„Wirtschaft wird von Menschen gemacht“

Seit rund einem dreiviertel Jahr verstärkt er das Team der Gerhard Schubert GmbH, seit Mai ist er sogar als Geschäftsführer tätig: Marcel Kiessling. Wir haben im Interview mit dem gebürtigen Heilbronner über seine neue Herausforderung gesprochen.

Herr Kiessling, Sie sind seit 1. November das neue Gesicht in der Gerhard Schubert GmbH. Sind Sie inzwischen gut in Crailsheim angekommen?

Kiessling: Ja, das bin ich allerdings. Ich wurde sehr freundlich und offen aufgenommen. Sowohl von der Familie Schubert als auch von der Belegschaft. Es gab mir gegenüber keinerlei Zurückhaltung. Die ersten sechs Monate war ich, gemeinsam mit Gerald Schubert, sehr viel unterwegs, habe Kunden und Partner besucht und unsere Tochterunternehmen kennengelernt. Dabei habe ich viele Kontakte geknüpft. Das war uns wichtig, um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten. Wirtschaft wird von Menschen gemacht, da spielt der persönliche Kontakt eine entscheidende Rolle.

Was war Ihr erster Eindruck von der Firma Schubert? Was von der Stadt Crailsheim?

Kiessling: Als Heilbronner – ich bin dort geboren und aufgewachsen, habe das Robert-Mayer-Gymnasium besucht und in Heilbronn Handball gespielt, wodurch ich viel in der Region herumgekommen bin – kenne ich Crailsheim als Stadt natürlich schon lange. Auch die Firma Schubert war mir ein Begriff, aber ich hatte mich nicht im Detail mit dem Unternehmen beschäftigt – zunächst. Als ich das schließlich getan habe, war ich begeistert und bin es bis heute von der Innovationskraft, die von Schubert ausgeht. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Produkte und Produktbezeichnungen die Firma geprägt hat. Viele davon sind bis heute in der Branche Standard.

Sie folgen auf Gerald Schubert, ein Mitglied der Familie Schubert. Ist dies für Sie eine besondere Herausforderung? Oder gehen Sie das eher locker an?

Kiessling: Es ist sicherlich eine Herausforderung, in diese komplexe Technologie hineinzukommen. Unsere Maschinen basieren zwar auf einem Baukastensystem, werden jedoch auf jede Kundenanforderung individuell angepasst. Es gibt also schier endlose Möglichkeiten. Das Wissen, das Gerald Schubert in den vergangenen 30 Jahren aufgebaut hat, ist natürlich immens. Und entsprechend groß sind die Fußstapfen, in die ich trete. Dennoch gibt es im B2B-Geschäft immer auch Ähnlichkeiten. Die Vertrauensbasis – egal, ob zu Kunden, Geschäftspartnern oder Mitarbeitern – muss stimmen. Ich bin, nach Peter Gabriel, der ja schon sehr lange in der Firma ist und damit quasi zur Familie gehört, der erste externe Geschäftsführer im Familienunternehmen. Das ist eine Veränderung, die zeigt, wie weitsichtig und offen die Familienmitglieder sind, denken und handeln. Davor habe ich großen Respekt.

In den vergangenen 25 Jahren – und damit rund der Hälfte Ihres Lebens – waren Sie in verschiedenen Positionen in einem börsennotierten Unternehmen aktiv. Jetzt der Wechsel in eine familiengeführte Firma, in der der Gründer selbst, aber auch dessen Angehörige sehr präsent sind. Ist das eine Umstellung für Sie? Inwiefern?

Kiessling: Es ist definitiv anders. Allerdings ist es keine schwere Umstellung, im Gegenteil, es ist sehr angenehm. Entscheidungen werden sehr viel schneller, direkter und oft auch pragmatischer getroffen – aber immer nachhaltig. Und das gefällt mir. Es geht nicht um den kurzfristigen Erfolg, sondern darum, das Unternehmen langfristig erfolgreich in die Zukunft zu führen. Schubert soll weiter wachsen. Das ist in börsennotierten Unternehmen oft anders. Hier werden Stimmen von vielen Seiten laut, viele Interessen wollen bedient werden. Dabei kann es passieren, dass die Zukunftsperspektive etwas verloren geht. Und damit auch das Vertrauen der Mitarbeiter in die Firma. Bei Schubert sind wir ganz nah am Geschehen und an den Kollegen dran, was natürlich auch der Größe geschuldet ist. Jeden Montag machen wir, die Geschäftsführer, beispielsweise einen Rundgang durch die Produktionshallen, schauen uns jede Maschine an und sprechen mit den Meistern, die daran arbeiten. Bei Großkonzernen mit vielen Tausend Mitarbeitern ist das ja oft gar nicht möglich. Und das macht eben den Unterschied aus.

