Wer ist der Nächste?

Wenn Firmeneigner an einen Generationswechsel denken, sollten sie viel Vorlaufzeit einplanen. Denn ein solcher Schritt muss mit Akribie vorbereitet und umgesetzt werden. Notar Gerhard Franzkowiak aus Schwäbisch Hall weiß, warum.

Herr Franzkowiak, ein Geschäftsführer eines Unternehmens – ob nun klein, mittelständisch oder groß – möchte sich in den Ruhestand verabschieden, weshalb ein Generationswechsel nötig wird. Was ist das Erste, das zu tun ist?

Franzkowiak: Die Begleitung eines Unternehmers bei der Unternehmensnachfolge kann man als die hohe Kunst der Beratung und Gestaltung im juristischen Bereich bezeichnen. Hinzu kommt, dass nicht nur juristische und steuerliche Probleme zu lösen sind, auch die Psychologie und damit verbunden die Familienkonstellation des Unternehmers spielen hier eine große Rolle. Die erste Frage lautet: Gibt es bereits einen geeigneten, mit den nötigen Sachkenntnissen ausgestatteten Nachfolger und ist dieser auch zur Übernahme bereit? Was ist mit den weiteren Familienmitgliedern, die nicht in den „Genuss“ der Nachfolge kommen? Wie und in welcher Höhe erhalten diese eine Abfindung? Hierzu gehört: Wurde in der Familie schon über die Nachfolge geredet und gibt es hier bereits einen Konsens?

Können Sie die weiteren wichtigen Vorbereitungen für einen Generationswechsel skizzieren?

Franzkowiak: An einer Unternehmensübergabe sind eigentlich immer Steuerberater, Rechtsanwälte und Notare beteiligt. Im Rahmen der Übergabe ist daher die steuerliche Situation für das Unternehmen und die am Unternehmen Beteiligten zu prüfen. Die Organisationsstruktur und die bestehenden Gesellschaftsverträge des Unternehmens sind durchzusehen und gegebenenfalls im Hinblick auf die Übergabe zu ergänzen beziehungsweise anzupassen. Die familiäre Situation des Übergebers und des Übernehmers ist zu überprüfen. Stimmen die weichenden Erben und eventuell der Ehegatte der Übertragung zu? Gibt es bereits Eheverträge und Pflichtteilsverzichtsverträge auf Seiten des Übergebers und des Übernehmers? Wie erfolgt die Absicherung des Übergebers? Welche Mitspracherechte soll der Übergeber nach der Übergabe noch haben?

Mit wie viel Bürokratie ist ein solcher Generationswechsel verbunden?

Franzkowiak: Der bürokratische Teil ist bei der Unternehmensnachfolge eher gering und wird größtenteils durch die Berater (Notar, Steuerberater) erledigt. Einen wesentlich größeren Raum nimmt die Beratung der Beteiligten und die Entscheidungsfindung in der Familie ein.

Was, wenn es keinen geeigneten Nachfolger gibt?

Franzkowiak: Ist kein geeigneter Nachfolger vorhanden, gibt es grundsätzlich zwei Optionen: entweder verkaufen (wobei auch das dann gut überlegt und geplant sein sollte) oder die Einrichtung einer Fremdgeschäftsführung. Das heißt, es werden die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, dass das Unternehmen von angestellten Geschäftsführern oder Vorständen geleitet wird. Die Familienmitglieder sind dann nur noch in ihrer Funktion als Gesellschafter oder Aktionäre beteiligt und eventuell als Aufsichtsräte oder Beiräte mit verantwortlich. Diese Lösung funktioniert langfristig nur, wenn sich die Familienmitglieder weiterhin für das Unternehmen verantwortlich fühlen und auch emotional damit verbunden sind. Es ist sinnlos, ein Familienmitglied, das am Unternehmen nicht interessiert ist, in einen Beirat, Aufsichtsrat oder eine Gesellschafterversammlung zu zwingen.

Wie viel Zeit sollte eingeplant werden, damit der Generationswechsel reibungslos vonstatten geht?

