„Alle müssen an einem Strang ziehen“

Am 31. März ist es soweit: Die Experimenta öffnet nach der Umbauphase ihre Pforten. Im Interview zieht der Geschäftsführer des Science-Centers, Wolfgang Hansch, Bilanz über die Bauzeit und erklärt, wie es gelingt, ein solch großes Projekt umzusetzen.

Herr Hansch, knapp vier Jahre Planungs- und Bauzeit liegen hinter Ihnen. Die Neueröffnung der Experimenta steht bevor. Wie fällt Ihr Fazit über die Bauphase aus?

Wolfgang Hansch: Es war von Beginn an klar, dass der geniale Entwurf des Berliner Architektenbüros Sauerbruch Hutton eine große Herausforderung in der Umsetzung sein würde. Gerade bei einem so komplexen Projekt war das Miteinander sehr wichtig. Nur wenn alle Beteiligten, egal ob Bau- oder Experimenta-Team, zusammenarbeiten und sich regelmäßig austauschen, kann erfolgreich geplant und gebaut werden. Doch die Mühe hat sich gelohnt und wir sind alle stolz auf das Erreichte.

Was war die die größte Herausforderung? Ist man bautechnisch an Grenzen gestoßen?

Hansch: Ein architektonisch so außergewöhnliches Gebäude zu planen, zu bauen und parallel eine hochkomplexe Technik sowie vollkommen neue inhaltliche Angebote zu entwickeln und zu integrieren, war höchst herausfordernd. Deshalb kann ich gar keinen einzelnen Punkt hervorheben. Hinzu kamen der Umbau und die Neugestaltung des Bestandsgebäudes und der Umbau eines Tankschiffes zur MS Experimenta (konzipiertes Laborschiff der Experimenta, Anm. d. Red.) Ein sehr ambitioniertes Gesamtvorhaben, dass sicherlich in Deutschland seinesgleichen sucht.

Wie ist es gelungen, das Projekt in doch relativ kurzer Zeit umzusetzen?

Hansch: Alle müssen an einem Strang ziehen. Wir hatten sehr engagierte Partner im Bauprojekt. Besonders stolz bin ich natürlich auf die Experimenta-Mitarbeiter. Mit ihrer Professionalität, Kreativität und überdurchschnittlichen Einsatzbereitschaft haben sie dieses Projekt getragen. Alle Beteiligten an der Experimenta spüren, dass sie etwas Neues, Großartiges geschaffen haben. Darauf sind sie stolz.

Inwiefern hat das Konzept der Experimenta den Neubau beeinflusst?

Hansch: Maßgeblich. Uns war es wichtig, einen Ort zu schaffen, wo der Mensch etwas über sich selbst erfährt, und wo er angeregt wird, seinen Kompass in einer zunehmend komplexer werdenden Welt zu finden. In unserem Neubau führt die Verbindung aus Ausstellung und Erlebnis zu einem Tragwerk der außergewöhnlichen Art. Eine Besonderheit ist sicherlich der Science-Dome, der in die Erde „eingegraben“ ist und sich damit trotz seines großen Volumens harmonisch in den Gesamtbau integriert.

Der Ursprung der Experimenta liegt in der Umgestaltung eines ehemaligen Ölsaatenspeichers. Das neue Gebäude sieht futuristisch aus. Warum wurde der Kontrast von Alt und Neu gewählt?

Hansch: In dem Bestandsbau, dem Hagenbucher Speicher, sind unsere Forscherwelten mit acht Laboren, einer Experimentierküche, dem Schüler-forschungszentrum und einem Maker-Space untergebracht. Zu diesem Zweck wurde eine historische Industriearchitektur neu interpretiert. Der futuristische Neubau mit den Entdecker- und Erlebniswelten bietet einen echten Perspektivenwechsel, steht für Innovation und den Mut, Grenzen zu überwinden. Für mich steht der Kontrast von Alt und Neu exemplarisch für das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft, Technik und Gesellschaft sowie für die Aufforderung zum Dialog, um gemeinsam Einzigartiges zu schaffen.

Was soll mit der Bauweise des neuen Science-Centers ausgedrückt werden?

Hansch: Die neue Experimenta steht an erster Stelle für Offenheit und ist für Besucher von vier bis 99 Jahren konzipiert. Wir wollen Neugier wecken und zum Diskurs anregen. All das spiegelt sich in der Bauweise wider. Das Architektenbüro Sauerbruch Hutton, die Schwarz Real Estate als Bauherr, Drees und Sommer mit ihrem General Construction Management und die vielen beteiligten Firmen auf Bau- und Nutzerseite haben das Experimentelle in der Bauweise täglich gelebt.

Welches ist das architektonisch interessanteste Element im Neubau?

Hansch: Die gläsernen Studios im Atrium des Neubaus und der Science-Dome sind einzigartig. Wir hatten zum Beispiel in unseren ersten Erweiterungsplänen nicht genügend Platz, um ein Planetarium und einen Veranstaltungssaal mit modernster Bühnentechnik zu bauen. Zudem wäre es sehr teuer geworden. Die Firma Kraftwerk hatte dann die geniale Idee, beides durch die Drehung des Auditoriums zusammenzubringen. Gemeinsam entstand dann das Konzept des Science-Domes als Weltneuheit.

Inwiefern ist das neue Gebäude selbst ein Gegenstand der Ausstellung?

Hansch: Der Neubau als dynamische Struktur aus Glas und Stahl ist konsequent auf das Zeigen und Erleben ausgerichtet. Prägendes Element ist die Raumspirale: ein quasi öffentlicher Aufenthaltsraum, der sich vom Vorplatz bis zum Dach durch das Haus windet und auf insgesamt fünf Etagen die verschiedenen Bereiche miteinander verbindet.

Interview: Alexander Liedtke

Zur Person
Wolfgang Hansch ist seit der Gründung 2007 Geschäftsführer der experimenta gGmbH und hat das Konzept des Science-Centers sowie die Neugestaltung maßgeblich mitgestaltet. Der habilitierte Geologe war zuvor Leiter des naturhistorischen Museums Heilbronn.