Die Corona-Krise beschleunigt den Transformationsprozess in der Metall- und Elektroindustrie und zwingt die Akteure zu schnellem Handeln. Ausgehend von dieser Situationsanalyse hat das Bündnis für Transformation in der Region Heilbronn-Franken über den aktuellen Stand der Entwicklungen berichtet.
Bei einem Pressetermin in der städtischen Volkshochschule Neckarsulm zogen der Koordinator des Bündnisses, Oberbürgermeister Steffen Hertwig, und der stellvertretende Koordinator, Dr. Rudolf Luz, eine erste Zwischenbilanz. „Corona wirkt wie ein Katalysator auf die Wirtschaftszweige, die besonders von der Transformation betroffen sind“, analysierte Steffen Hertwig. „Jetzt ist es wichtig, dass wir gemeinsam handeln.“
Wie Dr. Rudolf Luz, Funktionsbereichsleiter Betriebspolitik beim Vorstand der IG Metall, berichtete, leidet die gesamte regionale Wirtschaft infolge der Corona-Pandemie unter einem dramatischen Einbruch. Im Unterscheid zur Finanzkrise von 2008/2009 seien alle Branchen betroffen, darunter auch der Dienstleistungsbereich. „Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeit des Bündnisses“, betonte Rudolf Luz. „Mit der Krise ist die Aufgabenstellung des Bündnisses für Transformation nochmals dringlicher geworden.“ Mit einer schnellen wirtschaftlichen Erholung sei nicht zu rechnen. „Frühestens 2022 werden wir wieder das Niveau wie vor der Krise erreichen“, so Rudolf Luz.
Das Bündnis wurde Anfang des Jahres auf Initiative des Vereins Pro Region gegründet, um den Transformationsprozess in der Metall- und Elektroindustrie und in weiteren Branchen zu gestalten. Dabei will das Bündnis vor allem für kleine und mittlere Unternehmen Ansprechpartner sein. Ein ähnliches Ziel verfolgt das Wirtschaftsministerium mit der neu gegründeten Landeslotsenstelle Transformationswissen BW. „Das zeigt, wie tiefgreifend die Situation ist“, erklärte Steffen Hertwig. „Jetzt werden alle Kräfte zentral gebündelt.“
Schwierige Situation auf dem Ausbildungsmarkt
Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt beleuchtete der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn GmbH (WFG), Dr. Patrick Dufour. Die Kurzarbeit habe zwar Entlassungen verhindert, erschwere aber die Ausbildung von jungen Menschen. „Die Auszubildenden müssen entsprechend angeleitet werden. Das fällt schwer, wenn viele Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten.“ Zudem seien die Unternehmen derzeit stark verunsichert. Insofern zögerten die Arbeitgeber, jetzt Zukunftsentscheidungen zur Beschäftigung zu treffen. Vor diesem Hintergrund appellierte OB Hertwig an die Unternehmen, auch weiterhin Ausbildung zu ermöglichen. „Auch wir als Stadt sind aufgefordert, die Ausbildungsplätze im bisherigen Umfang zu sichern.“
Das Bündnis für Transformation will die Unternehmen in dieser Situation begleiten, die verschiedenen Akteure vernetzen und dazu beitragen, dass die Industriestandorte und damit die Arbeitsplätze in der Region erhalten bleiben. Zu diesem Zweck hat das Bündnis in Expertengesprächen den Kontakt mit Arbeitgeberverbänden, der IHK, den Handwerkskammern, der Agentur für Arbeit sowie mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunalpolitik aufgenommen. Dabei wurden zwei Themenbereiche herausgearbeitet. Die Kapitalbasis der Unternehmen sollte durch Unternehmensbeteiligungen gestärkt werden. „Ausgerechnet jetzt, da die Betriebe eigentlich in den Transformationsprozess investieren müssten, bricht ihnen unverschuldet die finanzielle Basis weg“, erläuterte Patrick Dufour. In der Beteiligung externer Investoren sieht das Bündnis eine Möglichkeit, die Eigenkapitalsituation der Unternehmen zu sichern, auch wenn dies einen gewissen Wandel in der Unternehmenskultur erfordert.
