Im Lebenshaus in Weinsberg finden Menschen mit langjährigen chronischen Suchtproblemen und seelischen Beeinträchtigungen ein Zuhause. Dort werden sie wieder fit fürs Leben gemacht.
Xander Klaus überlegt. „Ich war sicher dreißig Jahre lang nass“, schätzt er. Lange war er funktionierender Alkoholiker, doch der Konsum nahm immer mehr zu – bis ihm sein damaliger Chef und heute bester Freund den nötigen Schubs gab. „Er sagte, du musst was tun für deine Gesundheit und er hatte recht“, sagt Klaus. Nach 24 Wochen Therapie bekam er einen Platz im Lebenshaus Weinsberg. Klaus ist froh, nicht mehr im alten Umfeld zu sein. „Das Personal hier ist wunderbar und vor allem die Alkoholkontrolle zwei Mal am Tag, die ist bei mir ganz wichtig“, gibt der Sechzigjährige zu. Ob er sich selbst nicht traue? „Es sind doch erst zweieinhalb Jahre“, meint er kopfschüttelnd. Trotzdem hat Xander Klaus das Ziel, wieder allein zu wohnen, nur wann das klappt, das kann er heute noch nicht sagen.
Die klassische Suchtkrankenhilfe führt von der Erkenntnis zur Suchtberatung, dann eventuell zur Entgiftung mit anschließender Reha und Selbsthilfegruppe zurück ins normale Leben. Im Lebenshaus Weinsberg hingegen finden Menschen mit langjähriger chronischer Suchtproblematik und seelischen Beeinträchtigungen ein Zuhause für längere Zeit. Bärbel Schulze, die Leiterin der Wohnungslosen- und Suchtkrankenhilfe der Aufbaugilde Heilbronn, hat die Einrichtung seit 2005 aufgebaut. „Es muss passen“, fasst Bärbel Schulze die unterschiedlichen Ziele der Bewohner zusammen.
Dreißig von ihnen leben in Ein-Zimmer-Appartements mit eigenem Bad, zusammengefasst in fünf Wohngruppen. Der überwiegende Teil sind Männer, die meisten zwischen Mitte vierzig und Mitte fünfzig, wobei es Ausreißer in alle Richtungen gibt. Im angegliederten ambulanten Wohnen sind auch Jüngere. Gemeinsam haben sie ihre Suchtkarriere: Alkohol, Drogen, aber auch substanzlose Süchte, gerne auch kombiniert. Damit einher gehen psychische Probleme oder Persönlichkeitsveränderungen. Viele kommen mit einer Doppeldiagnose wie Schizophrenie und Sucht. „Was da von was kommt, kann man oft nicht sagen“, stellt Schulze fest.
Das Wichtigste für alle ist eine feste Tagesstruktur. Der Rahmen gibt Sicherheit. „Der Alltag war vorher ausgefüllt durch das Suchtmittel und jetzt ist alles neu, das heißt, die Leute müssen sich neu kennenlernen und lernen, mit ihren suchtbedingten Einschränkungen zu leben“, erläutert Schulze. Die Bewohner müssen sich zu einer bestimmten Zeit beim Personal melden, bekommen, bei Bedarf, unter Aufsicht Medikamente und müssen pusten. Dann folgen Frühstück, Arbeit, Mittag, Arbeit, Freizeit, Abendessen. Alkohol- und Drogentests gibt es auch mal zwischendurch, letztere aber nur auf Verdacht. „Wir haben erstaunlicherweise sehr wenige Rückfälle, da sind wir ganz glücklich.“ Schulze betont, dass alle Bewohner einen Schlüssel haben, also freie Bürger sind.
Theoretisch können die Bewohner überall arbeiten, praktisch bedeutet das meist Werkstatt oder die Tagesförderstätte des Lebenshauses, die verpflichtend ist, wenn man nichts anderes hat. Dort entstehen viele schöne Dinge, die dann zum Beispiel beim Weihnachtsmarkt am Breitenauer See verkauft werden. Vereinzelt gibt es auch Aufträge von extern. Zusätzlich gibt es suchtspezifische Gruppen-, aber auch Freizeitangebote und Ausflüge. „Wir sind hier schon ein bisschen wie eine Familie“, beschreibt es Bärbel Schulze. Jeder soll möglichst normal leben, das heißt, wer kann, darf sich selbst versorgen. Das wird vorher im Hauswirtschaftstraining geübt. Fit fürs Leben machen quasi, auch wenn nicht jeder das Ziel hat, das Lebenshaus wieder zu verlassen. „Es gibt Menschen, die seit der Eröffnung hier sind, andere verlassen uns schnell wieder.“ Manche bauen sich später ein ganz normales stabiles Leben auf, von anderen hört man, dass sie gestorben sind. Xander Klaus will zur ersten Gruppe gehören: „Es ist gut, dass es eine solche Einrichtung gibt.“
Stefanie Pfäffle