Digitale Tools gegen den Krebs

Computertomographie (Symbolbild): Am Heilbronner Molit Institut wird daran geforscht, sowohl die Diagnostik von Krebs zu verbessern, als auch die onkologische Therapie für Betroffene maßzuschneidern. Foto: Adobe Stock/romaset

Mithilfe von Algorithmen versuchen Mediziner, dem immer größer werdenden Berg an Gesundheitsdaten Herr zu werden und gleichzeitig die Versorgung zu verbessern – so wie das Heilbronner Forschungsinstitut Molit, das die Krebstherapie mit Hilfe digitaler Methoden personalisieren will.

Trotz immer besserer Therapiemethoden steigt die Zahl an Krebserkrankungen in Deutschland: Das Deutsche Krebsforschungszentrum prognostiziert, dass 2022 etwa 510.000 Menschen an Krebs erkranken werden. Etwa 1,6 Millionen Menschen (Stand 2018) leben in Deutschland mit Krebs und seiner Behandlung.

Damit diesen Menschen die bestmögliche Versorgung zugute kommt, arbeiten in der Region Heilbronn-Franken Wissenschaftler wie Prof. Christian Fegeler daran, die Diagnostik effizienter zu gestalten und die Behandlung auf den jeweiligen Einzelfall perfekt zuzuschneiden.

Personalisierte Medizin zielt darauf ab, die individuellen Lebensumstände und die biologische Krankheitskonstellation des Patienten genau zu erfassen, um ihm eine maßgeschneiderte Therapie gegen Krebs bieten zu können.

Infos für den Einzelfall

Fegeler ist Professor für Medizinische Informatik an der Hochschule Heilbronn und leitet zusammen mit Prof. Uwe Martens die Molit Institut gGmbh. Dort entwickeln Mediziner und Informatiker Algorithmen, um eine Vielzahl unterschiedlicher medizinischer Datenbanken effizient nach den richtigen Informationen für einen Einzelfall zu durchforsten und diese dann für Behandler aufzubereiten.

„Am Anfang steht der Variantenbrowser“, erklärt Fegeler das Konzept einer Art Metasuchmaschine, die ein gutes Dutzend internationale Diagnostik-Datenbanken nach Informationen über ähnliche Fälle automatisiert durchsucht. Diesen Vorgang mussten Ärzte bislang selbst und in jeder einzelnen Datenbank von Hand vornehmen.

Durch Maschinelles Lernen per Künstlicher Intelligenz, welche das Interpretieren von Röntgenbildern erleichtert, werden den Medizinern zusätzliche adäquate Informationen zu Krebserkrankungen bereitgestellt.

Austausch von Wissen

Was die Suchmaschine findet, stellt sie für den Arzt zusammen. „Damit sparen wir Zeit im sehr eng getakteten Klinikalltag. Mit diesen Informationen kommen wir dann im virtuellen Tumorboard zusammen“, erläutert Fegeler. Diese virtuelle Konferenz von Ärzten dient dem Austausch von Informationen und der gemeinsamen Entscheidungsfindung, „worüber viele Kollegen sehr dankbar sind“, merkt Fegeler an.

Das Tumorboard bespricht Einzelfälle mit Experten, aus Baden-Württemberg schalten sich bislang zehn Kliniken regelmäßig dazu. Auf diese Weise brachten die Spezialisten im vergangenen Jahr 500 Fälle auf den Tisch, um diese möglichst individuell und abgestimmt auf die jeweiligen Umstände zu behandeln.

App als digitales Tagebuch

Damit die behandelnden Ärzte über das Leben der Patienten informiert bleiben, können sich diese an einem digitalen Tagebuch beteiligen. Per App tragen sie dort ihre Befindlichkeiten ein. Sie füllen beispielsweise Fragebögen aus, um zu erörtern, warum es den Patienten nach der Chemotherapie gerade gut oder schlecht geht, wie sie sich ernähren, ob sie mehr oder weniger Sport treiben und vieles mehr.

„Diese Befragungen haben wir mit Unterstützung von Krebs-Selbsthilfegruppen entwickelt. Auf diese Weise können sich Patienten direkt einbringen“, erläutert Fegeler. Auch diese Daten der Patienten fließen in die onkologische Therapie letztlich mit ein.

Mit dem Krebs leben

Trotz gewisser zu erwartender Vorteile stellt Fegeler klar, dass eine personalisierte Therapie nicht besser ist als eine herkömmliche: „Wir müssen uns heute bei der Diagnose nicht mehr notwendigerweise die Frage nach Leben oder Tod stellen“, jedenfalls gelte dies nicht bei allen Krebsformen.

In der personalisierten Therapieform gehe es auch darum, sogenannte Residuen zu erkennen, Krebsanteile, die nicht entfernt werden können. Und um eine erfolgreiche Reintegration des Patienten in den Alltag, sprich, darum, besser mit Krebs leben zu können.

Eine Regelleistung der Krankenkassen ist diese Therapieform allerdings nicht, die Kosten werden derzeit von Spendern übernommen, die die Forschungen finanzieren. Das Institut erforscht diese Methode weiter, mit dem Ziel, sie schließlich flächendeckend am Krankenbett anwenden zu können.

Falk Enderle