Weniger Fisch verschwenden

Frank Stegmüller (rechts) und sein Team freuen sich über die willkommene Abkühlung im tropisch-feuchten Indonesien: Der Solar Ice Maker, den Ziehl-Abegg mitentwickelt hat, soll die lückenlose Kühlkette für Fisch sicherstellen. Foto: Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

Indonesiens Kleinfischer können ihre Ware wegen fehlender Kühlmöglichkeiten oft nicht verkaufen. Fisch landet deshalb tonnenweise im Müll. Unter anderem dank Hightech aus dem Hohenlohekreis soll sich das bald ändern.

Frank Stegmüller kann es kaum erwarten. Noch in diesem Jahr soll die erste kommerzielle Anlage ihren Betrieb aufnehmen: eine Maschine, die mit Solarenergie Blockeis herstellt. Was zunächst einmal schräg klingen mag, soll die wirtschaftliche Situation indonesischer Kleinfischer, vor allem in abgelegenen und einkommensschwachen Gebieten, schon bald verbessern – und zudem helfen, die Verschwendung des Nahrungsmittels Fisch zu reduzieren.

Immerhin ist der südostasiatische Archipel mit seinen über 17.000 Inseln und mehr als 100.000 Kilometern Küstenlinie nach China zweitgrößter Fischproduzent weltweit und größter Lieferant von Thunfisch. Weil aber besonders die nachhaltigen Kleinfischer bislang nicht in der Lage seien, ihren Fang zu kühlen, und ihn somit auch nicht im Land verkaufen oder gar zu den Verbrauchern transportieren könnten, verderbe massenhaft Fisch, der schließlich zurück ins Meer geworfen oder im Sand verbuddelt werde. Mittels lückenloser Kühlketten solle sich dieser Umstand bald ändern, freut sich Frank Stegmüller.

Der Baden-Württemberger lebt seit fünf Jahren auf der Insel Java in der Hauptstadt Jakarta, wo er für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig ist, die wiederum im Auftrag verschiedener Ministerien der Bundesrepublik agiert. Das Projekt „Solar Ice Maker“ hat die GIZ angestoßen und begleitet. Stegmüller war von Anfang an dabei. „Wir haben den neuen Anlagentyp im Jahr 2016 als Konzeptidee in Auftrag gegeben. Dazu brauchten wir Unternehmen mit besonderen Technologien“, erzählt der Expatriat. Während Experten vom Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) in Dresden die technische Betreuung übernahmen, war der Künzelsauer Ventilatorenhersteller Ziehl-Abegg eines der drei deutschen Unternehmen, die Komponenten und Know-how in der Entwicklungsphase kostenfrei für das Projekt bereitstellten – der Prototyp wurde übrigens vor Ort gefertigt.

Die Aufgabe war knifflig

„Ich habe die Hilfsbedürftigkeit mancher Menschen in Indonesien selbst gesehen“, sagt Steffen Sinn, der bei Ziehl-Abegg verantwortlich für den Verkauf in Asien ist. „Daher freue ich mich, dass wir uns hier einsetzen können, etwas zu verbessern.“ Dabei sei die Aufgabenstellung gar nicht so einfach gewesen. „Es ging darum, den Sonnenverlauf dynamisch zu nutzen“, erklärt Sinn. „Die Solarmodule sind keine starke Stromquelle, daher mussten extrem energiesparende Ventilatoren eingebaut werden.“ Ziehl-Abegg setze schon seit längerem auf die Bionik, um den Wirkungsgrad der Ventilatoren zu verbessern. So habe man sich für den Solar Ice Maker die Eule genauer angeschaut. „Sie bekommt bei niedrigen Geschwindigkeiten viel Aufwind“, erklärt Sinn. Das mache sie besonders effizient. Zudem rausche sie besonders lautlos durch die Nacht – die richtigen Kriterien für die Neuentwicklung.

Inzwischen stelle diese eine automatisch an die zur Verfügung stehende Sonnenenergie angepasste Eisproduktion sicher – bis zu 1,2 Tonnen Blockeis könne sie täglich produzieren und fast doppelt so viel Fisch kühlen, freut sich Sinn. Weil dazu weder ein Stromanschluss noch ein teurer großer Batteriespeicher nötig sei, könne das Eis auch in Orten abseits von Stromnetzen hergestellt und für die Kühlung von lokal gefangenem Fisch genutzt werden. Damit könnten die Fischer auf den Einsatz von kraftstoffbetriebenen Dieselaggregaten verzichten, was ihnen zusätzlich Kosten erspare – zudem laufe die Solareismaschine völlig emissionsfrei. Dennoch sei der Solar Ice Maker kein reines Sozialprojekt. „Innovationen bieten uns als Unternehmen natürlich auch Zugang zu neuen Märkten“, stellt Sinn klar. Seit mehreren Jahren unterhält Ziehl-Abegg ein Vertriebsbüro in Jakarta.

Einsatz für neuen Markt

Als Wachstumsregion sei der weltgrößte Inselstaat mit seinen über 250 Millionen Einwohnern in diversen Geschäftsbereichen interessant; auch in weiteren Zukunftsmärkten sei diese Nische denkbar, meint Sinn. Doch nun stehe erst einmal das laufende Projekt im Fokus. „Seit 2018 betreiben wir eine Pilotanlage in einer Fischereikommune im Osten des Landes. Bald werden wir die erste kommerzielle Anlage in Betrieb nehmen“, sagt Frank Stegmüller. Wie den Kleinfischern das Blockeis künftig zugänglich gemacht werden soll, dafür gibt es unterschiedliche Modelle, etwa über die Kommunen, die Lieferkette oder Kooperativen. Aufgrund der Pandemie habe sich das Projekt zwar zeitlich verzögert, doch Stegmüller ist zuversichtlich, dass möglichst viele Fische aus den Fängen der Kleinfischer bald auf Eis gelegt werden können.

 

Melanie Boujenoui

 

Zur Info: Ein wichtiger Zukunftspartner 

Indonesien gilt laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als künftige „regionale Großmacht“. Aufgrund der fortschreitenden Zerstörung seiner Tropenwälder zählt das Land zudem zu den weltweit größten Emittenten von Treibhausgasen. Eine Verbesserung der Situation ist auch im deutschen Interesse – entsprechend zählen die Bereiche Umwelt und Energie zu den Schwerpunkten der Zusammenarbeit.