So lässt sich‘s leben

So verschieden wie die Menschen, so unterschiedlich sind auch ihre Wohnungen und Häuser. Wir durften einen Blick in drei Domizile im Landkreis Schwäbisch Hall werfen, die ungleicher nicht sein könnten: Penthouse, Fachwerk- und Mehrgenerationenhaus.

 

Manfred Neber wurde in dem alten Fachwerkhaus in der Bühlerstraße in Geislingen geboren. Heute lebt er mit seiner Frau und den drei Kindern darin. Er brauchte eine Weile, um sich dafür zu entscheiden. Er war erst Anfang 20 und ledig, als er beschloss, sich das heruntergekommene Fachwerkhaus aus dem Jahre 1753 herzurichten. Der 51-Jährige ist Maurermeister und hat die meisten Arbeiten selbst in die Hand genommen. Von außen sah das Haus noch gut aus, aber innen musste es komplett entkernt werden – bis auf die Balken. Drei Jahre dauerte der Umbau. Sein Großelternhaus zu verkaufen, hätte er nicht übers Herz gebracht. Nach der Heirat und der Geburt des ersten Kindes begann Manfred Neber mit dem zweiten Umbau. Zwei Jahre sollte es dauern, das Dach zu erneuern, Gauben einzubauen und mehrere Schlafzimmer dort entstehen zu lassen, wo einst die Großeltern Getreidekörner trockneten.

Über die Baumaßnahmen musste das Denkmalamt informiert werden. Nicht immer wurde alles anstandslos abgenommen. Statt normalgroßer Fenster im Bad und im Kinderzimmer musste die Familie zwei kleine einbauen, die man aufgrund der Nähe zum Nachbarhaus nicht öffnen darf. Der Flur im Obergeschoss verlangt Obacht. Nicht selten hört man ein „Aua“, vor allem, wenn einer im Dunkeln den Gang wagt. Schräge Decken und Holzbalken können dem Kopf gefährlich nahe kommen. So ein Fachwerkhaus hat Vor- und Nachteile und manchmal kann ein Vorteil zum Nachteil werden – sowie umgekehrt. Die knarzenden Dielen können nerven, andererseits kann sich niemand anschleichen. Die kleinen Fenster machen es gemütlich, aber eben auch dunkel. „Und wenn wir Sachen fürs Fenster basteln, müssen wir immer aufpassen, dass wir nicht zu groß basteln, sonst passt es nicht“, sagt die 14-jährige Pauline. Sie findet das Häuschen gut so, wie es ist. Nur, dass sie die Einzige ist, die keine Balken im Zimmer hat, das stört sie. An den Balken hängen die Kinder eine Hängematte auf. Das ganze Haus ist heimelig und das ist eben der Charme, der über gewisse Nachteile hinwegtröstet. Die meisten Bekannten und Freunde der Nebers leben auch im Fachwerkhaus. „Na, wir haben wohl eine ähnliche Gesinnung“, denken sie laut nach.

Ein Nachmittag im Januar. Der erste Schnee ist gefallen. Am Vortag kam eine Mail von Heidrun Schaumann, Bewohnerin der ersten Stunde im Mehrgenerationenhaus. Im Verteiler von „Heller Wohnen“ lud sie zur Kaffeerunde in den Gemeinschaftsraum ein. Das passiert einmal die Woche, dass ein Bewohner dazu aufruft. Besonders an Montagen, wenn noch Kuchen vom Sonntag übrig geblieben ist.

Seit fünf Jahren gibt es „Heller Wohnen“, das Mehrgenerationenhaus auf dem Schwäbisch Haller Teurershof. 38 Menschen leben dort, verteilt auf 23 Wohnungen. Die jüngste Bewohnerin ist drei, der älteste 85 Jahre alt. Fünf Familien leben im Haus, drei Ehepaare ohne Kinder und der große Rest sind Alleinlebende. Das Verhältnis von Männern und Frauen ist ausgeglichen. „Mit einigen hier im Haus bin ich richtig gut befreundet, andere kenne ich eben wie Nachbarn, aber mit mehr Verantwortungsgefühl“, sagt Monika Scherrer, langjährige Bewohnerin. Verantwortung übernehmen heißt auch, für die anderen da sein, wenn jemand Hilfe braucht. Die siebenjährige Franziska wird von Heidrun Schaumann von der Schule abgeholt und bleibt an Nachmittagen gerne bei ihr. Ein 85-Jähriger leidet an Demenz. Einige Bewohnerinnen kümmern sich, machen Spazier- und Kirchgänge, helfen mit dem Essen und entlasten damit die Ehefrau. Aber ganz wichtig ist den Menschen in „Heller Wohnen“, dass niemand etwas tun muss – Betonung auf muss.

Im Haus gibt es einzelne Gruppen, die sich unterschiedlicher Bereiche annehmen: der Müllentsorgung, der Hausreinigung, Reparaturen. Aber auch Gymnastik, Yoga, „Heller Kneipe“ und Kino auf der eigenen Leinwand werden von Bewohnern organisiert. Zu wenig Privatsphäre gibt es nicht. Jeder hat seine eigene Wohnung, mal größer, mal kleiner. Alle gehen von einem Laubengang aus, der für mehr Offenheit und Begegnung sorgen soll. „Für mich ist das hier in meiner Wohnkarriere ein echter Glücksfall“, sagt Ursula Groh. Sie wohnt seit fünf Jahren hier. So lange, wie das Haus besteht. Der Start verlief allerdings nicht reibungslos. Das Mehrgenerationenhaus wurde erst mit einem Jahr Verzögerung fertig. Manche hatten ihre Wohnung bereits gekündigt und wurden so lange bei einem künftigen Bewohner, der sein Haus noch nicht verkauft hatte, aufgenommen. „Das Pech war vielleicht unser Glück“, überlegt Monika Scherrer. Dadurch sind sie so eine eingeschworene Gruppe geworden. Aber eine, die auch Neuen gegenüber offen ist.

Monika und Ingo Wiesner wohnen seit zweieinhalb Jahren in einer Penthousewohnung in Schwäbisch Hall. Vorher lebten sie in einem Haus mit Garten. Nachdem die Töchter ausgezogen waren, wollte das Paar etwas Kleineres. Durch einen Kunden von Monika Wiesner, die einen Friseursalon betreibt, wurden die beiden auf die Penthousewohnung aufmerksam. Nun leben sie auf 135 Quadratmetern mit fünf Zimmern zur Miete. „Das ist wie ein Haus auf dem Haus“, sagt Ingo Wiesner, der als Techniker arbeitet. „Genial“ findet das Paar sein Heim – genial die Lage und vor allem den großen Balkon, der drei Seiten der Wohnung abdeckt. Von allen Zimmern, außer dem Bad, hat man darauf Zugang. „Im Sommer halten wir uns nur draußen auf“, erzählen sie. Dass sie dabei von den Nachbarn gesehen werden können, stört sie kein bisschen. Dann winken sie und freuen sich, dass sie in einer netten Umgebung leben. Einen Nachteil habe man allerdings bei Wind. Den spüre man arg im Penthouse, sowohl auf der Terrasse als auch innen hört man ihn bösartig laut, wenn er durch die Lüftungen geistert. Und in stürmischen Nächten muss Ingo Wiesner manches Mal aufstehen und die Pflanzen auf dem Balkon festbinden.

Sonja Alexa Schmitz