Das Gründer- und Start-up-Ökosystem in Heilbronn-Franken ist Studienergebnissen zufolge überdurchschnittlich gut – was sich in der Resonanz auf den Zukunftswiesen Summit spiegelt. Zwei Erfolgsgeschichten von Teilnehmern zeigen, wie junge Unternehmer das gründerfreundliche Klima für sich genutzt haben.#
Wohl jeder, der im Sommerurlaub im Meer geschwommen ist – je nach Region in entweder fröstel-frischem oder wannenwarmem Wasser – kennt dieses Gefühl: Eins zu sein mit der Natur und im Reinen mit sich selbst. Das mag daran liegen, dass Schwimmer gänsehautnah mit dem Ökosystem Meer in Berührung kommen. Quasi eintauchen in das Beziehungsgefüge der Lebewesen untereinander und deren Lebensraum, wie Ökologe Matthias Schaefer den Fachterminus definiert.
Dieses besondere Gefühl, in einem speziellen Ökosystem seinen Platz gefunden zu haben, gibt es nicht nur in der Biologie. Das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der deutschen Wirtschaft, kurz RKW, spricht von einem „fruchtbaren regionalen Gründer-Ökosystem“ wenn junge Talente, erfolgreiche Unternehmen, Finanzierungsmöglichkeiten, Bildungsangebote, Infrastruktur und andere Parameter auf Innovationkraft, Kreativität und eine risikoaffine Grundhaltung treffen.
Genau das ist in Heilbronn-Franken der Fall. Das spiegelt sich zum einen bei Events wie dem Zukunftswiesen Summit wider, auf dem sich mehr als 30 regionale Start-ups vorstellen. Zum anderen auch an der hohen Zahl junger Unternehmen. 6689 Neugründungen in 2023 verzeichnet die IHK in ihrer aktuellen Analyse – mit einem Plus von 7,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr fast doppelt so viele wie im restlichen Baden-Württemberg, das eine Steigerung von 4,3 Prozent meldet.
Beste Voraussetzungen für Start-ups in Heilbronn-Franken
Und die regionalen Start-ups gedeihen prächtig im hiesigen Innovationsbiotop, wie etwa die Smopi Multi Chargepoint Solution GmbH in Bretzfeld im Hohenlohekreis. Lukas Schlipf gründete das Start-up Anfang 2021, über zehn Mitarbeiter betreuen inzwischen mehr als 130 Kunden und stellen ihnen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge und entsprechende Software für Firmen-E-Autos zur Verfügung. Inzwischen hat das Unternehmen zahlreiche Preise wie etwa den German Innovation Award erhalten. Schlipf lobt die Strukturen vor Ort: „Unser Ökosystem ist sehr gut. Man merkt seit Corona, dass ein Push durch die Region geht.“ Mit dem Netzwerk Hohenlohe Plus, hfcon und den Campus Founders seien starke Partner vor Ort, die bei der Entwicklung und Vernetzung helfen.
So sieht es auch die IHK: Die Region biete Existenzgründern ein umfassendes Unterstützungsnetzwerk, das Thema Networking werde großgeschrieben und der Mut, Risiken einzugehen und sich auf unbekanntes Terrain zu wagen sei laut IHK stark ausgeprägt. Damit dürfte das Klima in der hiesigen Startup-Biosphäre besser sein als im Rest Baden-Württembergs. Auf Landesebene sind nur 54 Prozent der Start-ups zufrieden mit dem umgebenden Ökosystem, 15 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Das ist das Ergebnis des aktuellen Start-Up-Monitors, den die Unternehmensberatung PwC und der Startup Verband jährlich veröffentlichen. Immerhin: 70 Prozent der Unternehmer würden sich bei einer Folgegründung wieder für denselben Standort entscheiden, „was eine große Verbundenheit mit der Region zeigt“, heißt es in der Studie.
