Mit den Händen greifbar

Ein Kugelschreiber hier, ein Notizblöckchen da – Werbeartikel haben in den vergangen Jahren deutlich an Stellenwert gewonnen. Mischa Delbrouck erklärt, wieso Schlüsselanhänger und Co. die Sehnsucht nach realen Dingen in den Konsumenten wecken.

Was tut der gestresste Mensch der digitalisierten Welt, um zu sich zu kommen? Er lädt sich eine Entspannungs-App herunter. Oder er greift zu Buntstift und Mal-block und beginnt, Mandalas auszumalen – nach Angaben des Handelsverbands Büro- und Schreibkultur ist der Absatz von Mal- und Zeichenbedarf im letzten Jahr um 80 Prozent auf insgesamt 45 Millionen Euro gestiegen. Auch andere reichlich „old school“ wirkende Produktbereiche boomen: Schallplatten aus Vinyl verkauften sich 2016 um 40 Prozent besser als in 2015, Brettspiele für Erwachsene um 26 Prozent. Es scheint, als gäbe es eine Renaissance der Dinglichkeit im flüchtigen Zeitalter der Bits und Bytes. Die Sehnsucht nach realen Dingen ist mit den Händen greifbar. Der kanadische Journalist und Buchautor David Sax spricht in diesem Zusammenhang von der „Rache des Analogen“.

Ein ähnliches Phänomen kann man im Marketing beobachten. Unternehmen kontaktieren den Konsumenten auf immer mehr – vor allem digitalen – Kanälen, dringen jedoch im Info-Overkill kaum noch zur Zielgruppe durch. Haptische Werbung, also Giveaways, Onpacks, Zugaben, Prämien, Kundengeschenke und Co., dagegen sichert Logos und Botschaften einen dauerhaften Platz im Umfeld der Umworbenen. Etwas anfassen zu können, aktiviert zusätzliche Areale im Gehirn und weckt die Aufmerksamkeit – die härteste Währung unserer Zeit. Lange Präsenzzeiten beim Empfänger und hohe Recall-Werte – doppelt so gut wie bei Radio, TV oder Zeitschriften – sind weitere Argumente für den Einsatz haptischer Werbung.

Dass diese Argumente schlagend sind, belegen die aktuellen Branchenzahlen, die der Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft e. V. (GWW) Anfang des Jahres veröffentlicht hat. Demnach liegen die Ausgaben für haptische Werbung in Deutschland seit Jahren stabil bei 3,5 Milliarden Euro. Keine andere Werbeform wird von so vielen Unternehmen eingesetzt wie haptische Werbung. 87 Prozent der Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern setzen auf die Wirkung greifbarerer Werbeträger, auch bei den Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen belegt gegenständliche Werbung Platz 1.

Der beste Werbeartikel ist immer derjenige, der zum Unternehmen wie zur Zielgruppe passt. Schaut man sich auf den einschlägigen Messen wie der Haptica live in Bonn um, so sieht man, dass angesichts der geradezu überbordenden Produktfülle für jeden Anlass und jedes Budget etwas dabei ist: von Klassikern wie Kugelschreibern und Kalendern über Briefumschläge aus Baumwolle und individualisierbare Socken bis hin zu aufblasbaren Sesseln und kabellosen Kopfhörern.

Waren Werbeartikel früher oft als Wegwerfprodukte verschrien, sind solche Artikel heutzutage besonders gefragt, die qualitativ hochwertig sind und somit lange Nutzungszeiten versprechen. Auch Attribute wie „Made in Germany“ und Nachhaltigkeit gewinnen immer mehr an Bedeutung. Im Trend liegen zudem Artikel, die mithilfe von Augmented Reality, QR-Codes und Co. den Bogen in virtuelle Welten schlagen – analoge Anker auf dem Meer der Digitalisierung.

Mischa Delbrouck