseits gehen wir davon aus, dass die Dematerialisierung voranschreiten wird. Waren vor vielen Jahren Kassetten in jedem Kinderzimmer zu finden, sind es später CDs und DVDs. Heute übernehmen Streaming-Dienste die Hoheit. Damit entfallen Produktion und infolge auch die komplette Logistik rund um die Ton- und Bildträger. Wie lange wird es noch Bücher in Papierform geben? Wird die Sharing-Economy die Nachfrage nach Automobilen reduzieren? Was bringt der Durchbruch im Bereich des 3D-Drucks? Werden wir uns unsere Zahnbürste am Heimdrucker in Eigenregie produzieren? Würden alle 3D-Druck-Fantasien Realität, so wären in der Tat viele Transporte und Lageraktivitäten in absehbarer Zeit obsolet. Bleibt die Frage, ob der Mensch alles technisch Mögliche auch umsetzen wird.

Wie wird die Arbeitswelt in der Logistik in zehn bis 15 Jahren aussehen? Werden Roboter die Tätigkeiten im Lager, Algorithmen den Job des Transporte organisierenden Spediteurs ersetzen und Lkw, Loks, Flugzeuge und Schiffe ohne Fahrer, Lokführer, Pilot und Kapitän unterwegs sein? Wir werden uns diesem Szenario in ganz kleinen Schritten nähern. Bis dahin werden viele kleine technische Helferlein unterstützend tätig sein und monotone Aufgaben für den Menschen übernehmen.

So viel in Kürze zur Zukunftsmusik, doch steht die Logistikbranche auch gegenwärtig vor einigen Herausforderungen. Das Europa der offenen Grenzen wird nicht nur vom Brexit, sondern auch von protektionistischen Maßnahmen quasi durch die Hintertür bedroht. So führten nacheinander Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien jeweils eigene Mindestlohnbestimmungen mit entsprechend hohem bürokratischen Aufwand für die international agierenden Unternehmen ein. Wir sehen dies als hilflose Antwort auf die Tatsache, dass der internationale Transportmarkt immer mehr von aus Osteuropa agierenden Firmen übernommen wird. Die aktuelle Mautstatistik spricht klare Worte: Über 40 Prozent der auf deutschen Autobahnen zurückgelegten Kilometer wurden mit ausländischem Kennzeichen absolviert.

Karlhubert Dischinger