Einer der wirtschaftsstärksten Standorte in Deutschland
Auch für Smopi-Gründer Schlipf war der Firmensitz ausgemacht: „Unser Standort ist einer der wirtschaftsstärksten in ganz Deutschland mit viel Automobil- und Zuliefererindustrie.“ In seinem Fall kam hinzu, dass seine Eltern, Inhaber der Gebauer Elektrotechnik, schon über ein Gebäude in Bretzfeld verfügten. Und dass ihm Interesse an Elektrotechnik und das „Unternehmer-Gen“ quasi in die Wiege gelegt worden seien, „ist ein absoluter Glücksfall“ sagt der studierte Betriebswirt.
Mit Smopi hat sich Schlipf, der vor seiner Selbstständigkeit bei Daimler im Bereich Elektromobilität Erfahrungen sammeln konnte, eines der Lieblingsthemen für Start-up-Gründer ausgesucht: Das Thema Mobilität rangiert auf Platz 7 der Branchen, in denen Jungunternehmer gründen – 33 Prozent mehr im ersten Halbjahr dieses Jahres als noch in 2023, wie der Start-up Verband und der Datenbank-Anbieter Startupdetector in ihrem aktuellen „Next Generation“-Report angeben. Direkt dahinter auf Platz 8 und ebenfalls im Aufwind ist der Bereich „HR Tech“ – das Metier von Tim Findeiss. Wie Schlipf mit Smopi wird auch er am 10. Oktober beim Zukunftswiesen Summit in Blaufelden dabei sein. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Samuel Keitel und Staël Tchinda hat er Senior Connect gegründet, eine digitale Plattform zur Jobvermittlung für Senior Professionals – gut ausgebildete Fachkräfte mit langjähriger Expertise in der Altersgruppe 50 plus.
Viele Gründer hadern zu Beginn mit einer soliden Finanzierung
Das Trio gewann den Gründerwettbewerb „Hohenlohe4Talents“, was dem Start-up finanzielle Förderung und ein noch stärkeres Netzwerk einbrachte. Findeiss spricht an, womit angehende Gründer noch vor der so genannten „Seed“-Phase hadern: Eine solide Finanzierung, mit der das Start-up-Samenkorn keimen und Wurzeln schlagen kann. Im Fall von Senior Connect seien es institutionelle Investoren – Venture-Kapitalgeber – die diese Basis bereiten. Aktuell befinde sich Senior Connect in einer Finanzierungsrunde, die in den kommenden Monaten abgeschlossen werden soll. Die Gründer aus Hohenlohe haben allerdings gute Argumente für potenzielle Geldgeber: Dank Partnerschaften und Marketing verfügt Senior Connect inzwischen über einen Pool von 150.000 Senior Professionals.
„Aufbauend auf einer stabilen Finanzierung ist das Netzwerk aber eigentlich das Wichtigste“, sagt Findeiss. Genau wie Schlipf will er den Summit zum Austausch mit Mittelständlern und anderen Start-up-Pionieren nutzen. Schließlich sollen Angebot und Nachfrage weiter wachsen. Sein Tipp: Keine Hemmungen haben, nach erfolgreichen Gesprächen das Gegenüber nach weiteren Ansprechpartnern zu fragen oder um Referenzen zu bitten. „Positive Mundpropaganda kann sehr viel bewirken, das haben wir selbst bemerkt“, sagt er. Voraussetzung für Erfolg sei, den Markt genau zu kennen. „Es ist extrem wichtig, eine lange Zeit der Marktforschung einzuplanen, um zu validieren, wo ein Problem vorhanden ist. Die Schmerzen der Menschen zu verstehen und basierend darauf ein Produkt zu entwickeln, das der Zielgruppe einen Mehrwert bietet.“
Etwas zu schaffen, das anderen Menschen, vielleicht sogar dem biologischen und wirtschaftlichen Ökosystem etwas bringt – dafür schlägt auch das Herz des Smopi-Gründers Schlipf: „Wir haben doch alle das Ziel vor Augen, dass sich die Welt noch etwas länger dreht und wir mit unseren Lösungen dazu ein Stück beitragen können.“
Natalie Kotowski