Franzkowiak: Idealerweise sehr viel Zeit. Dies schon deshalb, weil der Nachfolger dann auf seine – nicht einfache – Aufgabe vorbereitet werden kann. Im besten Fall hat der Nachfolger eine zu seiner Aufgabe passende Ausbildung genossen und in einem fremden Unternehmen bereits Führungserfahrung gesammelt. Er hat dann bereits Führungsaufgaben in einzelnen Bereichen im künftigen eigenen Unternehmen übernommen und sich hier schon entsprechend als „Juniorpartner“ eingearbeitet. Der Senior hat im Hinblick auf die Nachfolge eine testamentariche Regelung getroffen. Er hat einen Ehevertrag mit seinem Partner und eventuell bereits Verträge mit weichenden Erben, insbesondere Pflichtteilsverzichtsverträge, abgeschlossen. Die Übergabe sollte somit im Idealfall bereits Jahre vorher vorbereitet und geplant werden. Ansonsten kann je nach Falllage davon ausgegangen werden, dass eine Übergabe durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen kann.

Wie und wann ist der Generationswechsel nach außen zu kommunizieren?

Franzkowiak: Auf keinen Fall, bevor nicht klare abschließende Ergebnisse erreicht sind. Als Erstes werden die Mitarbeiter im Unternehmen informiert, anschließend die Presse. Dass es sich dann im besten Fall um eine gemeinsame Erklärung von Übergeber und Übernehmer handelt, dürfte eigentlich klar sein.

Wie viel oder wenig sollte sich die scheidende Führungskraft nach dem Generationswechsel noch einmischen?

Franzkowiak: Das kommt darauf an. Hier spielt das Verhältnis, das Übergeber und Übernehmer zueinander haben, eine große Rolle. Der Rat des Erfahrenen kann dankbar aufgenommen oder als Einmischung empfunden werden. Im Idealfall stärkt der Übergeber dem Übernehmer den Rücken und fällt ihm nicht in diesen. Die Antwort des Übergebers auf die Frage, wie sich denn der Nachfolger so entwickle, sollte daher nach dem Wort „gut“ enden und nicht etwau lauten: „Schon gut, aber …“

Welche Arten von Konflikten entstehen bei einem Generationswechsel?

Franzkowiak: Konfliktpotenzial kann im Hinblick auf enttäuschte weichende Erben bestehen, die sich mehr erhofft hätten. Das Hauptkonfliktpotenzial liegt jedoch in der vorhergehenden Frage. Der Übernehmer wird versuchen, dem Unternehmen seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Er nimmt Veränderungen vor, die dem Übergeber nicht nur gefallen, zum Beispiel Umstellungen in der EDV, in der Geschäftsführung oder gar in der Ausrichtung des Unternehmens. Mischt sich hier der Übergeber ein, ist der Konflikt programmiert. Gleiches gilt, wenn mehrere Übernehmer sich nicht über die Führung des Unternehmens einigen können.

Gibt es Unterschiede bezüglich eines Generationswechsels zwischen kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen?

Franzkowiak: Die zu lösenden Probleme sind oft ähnlicher, als man zunächst denken würde. Bei großen Unternehmen mit einer Konzernstruktur sind der Regelungsbedarf und die Absicherung der Beteiligten naturgemäß erheblich umfangreicher. Ein Unterschied zeigt sich in der Zusammensetzung der beteiligten Berater. Bei kleinen und mittleren Unternehmen sind in der Regel der Steuerberater und der Notar als Berater beteiligt. Bei großen Unternehmen, auch bei größeren mittelständichen Firmen, erfolgt die Betreuung häufig durch entsprechend qualifizierte Anwalts- und/oder Steuer- sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die auch die entsprechenden Verträge mit ausarbeiten.

Interview: Olga Lechmann

Zur Person
Gerhard Franzkowiak (63) ist seit 2013 dienstaufsichtführender Notar in Schwäbisch Hall. Davor war er 19 Jahre lang als Notar in Künzelsau tätig. Nebenbei fungiert er als Referent für die Notarakademie Baden-Württemberg im Bereich Gesellschaftsrecht und Kaufvertragsrecht in Verbindung mit Qualitätsmanagement.