Verpackungsbranche zwischen Funktionalität und Kreislauffähigkeit

Der Einsatz von Rezyklaten, also wiederverwetbaren Kunststoffen, soll mithilfe von KI erhöht und so eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ermöglicht werden. Foto: Fraunhofer IVV

Von Biokunststoffen bis zu innovativen Verpackungskonzepten: Markus Schmid, Institutionsleiter des Sustainable Packing Institute SPI, ist überzeugt, dass die Verpackungsbranche die Transformation hin zu einer kreislauforientierten Bioökonomie unterstützen wird.

Wie hat sich die Verpackungsbranche in den letzten Jahren entwickelt?

Markus Schmid: Eine der wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre war die verstärkte Konzentration auf Aspekte der Nachhaltigkeit in der Verpackungsbranche. Insbesondere das Thema der Kreislauffähigkeit von Verpackungen hat durch das 2019 in Kraft getretene Verpackungsgesetz neue kreislauffähige Verpackungskonzepte hervorgebracht.

Als Institutionsleiter des SPI befassen Sie sich viel mit nachhaltigen Verpackungskonzepten: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um umweltfreundlichere Verpackungen zu produzieren?

Schmid: Unternehmen ergreifen verschiedene Maßnahmen, um nachhaltigere Verpackungen herzustellen. Zu diesen Maßnahmen gehören die Optimierung des Verpackungskonzepts, um die Menge an Verpackungsmaterial zu reduzieren und das Recycling von Verpackungsmaterial zu verbessern. Darüber hinaus werden verstärkt biobasierte Materialien eingesetzt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass dies nur dann einen wirklichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leistet, wenn diese auch die Funktionalität ausreichend erfüllen.

Können Sie das erklären?

Schmid: Nicht immer ist die Funktionalität ausreichend erfüllt. Das kann dazu führen, dass die gut gemeinte Anpassung des Verpackungskonzeptes, beispielsweise der Ersatz von PE-Folie durch Papier, in der Gesamtbetrachtung keinen positiven Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit leistet. Wenn die Haltbarkeit des Packgutes durch die geringere Funktionalität des nachhaltigeren Packmittels reduziert wird, entsteht mehr Abfall durch nicht konsumiertes Packgut. Es kommt also auf den Einzelfall an.

Zurück zum Verpackungsmaterial: Welche neuen Materialien werden in der Verpackungsbranche verwendet?

Schmid: Verpackungsmaterialien müssen ihre Schutzfunktion erfüllen. Nun kommen weitere Anforderungen seitens der Verbraucher und der Legislative hinzu. Die Verpackungsbranche bewegt sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen Funktionalität und gleichzeitig gewünschter Kreislauffähigkeit oder auch anderen End-of-Life-Optionen, wie einer biologischen Abbaubarkeit. Dadurch sind neue Konzepte entstanden, die dem Design for Recycling folgen. Bei diesen Konzepten handelt es sich häufig noch um Verbundmaterialien, die in bestehenden Recyclinganlagen technisch im Kreislauf geführt werden können. Beispielsweise werden polyolefinbasierte Folien durch sehr dünne Beschichtungen so funktionalisiert, dass sie die notwendige Schutzfunktion bieten und gleichzeitig gut werkstofflich recycelt werden können.

Welche weiteren Anforderungen stellen die Verbraucher an die Verpackungsindustrie?

Schmid: Das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Konsumenten hat stark zugenommen. Natürlich wirkende Verpackungen werden gegenüber weniger natürlich wirkenden Verpackungen bevorzugt. Darauf haben auch die Marken in ihrem Verpackungsdesign reagiert. So werden funktionale Kunststofffolien, die bisher das Packgut umhüllten, zusätzlich mit Papier kaschiert. Dies hat allerdings in einigen Fällen auch dazu geführt, dass die vorher auch recycelbare Verpackung als Verbundmaterial nicht mehr recycelt werden konnte. Da das Thema Recyclingfähigkeit inzwischen auch von den Verbrauchern wahrgenommen wird, kommen immer mehr Verpackungskonzepte auf den Markt, die recyclingfähig sind und das auch ausweisen. So finden sich beispielsweise immer häufiger Aussagen wie „100 % recyclingfähig“ oder „Flasche aus 100 % Recyclingmaterial“ auf Verbraucherverpackungen.

Welche Trends sind neben der Nachhaltigkeit aktuell zu beobachten?

Schmid: Ein weiterer großer Trend neben der Nachhaltigkeit ist das Thema „Digitalisierung“. Die Treiber der Digitalisierung in der Verpackungsindustrie sind die Notwendigkeit der Effizienz- und Produktivitätssteigerung, die steigende Nachfrage nach personalisierten Verpackungslösungen, die Verbesserung der Nachhaltigkeit und die sich verändernde Art und Weise, wie Konsumenten einkaufen und Produkte konsumieren.

Wie könnte beispielsweise Künstliche Intelligenz helfen, die Ziele zu erreichen?

Schmid: Künstliche Intelligenz kann eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Ziele für nachhaltigere Verpackungskonzepte spielen. KI kann unter anderem eingesetzt werden, um Verpackungsdesigns zu optimieren, die Effizienz der Lieferkette zu verbessern und Abfälle durch die Vorhersage und Vermeidung von Qualitätsproblemen zu reduzieren. Auch wir am SPI sind an verschiedenen Verbundprojekten zu diesem Thema beteiligt. Eines davon ist das vom BMBF geförderte Projekt „KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen“ mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verbessern.

Können Sie das Projekt kurz erläutern?

Schmid: Bei dem Projekt arbeiten 51 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft in zwei Innovationslaboren zusammen, um praxistaugliche KI-gestützte Werkzeuge für die Produktgestaltung und Produktion von Kunststoffverpackungen mit hohem Rezyklatanteil zu entwickeln. Das SPI ist dabei im Teilprojekt KIOptiPack aktiv. In diesem Teilprojekt liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung und Validierung von Werkzeugen für Produktdesign und Produktion, einschließlich der Anbindung an eine zentrale Netzwerkplattform für das Value Added Engineering.

Welche Verpackungslösungen werden voraussichtlich in Zukunft an Bedeutung gewinnen und welche Innovationen sind zu erwarten?

Schmid: Mit Aussagen über mögliche Entwicklungen bin ich sparsam. Ich bin aber persönlich davon überzeugt, dass die Verpackungsindustrie, auch, aber nicht nur durch technischen Fortschritt und weitere Innovationen, einen wichtigen Beitrag leisten wird, um die Transformation unserer linearen Wirtschaft hin zu einer kreislauforientierten Bioökonomie zu unterstützen. Am SPI wollen wir mit unseren Partnern dazu beitragen, indem wir mehr Innovationen durch materialwissenschaftliche Erkenntnisse hervorbringen. Dazu gehören neue funktionale Biokunststoffe und die Integration aktiver und intelligenter Technologien in innovative Verpackungskonzepte.

Interview: Teresa Zwirner

Zur Person

Prof. Dr. Markus Schmid leitet das Sustainable Packaging Institute SPI an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.