Welche Werte sind Ihnen besonders wichtig?

Kiessling: Mir sind Ehrlichkeit, Respekt, Offenheit und Verlässlichkeit sehr wichtig – ob privat oder im Geschäftsleben spielt dabei keine Rolle. Es braucht meiner Meinung nach diese Eigenschaften, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Und die ist in jeder Art von zwischenmenschlicher Beziehung wichtig. Ich behandle Menschen so, wie ich auch selbst behandelt werden möchte. Dazu gehört auch, dass man mal einen Fehler machen kann. Nur wer etwas macht, kann auch etwas falsch machen und etwas dazulernen – das sollte man dann natürlich auch (lacht).

Inwiefern gehen diese Werte Hand in Hand mit der Firma Schubert?

Kiessling: Die Menschen hier sind sehr herzlich, aber auch sehr ehrlich – dadurch wirken sie manchmal vielleicht auch ein wenig rau. Aber man weiß immer, woran man ist. Die Leute stehen zu dem, was sie denken und sagen. Und das zieht sich wie ein roter Faden durch das Unternehmen. Auch die Geschäftsführung steht zu ihrem Wort und ist transparent. Wir laufen vor Problemen nicht weg, sondern versuchen, offen damit umzugehen und eine gute Lösung zu finden. Das hat man bei Schubert schon immer so gemacht. Das passt auch zu meiner Einstellung.

Die Firma Schubert expandiert – und möchte das auch weiterhin tun. Sie werden diesen Expansionsprozess federführend begleiten. Welche Märkte möchten Sie erobern? Wie?

Kiessling: Richtig, das Unternehmen wächst. Und das ist auch weiterhin unser erklärtes Ziel: konstantes und gesundes Wachstum. Dabei soll es in zwei Richtungen gehen. Zum einen möchten wir neue Anwendungen mit unseren Technologien realisieren. Ein Verpackungsprozess hat mehrere Prozessschritte. In Schritt eins, der Primärverpackung, wird das Produkt an sich verpackt. Beispielsweise kommt das Kaffeepulver in die dafür vorgesehenen Kaffeekapseln oder der Riegel in den Schlauchbeutel. In Schritt zwei, der Sekundärverpackung, werden die Produkte z.B. in Schachteln verpackt. Diese Prozesse möchten wir stärker integrieren, was Platz spart und Schnittstellen reduziert. Auf der anderen Seite möchten wir unser Portfolio weiter ausbauen. Schubert ist mit Nahrungsmitteln und Süßwaren groß geworden, unsere Technologie ist aber auch für den Pharma- und Kosmetik-Markt interessant. Geographisch sehen wir großes Potenzial in Nordamerika und besonders in AsienIn Asien sind wir vereinzelt mit Maschinen vor Ort. Jetzt, mit steigendem Lohnniveau wird Automatisierung auch dort wichtiger Dafür müssen wir vor Ort sein, Vertriebsbüros aufbauen und einen guten Service bieten. Derzeit sind wir am überlegen, wo genau wir präsent sein wollen.

Welche Visionen haben Sie für das Unternehmen?

Kiessling: Ich möchte meinen Beitrag leisten, um Schubert weiterzuentwickeln. Wachstum ist dabei das A und O. Dabei sollen aber nicht die Werte, die uns ausmachen und die uns in der Vergangenheit ausgezeichnet haben, vergessen werden. Innovationsstärke, Ideen und Mut wollen wir uns beibehalten. Wir trauen uns, neue Wege zu gehen. Wir müssen etwa auf die Veränderungen in der Arbeitswelt durch kollaborative Roboter reagieren. Dabei arbeiten Mensch und Maschine Hand in Hand zusammen.

Interview: Lydia-Kathrin Hilpert