Bürokratie bremst das Handwerk aus

Main-Tauber-Kreis Bürokratie
Betriebsberater Andreas Kolban, Hauptgeschäftsführer Ralf Schnörr, CDU-Bundestagsabgeordnete Nina Warken, Schornsteinfeger-Obmann Lars Ederer, Schornsteinfegerin Corina Stegmüller, Robert Tippelt, Carolin Daxhammer, Präsident Ulrich Bopp (von links). Foto: Helmut Müller

Statt effektiv arbeiten zu können, werden viele Unternehmen von überbordender Bürokratie ausgebremst. Diese Rückmeldung hat auch die Spitze der Handwerkskammer Heilbronn-Franken bei einem kürzlichen Besuch dreier Handwerksbetriebe im Main-Tauber-Kreis erhalten.

Bei einem Betriebsbesuchstag im Main-Tauber-Kreis besuchten im März der Präsident der Handwerkskammer-Heilbronn Franken Ulrich Bopp und Hauptgeschäftsführer Ralf Schnörr gemeinsam mit Nina Warken, Bundestagsabgeordnete und Generalsekretärin der CDU Baden-Württemberg drei Handwerksbetriebe im Main-Tauber-Kreis: die Schornsteinfegerin Corina Stegmüller und den Maler- und Stuckateurbetrieb K. Wolfarth in Creglingen sowie die Kappes GmbH in Niederstetten, Spezialist für Landtechnik sowie Heizung und Sanitär. Dies teilt die Handwerkskammer Heilbronn-Franken in einer Pressemitteilung mit.

Der Beruf des Schornsteinfegers wird sich verändern

„Die Büroarbeit habe ich unterschätzt. Es nimmt echt viel Zeit in Anspruch“, gesteht  Schornsteinfegermeisterin Corina Stegmüller. Die gelernte Arzthelferin hat im Betrieb ihres Vaters, Bezirksschornsteinfeger Peter Gebauer, eine zweite Ausbildung absolviert und anschließend den Meister gemacht. 2020 übernahm sie nach erfolgreicher Bewerbung von ihm als erste Bezirksschornsteinfegerin im Main-Tauber-Kreis einen eigenen Kehrbezirk. Unterstützt wird sie von ihren Mitarbeitern Carolin Daxhammer und Robert Tippelt sowie der Auszubildenden Lina Zeuner. „Wir Schornsteinfeger haben ein gutes Image und schaffen es deshalb noch gut, Auszubildende zu finden“, ist Lars Ederer, Obmann der Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger im Main-Tauber-Kreis, überzeugt. Allerdings sei das Berufsbild derzeit im Umbruch, klärt er auf. „Klassisches Kaminfegen macht heute nur noch 60 Prozent unserer Arbeit aus, rund 40 Prozent besteht aus Gebäudeenergieberatung“, so Ederer. Mit Blick auf die Zukunft wird es ab 2045 keine Heizungen mit fossilen Brennstoffe mehr geben. Heizungsmessungen fallen dann laut Ederer weitestgehend weg. „Darauf müssen wir unsere Lehrlinge schon jetzt vorbereiten.“

Dokumentations- und Nachweispflicht

Corina Stegmüller schätzt in ihrem Beruf die Nähe zu den Kunden. „Man kennt sich persönlich, baut ein Vertrauensverhältnis auf und freut sich auf die nächste Begegnung“, sagt sie. Familie und Beruf lassen sich gut in Einklang bringen. Das bestätigt auch Carolin Daxhammer. Nach der Geburt ihrer Zwillinge hat sie drei Jahre ausgesetzt und ist jetzt wieder in den Beruf eingestiegen. „Meine Termine kann ich so legen, dass es mit der Familie passt. Das ist perfekt.“ Alles dokumentieren und nachweisen ist für Corina Stegmüller mit Abstand das größte Ärgernis in ihrem Beruf. Mit der Bundestagsabgeordneten Nina Warken ist sie sich einig: „Hier muss sich was ändern“.