Unternehmen müssen flexibler werden
Beim Thema Unternehmenskultur sieht das Bündnis ebenfalls Handlungsbedarf. Die Führungskräfte in Unternehmen und Verwaltungen sollten geschult werden, damit sie bestimmte Herausforderungen besser bewältigen könnten. Als Beispiele nannte Steffen Hertwig sich schnell verändernde Märkte, hoher Innovationsdruck, unvorhersehbare Ereignisse, vielschichtige Einflussfaktoren und mehrdeutige Zusammenhänge, die die Orientierung erschwerten. „Man kann lernen, sich solchen Unwägbarkeiten zu stellen und sich entsprechend fortbilden“, versicherte Steffen Hertwig. „Die Unternehmen müssen flexibler werden.“ Auch hier will das Bündnis als Impulsgeber fungieren und entsprechende Anbieter vermitteln.
Fortschritte gibt es auch bei den einzelnen Arbeitspaketen. Im Bereich Qualifizierung hat sich das Bündnis mit den Sozialpartnern darauf verständigt, abgestimmte Qualifizierungsmaßnahmen in mittelständischen Unternehmen anzustoßen. Im Herbst sollen zunächst mit zehn Betrieben erste Gespräche geführt werden, um speziell zugeschnittene Qualifizierungskonzepte für zukunftsträchtige Berufsfelder festzulegen. Die ersten konkreten Maßnahmen sollen gegen Ende des Jahres umgesetzt werden.
Webinare dienen dem Wissenstransfer
Beim Arbeitspaket „Wissenstransfer“ geht es darum, einen Überblick über die Vielzahl der Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten zu bieten und diese den Unternehmen passgenau zur Verfügung zu stellen. So will das Bündnis Experten und Firmen in Webinaren zusammenbringen. Im Oktober findet ein erstes Webinar in der Bürgermeisterrunde des Landkreises Heilbronn statt. Die Ergebnisse sollen den Kreisverbänden des Gemeindetags anschließend als Infopaket zur Verfügung gestellt werden.
Das dritte Arbeitspaket „Berufliche Zukunft“ zielt auf die Arbeitnehmer ab. Eine virtuelle Bewerbermesse soll den Unternehmen helfen, neue Fachkräfte zu gewinnen. Erste Erfahrungen hat das Bündnis mit einem Livestream gesammelt. Dabei konnten Jugendliche gezielt Fragen zu ihrer beruflichen Zukunft stellen. Im Herbst ist eine Ausbildungsmesse in Tauberbischofsheim geplant.
„Wir gehen in die Offensive, um wichtige Impulse zu setzen und die Situation zu stabilisieren“, betonte Steffen Hertwig. „Es gibt genug Akteure auf dem Markt. Diese zu finden und den kleinen und mittleren Unternehmen zuzuordnen, ist die Aufgabe des Bündnisses für Transformation.“
Intensiver Austausch zwischen den Bündnispartnern
In den ersten sechs Monaten seit der Gründung habe das Bündnis für Transformation den Austausch mit den Bündnispartnern intensiviert, berichtete der stellvertretende Koordinator Dr. Rudolf Luz. Zu den Bündnispartnern gehören die IG Metall, die Agentur für Arbeit, der Arbeitgeberverband Südwestmetall, die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH (WHF), die Wirtschaftsförderung Raum Heilbronn GmbH (WFG), die IHK Heilbronn-Franken, die Handwerkskammer Heilbronn-Franken und der Verein Pro Region. Über den Kreis der direkt beteiligten Bündnispartner hinaus gibt es eine enge Kommunikation mit weiteren Akteuren. Dazu gehören der Oberbürgermeister der Stadt Heilbronn, Harry Mergel, die Landräte der Region, der Regionalverband Heilbronn-Franken sowie die Bundes- und Landtagsabgeordneten der Region.
Quelle: Pro Region Heilbronn-Franken e.V.