Im Rahmen seines Klimaschutzkonzeptes will der Main-Tauber-Kreis kreiseigene Gebäude mit Solaranlagen ausstatten. Jochen Müssig, Dezernent für Kreisentwicklung, spricht über die Solardachinitiative.
Herr Müssig, welche Ziele verfolgt die Solardachinitiative?
Jochen Müssig: Im Main-Tauber-Kreis wird heute bereits über 50 Prozent des Gesamtstromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gewonnen. Der Landkreis liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Weit mehr als ein Drittel der erneuerbaren Energie wird hierbei durch Sonnenenergie erzeugt. Der Landkreis möchte deshalb gemeinsam mit der kreiseigenen Energieagentur Main-Tauber-Kreis GmbH und den Sponsoren die bisher nicht genutzten, für Fotovoltaikanlagen aber geeigneten Dachflächen aktivieren.
Dient die Umrüstung dem Klimaschutz oder gibt es auch finanzielle Vorteile?
Müssig: Ziel ist, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Es geht um eine Einsparung von Kohlenstoffdioxid und um eine möglichst hohe Eigennutzung der erzeugten Energie. Durch die Eigenstromnutzung, aber auch durch die Vergütung des eingespeisten Stroms, können sich die Anlagen in rund acht Jahren amortisieren.
Bis wann soll die Umrüstung erfolgen?
Müssig: Der beschlossene weitere Ausbau der Fotovoltaikanlagen auf kreiseigenen Dächern wird in den Jahren 2020 und 2021 umgesetzt. Die Ausschreibungen werden aktuell erstellt und gehen ab März sukzessive an den Markt.
Welche Behörden, Ämter und Verbände arbeiten im Main-Tauber-Kreis zusammen, um das Klimaschutzkonzept umzusetzen?
Müssig: Dies sind im Landratsamt zunächst die Energieagentur Main-Tauber-Kreis GmbH, das Sachgebiet Energie des Amtes für Wirtschaftsförderung, Energie und Tourismus sowie in bestimmten Themen weitere Bereiche wie das Landwirtschaftsamt, das Forstamt, das Umweltschutzamt und das Bauamt. Hinzu kommen Banken und Energieversorger. Kooperationspartner sind die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und das Solar-Cluster Heilbronn-Franken.
Wie viel Dachfläche soll mit Fotovoltaik ausgestattet werden? Ist das überall problemlos möglich?
Müssig: Grundsätzlich ist auf den meisten Gebäuden eine Ausrüstung mit Fotovoltaik möglich, im Einzelfall muss jedoch die Tragfähigkeit des Daches geprüft werden. Wie viel Dachfläche durch Fotovoltaik belegt wird, muss im Einzelfall mit dem Energieberater oder der Fachfirma abgestimmt werden. Auch eine mögliche Höchstgrenze durch den Netzbetreiber muss abgeklärt werden.
Welcher Energiebedarf kann aktuell schon regenerativ gedeckt werden?
Müssig: Aktuell betreiben der Landkreis Main-Tauber sowie die Energieagentur Main-Tauber-Kreis Fotovoltaikanlagen an vier Standorten, nämlich auf dem Beruflichen Schulzentrum Bad Mergentheim, auf der Schule im Taubertal in Unterbalbach, auf den Beruflichen Schulen in Tauberbischofsheim und auf dem Berufsschulzentrum in Wertheim. Im Jahr 2018 wurden damit 219.094 Kilowattstunden (kWh) erzeugt. In den Jahren 2020 und 2021 kommen weitere vier Anlagen hinzu. Durch die neuen Anlagen auf den Dächern der Landkreisverwaltung, Haus I und II in Tauberbischofsheim, des Verwaltungsgebäudes Bad Mergentheim sowie weiterer Flächen der beruflichen Schulen in Tauberbischofsheim erhöht sich die installierte Leistung. Es wird mit einer Steigerung der Energieerzeugung um 274.000 kWh auf insgesamt rund 500.000 kWh gerechnet.
Der Gesamtstromverbrauch der landkreiseigenen Gebäude liegt bei rund 981.000 kWh, was nach Umsetzung einer Deckung des Gesamtenergiebedarfs mit Solarenergie von rund 50 Prozent entspricht.
Warum wird insbesondere auf Sonnenenergie gesetzt?
Müssig: Solarenergie schneidet bei der Flächenbilanz im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energien sehr gut ab. Bereits 14 Quadratmeter sind ausreichend, um den Strombedarf einer Person zu decken.
Wird auch in andere regenerative Energien wie Wind- und Wasserkraft investiert?
Müssig: Der Landkreis selbst betreibt keine Wind- oder Wasserkraftanlagen. Im Landkreis sind aktuell jedoch 144 Windkraftanlagen errichtet sowie weitere drei Anlagen genehmigt. Über das Förderprogramm „Förderinitiative effiziente Wärmenetze Baden-Württemberg in der Region Heilbronn-Franken“ wurden in Zusammenarbeit von Energieagentur und dem jeweiligen Energieversorger Machbarkeitsstudien für Nahwärmenetze finanziert. Diese befinden sich aktuell alle im Bau, zwei weitere Nahwärmenetze sind im Kreisgebiet geplant. Die Wasserkraft wird durch E-Werke an Main und Tauber genutzt. Alle Anlagen befinden sich in Privateigentum beziehungsweise privater Gesellschaften.
Welche Kriterien müssen Flächen erfüllen, damit der Bau einer Anlage überhaupt möglich und ertragreich ist?
Müssig: Für die solare Energieproduktion sind Dachflächen besonders geeignet, die durchschnittlich mindestens 950 kWh je Quadratmeter pro Jahr bringen. Sie sollten außerdem nach Süden, Südosten oder Südwesten, gegebenenfalls auch Osten oder Westen ausgerichtet sein. Die Neigung der Gebäude sollte zwischen 30 und 45 Grad liegen und ihre Flächen sollten nicht durch benachbarte Gebäude oder Bäume verschattet werden.
Wie werden die Fotovoltaikanlagen finanziert? Gibt es Fördermittel?
Müssig: Als Einzelmaßnahme werden die Solaranlagen aktuell nicht gefördert. Weitere Fotovoltaikanlagen werden über Haushaltsmittel finanziert und über Stromeinsparung und Stromeinspeisung refinanziert.
Können sich auch interessierte Firmen der Solardachinitiative anschließen?
Müssig: Die Kreisverwaltung und die Energieagentur kooperieren mit der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und beraten deshalb strikt neutral. Interessierte Firmen und Unternehmer werden jedoch bei der Umsetzung eigener Projekte durch die Energieagentur und die Kooperationspartner – Kompetenzstelle Netzwerk Energieeffizienz und Solar-Cluster Heilbronn-Franken – beraten. Zudem können sich private Unternehmen bei Interesse in unserem Arbeitskreis „Klimaschutz Main-Tauber“ einbringen.
Interview: Louisa Holz