Corona-Virus drückt auf die Psyche

Die Corona-Pandemie hat Selbstständige besonders belastet. Foto: Adobe Stock/weyo

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen führt manche Menschen direkt in die Depression. Immer mehr Menschen leiden. Dadurch steigt die Arbeitsbelastung in den Psychiatrien.

Das neue Klinikgebäude der Psychiatrie des Krankenhauses Tauberbischofsheim (KHTBB) strahlt hell. Es kommt viel Sonnenlicht durch die runde Fensterfassade. Die Wände in den langen Gängen sind in freundlichen Farben gestrichen. Alle wirken zufrieden, das Klinikpersonal mit der Arbeit, die Patienten mit der Behandlung. Doch die Corona-Pandemie hat die Arbeit des Klinikpersonals erschwert.

Die psychiatrische Abteilung im KHTBB ist kein Einzelfall. „Die Arbeit aller im Pflegebereich hat sich verändert. Die Hygiene spielt eine deutlich größere Rolle“, schildert Prof. Dr. Gerhard Längle die Situation. Er ist Leiter des Zentralbereichs Pflege und Medizin des Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP). „Die Kliniken haben mittlerweile alle entsprechende Konzepte“, merkt Längle positiv an.

Auch in Tauberbischofsheim wird nun noch penibler desinfiziert, auf Abstände geachtet und alle tragen FFP2-Masken. „Die Regeln bei der Patientenbehandlung einzuhalten, ist bei akut psychisch kranken Menschen sehr schwierig. Man ist dabei mehr mit der Organisation befasst als mit der wirklichen Behandlung“, bedauert Längle.

Corona belastet alle

Dabei hätten die Beschäftigten in der Klinik auch so schon genug zu tun. Weltweit ist die Zahl depressiver Menschen seit Pandemiebeginn gestiegen. Einer im Oktober veröffentlichten Studie der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ zufolge sind im Jahr 2020, dem ersten Corona-Jahr, 52 Millionen Menschen mehr an einer schweren Depression erkrankt, als das ohne Pandemie der Fall gewesen wäre.

„Corona belastet alle Menschen“, erklärt Dr. Mathias Jähnel, Ärztlicher Direktor der psychiatrischen Klinik in Tauberbischofsheim. „Gerade bei Menschen, die an einer wiederkehrenden psychischen Erkrankung leiden, merkt man die Dauerbelastung“, sagt auch Längle. Als Regionaldirektor des ZfP hat er einen Überblick über die psychiatrische Arbeit in ganz Baden-Württemberg. Die Menschen, von denen er spricht, bräuchten intensivere Betreuung vor Ort.

Das Problem für die psychiatrischen Einrichtungen sind dabei die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Um eine Ansteckung möglichst zu vermeiden, mussten vielerorts die Kapazitäten der Betten verringert werden. „Es gab reihenweise Psychiatrien, die nur noch dringende Fälle aufnehmen konnten“, beschreibt Längle die Situation. In Tauberbischofsheim war die Situation vor der Pandemie folgende: Etwa ein Drittel der Patienten kam von außerhalb des Main-Tauber-Kreises. Seit Corona konnten diese Patienten nicht mehr alle aufgenommen werden.

Größe der Therapiegruppen reduziert

Die pandemiebedingten Depressionen haben vor allem Menschen mit Existenzängsten oder Selbstständige, die unter den Corona-Einschränkungen leiden. Diese sind häufig aus Bereichen, die in den Lockdowns als nicht systemrelevant eingestuft wurden – eine für viele bedrückende Bewertung der eigenen Person.

Im KHTBB befindet sich auch eine Tagesklinik. Dort bietet die Psychiatrie für Menschen aus diesen Bereichen Gesprächstherapien in Gruppen an. Die Gruppengröße musste während Corona allerdings aus Sicherheitsgründen drastisch reduziert werden. Die Nachfrage auf diese Plätze ist hingegen gestiegen.

Längle berichtet von kurzfristigen Schließungen einzelner Stationen in Baden-Württemberg, weil Infektionen aufgetreten waren. „Wenn drei bis vier Personen auf einer Station infiziert sind, kam es zu einem zweiwöchigen Aufnahmestopp neuer Patienten“, erklärt er. Laut seinen Kenntnissen belief sich der Rückgang auf etwa fünf bis zehn Prozent.

Langfristige Patienten priorisieren

Auch im KHTBB konnten nicht alle Therapien wie geplant stattfinden. Gerade bei den Gruppentherapien mussten aufgrund von Infektionen auch mal Termine ganz ausfallen. Die Einzeltherapien dagegen wurden intensiviert. Oft reiche schon das therapeutische Gespräch. Danach gehe es den Menschen meist besser.

Schwieriger sei es bei Patienten mit langwierigen Folgen einer Corona-Erkrankung. Der Ärztliche Direktor der Psychiatrie des KHTBB vergleicht dies mit einem schweren Autounfall, wonach Betroffene eine Reha benötigen. „Diese Patienten werden uns noch lange begleiten“, sagt Jähnel.

Noch ist die Lage nicht befriedigend. Bis auf weiteres können die Psychiatrien nicht alle Patienten aufnehmen. Deshalb müssen die langfristigen Patienten priorisiert werden – so auch im KHTBB. Erst bei rückläufigen Inzidenzen können wieder mehr Patienten aufgenommen werden. Dann können mit den neuen Lockerungen der Bundesregierung auch die Therapiegruppen wieder größer werden.

Yannis Gaukel