Haltung gefragt

Premiere bei der siebten Auflage des Gipfeltreffens der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall: Nie zuvor war die Frauenquote so hoch wie in diesem Jahr. Gleich vier Damen folgten am ersten Kongresstag aufeinander – mit starken Themen und starken Auftritten. Ein Auszug.

Tag eins des diesjährigen Gipfeltreffens der Weltmarktführer am 1. Februar stand ganz im Zeichen der Frau – zumindest am Vormittag. Dabei fiel ein Wort in fast allen Vorträgen: Haltung.

Claudia Nemat, Mitglied des Vorstands der Deutschen Telekom AG, machte den Auftakt. „How will technological change disrupt urban life?“ lautete der Titel ihres Vortrags, in dem sie über die anstehenden digitalen Herausforderungen und deren Konsequenzen sprach. Die Frage, wie Technologie und Digitalisierung unser Leben beeinflussen werden, stand dabei im Fokus. „Im Jahr 2016 waren drei Milliarden Menschen mit dem Internet verbunden.“ Damit verdeutlichte Nemat, wie sehr wir heute schon vernetzt sind.

In Zukunft wird diese Zahl noch nach oben korrigiert werden müssen, sagte das Telekom-Vorstandsmitglied und ergänzte zuversichtlich: „Die Zukunft wird richtig fantastisch. Der Übergang dazu könnte aber etwas schwierig sein.“ IT-Kollegen gingen etwa davon aus, dass es für jedes Problem eine digitale Lösung geben werde. „Das heißt aber auch, dass 80 Prozent der Jobs wegfallen“, betonte sie. Dennoch müsse man sich bewusst machen, dass Digitalisierung kein Selbstzweck sei, sondern vor allem einem diene: dem Menschen selbst. „Dafür müssen wir diesen Transformationsprozess aber richtig gestalten.“ Wie kann das gelingen? „Mit Weltmarktführern wie Ihnen – und mit Haltung.“ Aber auch mit dem Wissen: „Deutschland und Europa sind super! Ich verbeuge mich vor Ihnen. Ich verbeuge mich vor unserem Mittelstand.“

Auch Gesche Joost, Internetbotschafterin der Bundesregierung für die EU, schlug in diese Kerbe. „Da kommt etwas Großes auf uns zu. Sensoren werden überall verbaut.“ In diesem Zusammenhang nannte die Expertin drei Thesen. Erstens: Wir sind nie mehr offline. Zweitens: Wir drucken uns die Welt in 3D. Drittens: Wir erfinden Arbeit neu. Hier stünden die Unternehmer in der Pflicht. „Erstarren Sie nicht, handeln Sie!“, forderte Joost, gab aber auch konkrete Vorschläge an die Hand. So müsse man über den Tellerrand hinausblicken, Mitarbeiter weiterbilden, neue Arbeitszeitmodelle etablieren und kreativ sein. „Dazu brauchen wir digitale Bildung.“ Diese müsse bereits im Kindesalter beginnen und stetig ausgebaut werden. Denn: „Hier sind wir richtig schlecht.“ Ansonsten werde die Bildungslücke immer größer, wodurch die Gefahr bestehe, dass sich die Gesellschaft in zwei Lager – Digital Natives und Digital Immigrants – spalte. Dies zu lösen sei ein gemeinschaftliches Projekt. „Wenn wir die Digitalisierung nutzen möchten, müssen wir weiterhin an unsere gemeinsamen Werte glauben.“

„Wie digitalisiere ich ein Waschpulver?“ So formulierte Miriam Meckel, Chefredakteurin der Wirtschaftswoche, eine Frage, die sich an Simone Bagel-Trah, Vorsitzende des Aufsichtsrats und Gesellschafterausschusses der Henkel AG & Co. KGaA, richtete. Indem man an eine Historie mit hoher Messlatte anknüpfe, war die Antwort der Ururenkelin des Firmengründers Fritz Henkel. Mit einem Facebook-Auftritt und einer App, die Tipps und Tricks rund um Wäschepflege und Fleckenbehandlung bietet, sei man bereits gut unterwegs. Teil der Henkel-Strategie „2020 plus“ sei die Besetzung des Postens eines Chief Digital Officers. „Wir sind nah dran, jemanden auszuwählen“, lehnte sich Bagel-Trah ganz behutsam aus dem Fenster. Der langfristige Erfolg des Unternehmens sei selbstverständlich wichtig. Aber er basiere eben auch auf vielen kurzfristigen Etappen.

Wie viele andere beschäftige Bagel-Trah neben dem Brexit und der politischen Lage der Türkei die Präsidentschaft Donald Trumps in den USA, räumte sie ein und lenkte das Gespräch damit in eine etwas andere Richtung. „Noch kein Land ist durch das Aufziehen von Mauern stärker geworden“, stellte sie fest. „Man muss den USA gegenüber mit Haltung auftreten“, konstatierte die Aufsichtsratsvorsitzende. Deutschland sei sehr erfolgreich und das müsse man klarmachen. „Wir haben von der Eurozone sehr profitiert, wir stehen mit Abstand am besten da.“ Doch nun sei es wichtig, zur Einheit Europa zurückzufinden.

Lydia-Kathrin Hilpert und Olga Lechmann