„Der Staat ist nicht der bessere Häuslebauer“

Beispiel für ein modernes Stadtquartier: der Heilbronner Neckarbogen. Foto: Adobe Stock/Regine Ruedinger

Bauministerin Nicole Razavi will Wohnraum bezahlbarer machen. Anforderungen an Klimaschutz und Energieeffizienz treiben aber die Baukosten nach oben. Sie schildert, wie der Spagat gelingen soll und wie sie sich eine nachhaltige Zukunft des Wohnens vorstellt.

Sie stehen an der Spitze des neuen Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen in Baden-­Württemberg. Wie groß ist die Baustelle, die Sie damit übernommen haben?

Nicole Razavi: Es gibt viel zu tun, da haben Sie Recht. Aber es ist eine sehr reizvolle Aufgabe – und auch eine sehr wichtige. Laut Umfragen hat das Thema Bauen und Wohnen für die Bürger in Baden-Württemberg eine sehr hohe Bedeutung. Auch deshalb hat die Landesregierung eigens ein Ministerium dafür geschaffen, das sich gezielt den Herausforderungen widmen kann.

Bauen und Wohnen wird immer teurer. Sie wollen für bezahlbaren Wohnraum sorgen. Wie genau soll das gelingen?

Razavi: Nur wenn insgesamt mehr Wohnraum entsteht, werden wir in der Breite bei den Mietpreisen eine Entlastung erreichen können. Dabei ist klar: Der Staat ist nicht der bessere Häuslebauer. Wir müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass private Bauherren in bezahlbaren Wohnraum investieren. Ich bin überzeugt, da gibt es noch viel Potenzial – auch beim Sanieren im Bestand. Besonders stark engagieren wir uns im staatlich geförderten sozialen Wohnungsbau. Dafür nehmen wir viel Geld in die Hand und haben die begründete Hoffnung, dass bald wieder mehr neue Sozialwohnungen entstehen als alte aus der Bindung fallen.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind Herausforderungen, die ebenfalls die Kosten nach oben treiben. Was können Sie als Ministerin tun, um klimafreundliches Bauen sozialverträglich und bezahlbar zu gestalten?

Razavi: Sie haben die wichtigsten Punkte genannt: klimafreundlich, sozialverträglich, bezahlbar. Wir müssen diese Punkte zusammendenken. Klimafreundliches Bauen kann und sollte sich lohnen, etwa durch niedrigere Heizkosten. Das ist angesichts steigender Energiepreise besonders wichtig.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang den Stopp der KfW-Förderung für energieeffiziente Gebäude?

Razavi: Die Entscheidung des Bundes war ein schwerer Rückschlag und hat für viel Verunsicherung gesorgt. Wohnungsbau braucht Planungssicherheit. Wir Länder wollen nun gemeinsam mit dem Bund für die Jahre 2023 und folgende ein Förderkonzept entwickeln, das langfristig tragfähig ist und noch gezielter dem Klimaschutz dient.

Was gedenken Sie für Bauherren zu tun, bei denen durch den Wegfall der Förderung massive Finanzierungs­lücken entstanden sind?

Razavi: Das Land Baden-Württemberg hat schnell gehandelt. Wir kompensieren in unseren Programmen zur Förderung von sozialem Wohnraum und von selbstgenutztem Wohneigentum für junge, einkommensschwächere Familien seit Februar den Wegfall der KfW-55-Förderung. Aber wir können nicht alles auffangen, was in diesem Jahr an Bundesförderung wegbricht. Die Bauministerkonferenz, also die Bauminister der Länder, hat daher auf ihrer jüngsten Sitzung den Bund aufgefordert, großzügige Übergangsregelungen für die Betroffenen zu schaffen, um den Schaden für den Wohnungsbau in Grenzen zu halten.

Einfamilienhaus oder Wohnblock? Wie sieht für Sie eine nachhaltige Zukunft des Wohnens mit Blick auf die endlichen Ressourcen an Flächen aus?

Razavi: Ich will den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu wohnen haben. Aber wir wollen den Flächenverbrauch reduzieren, und dafür setzen wir Anreize. Wir wollen gemeinsam mit den Kommunen den Weg gehen, bei der Schaffung von neuem Wohnraum sich zunächst einmal die noch ungenutzten Potenziale im Innenbereich anzuschauen: Wo sind zum Beispiel Aufstockungen möglich, wo kann man Baulücken nutzen? Das Heben solcher Potenziale ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern bedeutet auch Lebensqualität: Quartiere, in denen die wichtigsten Geschäfte und Dienstleistungen nah beieinander sind, lebendige Ortskerne und eine Stadt der kurzen Wege – so stelle ich mir eine nachhaltige Zukunft des Wohnens vor.

Der Bedarf an Wohnraum ist in Ballungszentren besonders hoch. Gehört das Leben der Zukunft den Städten?

Razavi: Die Digitalisierung und die Mobilität der Zukunft müssen wir als Chance begreifen, überall im Land attraktive Wohnangebote in kompakten, lebenswerten Siedlungsstrukturen bereitzustellen. Der Siedlungsdruck auf die Städte kann so ein Stück weit gemindert und der ländliche Raum zurück ins Spiel als attraktiver Wohn- und Arbeitsstandort gebracht werden.

Interview: Dirk Täuber