Playful Work

In einer Ära, in der Arbeit Spaß machen soll, ist es an der Zeit, den Gegensatz zwischen ernsthafter Arbeit und freudvollem Spiel aufzulösen. Denn wer Arbeit als Spiel begreift und lebt, hat das Potenzial, Kreativität zu entfalten und Innovationen voranzutreiben, wie der neue „Work Report“ des Zukunftsinstituts zeigt.

Lage einschätzen, ausprobieren, hinfallen, daraus lernen, adaptieren und gleich noch einmal in eine ergebnisoffene Schleife, in der unsere Kreativität erwacht. Das macht ein Spiel aus. Der Mensch spielt – er hat es schon immer getan. Nur haben wir irgendwann vergessen, wie sehr uns dieses ergebnisoffene Herantasten an die Welt in unserer Entwicklung nach vorne gebracht hat. Unser Spieltrieb ist mit zunehmender gesellschaftlicher Integration der Konformität zum Opfer gefallen. Wir lernten Lernen, indem wir das Entdecken aufgaben.

Heute ist die Lust am Spielen in Form von Brettspielen, Konsolen-Games und Co. bis ins hohe Alter gegeben. Zumeist sind wir dabei aber von einem Wettkampfcharakter getrieben. Der Charakter des wahren Spiels bleibt oft auf der Strecke. Der Begriff Anfängergeist stammt aus dem Zen-Buddhismus und beschreibt eine innere Haltung des Nicht-Wissens, die mit Offenheit und Neugier einhergeht. Untersuchungen zeigen, dass wir als Kleinkinder recht lange üben mussten, bis wir laufen konnten. Die Entwicklungspsychologin Karen Adolph und ihr Team von der New York University rechneten hoch, dass ein Kleinkind in der Phase des Laufenlernens jeden Tag zirka 14.000 Schritte macht und ungefähr hundertmal hinfällt. Ein recht guter Wert, wenn man bedenkt, dass wir am Arbeitsplatz niemals die Geduld hätten, bei ein und derselben Sache hundertmal einen Fehler zu machen. Der Unterschied zwischen dem Kleinkind und uns Erwachsenen ist, dass Kleinkinder nichts von Fehlern wissen, sondern ihrem angeborenen Lerntrieb folgen.

Unternehmen müssen sich in zunehmend komplexen Umfeldern darauf besinnen, dass es der angeborene Spieltrieb ist, der uns dazu bringt, so etwas wie das Laufen selbst zu erlernen, und zwar in dem Ausmaß, dass es Teil unseres Unterbewusstseins wird. Es gilt, die Innovations-Schleife aus Probieren, Hinfallen, Innehalten, Adaptieren und Üben zu reaktivieren, da Organisationen mit klassischem Management und der Umsetzung von Fragestellungen die Komplexität der heutigen Netzwerkgesellschaft nicht mehr beherrschen können.

Kein Richtig und Falsch

Im Grunde geht es darum, eine neue Haltung zu erarbeiten, in der das Spiel im Sinne des englischen Begriffs Play, der das ergebnisoffene Spielen beschreibt, und nicht im Sinne von Game (mit Zielvorgabe) bevorzugt wird. Dabei muss man aufhören, die Situation, Gedankengänge und (Zwischen-)Ergebnisse laufend zu bewerten. Beim Play gibt es de facto kein Richtig und kein Falsch, sondern nur die Erkenntnis des Fortschritts und das Feedback aus dem Versuch. Dieses sollte dazu führen, es beim nächsten Mal anders – aber nicht zwingend besser – zu machen. Das bewusste Nicht-Bewerten ist notwendig, um den Baustein der intrinsischen Lust nicht gegen ein „Ich muss“ einzutauschen.

Die besten Ideen kommen uns häufig unter der Dusche beim Singen unseres Lieblingsliedes: Wir müssen in diesem Augenblick nichts, haben keinen Erfolgsdruck und werden von niemandem bewertet, während wir einfach nur vor uns hin trällern. Plötzlich ist sie da, die eine Idee, auf die wir so lange gewartet haben. Aus diesem Grund ist es wichtig für Organisationen, Orte des unbeschwerten Spielens zu schaffen, um Kreativität einen Raum zu geben. Führungskräfte werden sich künftig danach definieren, wie sehr sie proaktiv loslassen können, um den Protagonisten Spielraum zu lassen. Es gilt anzuerkennen, dass die digitale und globale Welt sich keinen klaren, nachvollziehbaren Regeln unterwirft und dass Sicherheit nicht mehr im Bestehenden, sondern in der ständigen Bewegung gefunden werden muss.

Unternehmen wie Google und auch zahlreiche Start-ups haben es in den letzten Jahren verstanden, räumliche Spielplätze für ihre Mitarbeiter zu schaffen. Doch einen Kicker im Büro aufzustellen, schafft zwar einen neuen Ort des Treffpunkts, aber noch kein spielerisches Denken im Arbeitsalltag. Es müssen ein Umfeld und eine Atmosphäre kreiert werden, die dazu beitragen, dass Mitarbeiter explorativ und neugierig auf die Suche gehen und sich ausprobieren. Und genauso wie ein Kind bei den Eltern gesehen hat, wie der aufrechte Gang funktioniert, müssen sich Führungskräfte ihrer neuen Vorbildfunktion bewusst sein.

Ali Mahlodji

Zur Person
Ali Mahlodji bezeichnet sich selbst als Fehler im System: Flüchtling und Schulabbrecher. Er hatte über 40 Jobs – von der Putzhilfe über den Manager bis hin zum Lehrer, Gründer und Geschäftsführer, Chief Visionary und Chief Storyteller von Whatchado, EU-Jugendbotschafter und seit 2015 auch „EU Ambassador for the new narrative“. Kürzlich ist sein erster „Work Report“ in Zusammenarbeit mit dem Zukunftsinstitut erschienen.