„Deutschland hat eine sehr starke Substanz“

Gipfeltreffen der Weltmarktführer
Live zugeschaltet beim GIpfeltreffen der Weltmarktführer: Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP. Foto: Dirk Täuber

Weltmarktführer, starker Mittelstand, Beschäftigungszahlen auf einem Höhepunkt – und dennoch kaum Wachstum. Beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner seine Ideen für einen wirtschaftlichen Aufschwung vor.

Ist Deutschland wieder der „kranke Mann“ Europas? Bundesfinanzminister Christian Lindner, der beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall live zugeschaltet war, ist anderer Ansicht. „Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland eine sehr starke Substanz hat“, sagte er dem Publikum. Angesichts bescheidener Wachstumsprognosen und multipler Herausforderungen sei allerdings eine Ermüdung festzustellen. Deutschland brauche daher einen Muntermacher in Form von strukturellen Reformen.

Fünf Punkte einer Wachstums-Agenda

Wie Lindner beim Gipfeltreffen mitteilte, wolle er erstens steuerliche Anreize für private Institutionen und Forschungsvorhaben setzen. Forschungsförderung im Steuerrecht werde ausgedehnt, etwa durch großzügigere Abschreibungsmöglichkeiten. Zudem sei mit dem Wachstumschancengesetz geringerer bürokratischer Erfüllungsaufwand verbunden. Mit Blick auf dessen Kürzung von sieben auf drei Milliarden Euro sagte Lindner: „Ich bin offen, über größere Summen zu sprechen, aber das habe ich nicht allein in der Hand.“

Zweitens soll laut Lindner durch Bürokratieabbau mehr unternehmerische Initiative und Kreativität entfesselt werden. Neuen bürokratischen Belastungen, etwa dem EU-Lieferkettengesetz, werde Deutschland auf Betreiben der FDP nicht zustimmen. „Wir haben bereits genug Bürokratie“, bekräftigte er. Viele Regulierungen, darunter auch das geplante Aus für den Verbrennungsmotor, schaden aus seiner Sicht der Wirtschaft. „Produktivität und Profitabilität müssen wieder eine Priorität werden“, sagte Lindner.

Drittens plädierte Lindner für eine Flexibilisierung und Mobilisierung am Arbeitsmarkt. „Ich kann nicht verstehen, dass so viele Menschen, die arbeiten könnten, gegenwärtig nicht arbeiten, während wir auf der anderen Seite Vakanzen in den Betrieben haben“, sagte er. Das sei ein zusätzliches Wachstumshemmnis. Mehr Menschen am Arbeitsmarkt zu beteiligen habe einen doppelten Effekt: Der Steuerzahler spare Geld und andererseits würden die Lebenschancen von Menschen verbessert.

Viertens seien „Rekordinvestitionen“ in Schiene, Straße und digitale Netze erforderlich. Und fünftens wolle er einen marktwirtschaftlichen Klimaschutz. „Weg mit den planwirtschaftlichen Vorgaben, die vieles nur teuer machen“, forderte Lindner.

Mit Blick auf die Stimmungslage im Land mahnte Lindner, sich sowohl vor Gesundbeterei als auch Schwarzseherei zu hüten. Man sollte weder die strukturellen Probleme „weglächeln“, noch die vielen Stärken Deutschlands ignorieren. Ein „nüchterner Realismus“ im Blick auf die Lage sei jetzt notwendig. Man habe sich in Deutschland gewöhnt an „spitzenmäßigen Wohlstand, spitzenmäßige soziale Absicherung und spitzenmäßige moralische Ansprüche“ – jetzt müsse man wieder lernen, auch „spitzenmäßige Leistungsbereitschaft“ zu haben. „Wenn uns das gelingt, dann gehört uns die Zukunft“, so Lindner.  

Dirk Täuber