Versinken in Papierkram

So sehen das auch Hans-Martin und sein Sohn Michael Kappes von Kappes Landtechnik, Sanitär und Heizung in Niederstetten. „Wir versinken in Papierkram“, sagt Michael Kappes. Hinzu komme derzeit die große Unsicherheit bei der Energiegesetzgebung. „Beim ersten Aufschlag des Gebäudeenergiegesetzes ist die Auftragslage bei Gaskesseln explodiert, für Wärmepumpen gab es kein Interesse“, erklärt der Gas- und Wasserinstallateurmeister. Trotz des Konjunktureinbruchs ist die Auftragslage des Unternehmens weiterhin gut, auch bei Sanitär und Heizung. „Wir sanieren und modernisieren überwiegend im Altbau und in der Industrie“, sagt Hans-Martin Kappes, der gemeinsam mit seiner Frau Ursula den väterlichen Betrieb weitergeführt und ausgebaut hat. Nach dem frühen Tod seines Vaters begann er im Alter von 17 Jahren seine Meisterausbildung und war 1975 der jüngste Meister im Kammerbezirk. „Die Handwerkskammer hat mich damals sehr unterstützt“, erinnert er sich.

Hohe Hürden für Fachkräfte aus dem Ausland

Heute beschäftigt Kappes 33 Mitarbeiter und drei Auszubildende. Das Unternehmen ist gut vernetzt und gesellschaftlich in Niederstetten engagiert, wie Bürgermeisterin Heike Naber bestätigt. Auszubildende sind deshalb über Mundpropaganda noch leicht zu finden. Bei Fachkräften ist es nicht ganz so einfach, weswegen sich der Betrieb auch im Ausland umsieht. „Bis es zu einer Anstellung kommt, dauert es ewig lang“, klagt Michael Kappes. So vergingen über zwei Jahre, bis der Betrieb einen Schweißer aus Serbien beschäftigen konnte. Bei einem Marokkaner mit guten Deutschkenntnissen, der sich über die sozialen Medien bei Kappes beworben hatte, dauerte es über 18 Monate, bis er seine Arbeitsstelle antreten konnte.

Von den bürokratischen Herausforderungen bei der Beschäftigung von ausländischen Auszubildenden kann auch Jannik Wolfahrt berichten. Sein Maler- und Stuckateurbetrieb in Creglingen beschäftigt einen Auszubildenden aus Kamerun. Die praktischen Prüfungen hat er alle mit Bravour bestanden. Bei den theoretischen Prüfungen durfte er keinen Duden benutzen und konnte deshalb wegen Verständnisproblemen einige Fragen nicht beantworten. „Mit dem Duden hätte er kein Problem gehabt“, sagt Jannik Wolfarth. Er leitet zusammen mit seinem Vater Klaus und seiner Mutter Gerlinde den Betrieb in fünfter Generation. In diesem Jahr feiert das Unternehmen sein 130-jähriges Jubiläum.

Die 13 Mitarbeiter und zwei Auszubildenden sind gut beschäftigt. „Wir führen konjunkturunabhängig hauptsächlich Instandhaltungen, Sanierungen und Modernisierungen durch und haben einen großen, treuen Kundenstamm“, sagt Seniorchef Klaus Wolfarth. 2016 hat das Unternehmen eine große Lagerhalle übernommen. „Das hat Anlieferungen sehr entspannt“, sagt Klaus Wolfarth. In die Halle konnte auch ein Großteil der rund 4000 Quadratmeter Gerüste verlagert werden. „Dadurch sind wir unabhängig von Gerüstbaufirmen und können einrüsten, wann es für uns zeitlich passt“, erklärt Jannik Wolfarth. Derzeit befasst sich die Familie mit der Betriebsübergabe an Sohn Jannik. Präsident Ulrich Bopp und Ralf Schnörr sagten ihnen die Unterstützung durch die Handwerkskammer zu.

Feine Antennen für das Mögliche und Sinnvolle

Am Rande der Gespräche mit den Handwerkerinnen und Handwerkern ging es auch um aktuelle Themen wie Elektromobilität, Ladeinfrastruktur, Investorenmodelle, kommunale Wärmeplanung und die politische Streitkultur im Land. „Das Handwerk hat hochfeine Antennen für das, was möglich ist und auch für das, was unsinnig ist und traut sich, sich zu Wort zu melden“, resümiert Ulrich Bopp den Austausch mit Vertretern der Zunft.

red