Der erste Jahrgang an der Programmierschule 42 lernt Coding – ohne auf einen offiziellen Abschluss hinzuarbeiten. Es geht nur um die Skills. Wie das unter Corona-Bedingungen funktioniert und wieso neue Impulse in Sachen Künstlicher Intelligenz (KI) die Region voranbringen, erläutert Geschäftsführer Thomas Bornheim.
Wie läuft das gerade in der 42 ab? Ich stelle mir da Gruppen vor, die zusammen programmieren, essen, kickern – geht das denn überhaupt im Moment?
Thomas Bornheim: Wir haben ein Riesenglück gehabt, als wir Mitte Juni 2021 eröffnet haben. Kurz vorher wurden die Coronamaßnahmen gelockert, das heißt, wir mussten nur Hygiene- und Abstandsregeln berücksichtigen. Da konnten unsere Studierenden sich zusammenfinden und genau das tun: gemeinsam programmieren, kochen, essen und vieles mehr – natürlich unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßnahmen. Aktuell ist das wieder deutlich schwieriger. Derzeit gilt bei uns 2G plus, sprich es gibt nach wie vor die Möglichkeit, vor Ort zu arbeiten. Wir haben aber auch ein hybrides Lernmodell an den Start gebracht, obwohl das der Natur der 42 eigentlich nicht entspricht. Unser Modell des Peer-Learning durch den Austausch in einer Community funktioniert besser in Präsenz, die Leute bleiben eher am Ball, kommen schneller voran.
Was für Leute haben es denn durch das Auswahlverfahren geschafft?
Bornheim: Wir haben eine echt gute Mischung. Das Durchschnittsalter ist so bei Mitte, Ende 20. Das geht bei 18 los, unser ältester Studierender ist 57. Unsere Idee ist, dass Alter, Geschlecht und Herkunft vollkommen egal sein sollten. Alle mit dem entsprechenden Talent sollen Coden lernen können. Wir wollen keine – wie in der Tech-Welt häufige – „Bro-Culture“, wo nur Typen mit ihren Kumpels Startups hochziehen, sondern eine offene Community aufbauen, die alle Menschen anspricht.
Als wir uns vor dem Start unterhalten hatten, wollten Sie mit dem Konzept der 42 mehr Frauen für die IT-Welt begeistern wollen. Hat das geklappt?
Bornheim: Erreicht haben wir dieses Ziel noch nicht, aber immerhin liegt der Frauenanteil schon bei 25 Prozent, zumindest etwas mehr als üblicherweise im Informatikstudium.
Und woher kommen die Studierenden?
Bornheim: Ein Teil aus der Region Heilbronn, ein Teil aus ganz Deutschland, ein paar aus Europa und sogar aus Sri Lanka und Nigeria. Wir haben aktuell 20 verschiedene Nationen hier. Daraus ergeben sich tolle Impulse und spannende Synergien.
Wie läuft denn das Studium ab?
Bornheim: Wir haben ja bekanntlich keine Dozenten und Lehrkräfte, sondern setzen auf das Konzept des Peer-Learning. Das heißt, die Studierenden lernen von- und miteinander. Dennoch gibt es ein Curriculum aus Aufgaben, die es zu lösen gilt. Wie in einem Game steigt man dann in höhere Level auf. Diese Aufgaben überprüfen und aktualisieren wir jedes Jahr auf Basis der Daten, die wir kontinuierlich erheben. Verbesserungen führen wir quasi am lebenden Objekt durch und können so auch schnell auf neue Entwicklungen, Systeme und Techniken reagieren. Ziel ist, dass wir künftig von hier aus insbesondere KI-Inhalte dem gesamten globalen 42-Netzwerk zur Verfügung stellen.
Apropos, in Heilbronn soll ja ein KI-Innovationspark entstehen. Welche Erwartungen verbinden Sie damit?
Bornheim: Das freut mich mega. Ich durfte bei der Antragstellung unterstützen. Das Projekt ist für das gesamte Ökosystem auf dem Bildungscampus eine wichtige Validierung. Es gibt hier tolle wissenschaftliche Leuchttürme in Sachen KI. Der Innovationspark wird die Möglichkeit bieten, dass sich spannende KI-Unternehmen hier ansiedeln oder neu entstehen. Das ist eine enorme Chance für Heilbronn und die gesamte Region. Hier kann künftig eine der zukunftsträchtigsten Branchen wachsen. Seitens der 42 wollen wir dort auch einen KI-Salon als Begegnungsraum etablieren, um den Menschen KI erlebbar zu machen. Auch Kreativität und künstlerische Aspekte des Programmierens sollen im KI-Salon zum Ausdruck kommen. Ich freue mich riesig auf die neuen Möglichkeiten. Das wird saucool.
Gemeinsam mit der Hochschule haben Sie eine Studie zur Attraktivität von Heilbronn für Studierende durchgeführt. Womit kann die Stadt punkten?
Bornheim: Heilbronn wird ganz klar als Wissensstadt wahrgenommen. Bildung spielt hier eine große Rolle. Aber die Stadt hat noch viel mehr zu bieten, vor allem in Sachen Kunst und Kultur. Hier gibt es tolle Theater, tolle Veranstaltungen, auch tolle Kneipen – auch das ist wichtig für Studierende. Aber ich habe den Eindruck, es gibt noch keine so richtige Szene, vieles ist nicht so sichtbar, wie es sein könnte. Darüber habe ich mich auch mit Oliver Lenzen, dem Rektor der HHN ausgetauscht, denn wir sind beide überzeugt, dass Bildung mehr ist als nur Wissen. Kunst und Kultur sind ebenfalls wichtig. Wir müssen die Studierenden mitnehmen und auf die vorhandenen Angebote aufmerksam machen, die Menschen zusammenbringen, dann geht da auch noch mehr.
Interview: Dirk Täuber