Entlastungen für den Bau

Um den Bau wieder anzukurbeln, braucht es eine Entlastung bei den Baukosten – beispielsweise durch Senkung der Grunderwerbssteuer. Fotos: Bauwirtschaft Baden-Württemberg

Die Baubranche durchlebt turbulente Zeiten. Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, zeigt auf, welche konkreten Maßnahmen seitens der Politik erforderlich sind und welche Chancen die Digitalisierung und Nachhaltigkeit für die Zukunft bieten.

Die Baubranche steckt in der Krise. Wie ist die aktuelle Stimmung in der Branche?

Thomas Möller: Die Branche befindet sich in einer äußerst nervösen Stimmungslage. Einerseits herrscht Zuversicht, dass Lösungen für die aktuellen Herausforderungen gefunden werden können, andererseits schwindet das Vertrauen von Tag zu Tag. Dies liegt insbesondere daran, dass die bereits laufenden Aufträge aufgrund gestiegener Preise, der Entwicklung der Zinsen und gekürzter Fördergelder bald abgeschlossen sein werden, während gleichzeitig nur unzureichend neue Aufträge eingehen.

Welche Bereiche sind besonders betroffen?

Möller: Die Auswirkungen sind besonders spürbar im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, wo der Anspruch besteht, kostengünstigen Wohnraum zu schaffen. Auch der Bau von Eigenheimen ist stark betroffen, bedingt durch gestiegene Zinsen, erhöhte Bauanforderungen, reduzierte Förderungen und erschwerte Finanzierungsmöglichkeiten. Im Straßen- und Tiefbau herrscht zwar keine akute finanzielle Knappheit, jedoch sind Themen wie Beschleunigung und Fachkräftemangel in den Behörden hinderlich für Projekte wie die Sanierung von Brücken.

Und beim gewerblichen Bau?

Möller: Die Situation im Wirtschaftsbau zeigt sich etwas positiver. Hier spielt auch die jeweilige Konjunktur eine entscheidende Rolle. Insbesondere im Raum Heilbronn ist die Stimmung im Bauwesen sehr gut, nicht zuletzt aufgrund der Präsenz großer Unternehmen wie der Schwarz Gruppe und anderer bedeutender Akteure.

Welche konkreten Maßnahmen seitens der Politik sind erforderlich, um die Belastungen in der Baubranche zu reduzieren?

Möller: Um aktiv zu werden, ist derzeit eine Anschubfinanzierung vonnöten. Obwohl wir normalerweise nicht darauf angewiesen sind, von Subventionen zu leben, sind jetzt Maßnahmen erforderlich. Der private Häuslebauer benötigt eine Entlastung der Baukosten, beispielsweise durch eine Senkung der Grunderwerbsteuer. Aktuell liegt die Grunderwerbssteuer in Baden-Württemberg bei fünf Prozent, während sie in Bayern bei dreieinhalb Prozent liegt, und dieser Unterschied macht bereits einen spürbaren Unterschied aus. Das Argument des Finanzministers, dass eine Senkung zu geringeren Einnahmen führen würde, greift nicht. Denn wenn das Bauen dadurch wieder angekurbelt wird, führen dreieinhalb Prozent von beispielsweise 100 Eigentumshäusern zu deutlich höheren Einnahmen als fünf Prozent von nur zehn Häusern. Es ist auch wichtig, mit Blick auf die genannten Sozialwohnungen seitens der Politik zu handeln.

Wie könnte hier konkret gehandelt werden?

Möller: Hier wäre es wichtig, dass das Land die Grundförderung des Bundes angemessen ergänzt. Ein Vergleich mit Bayern verdeutlicht die Diskrepanz: Während der Bund den Sozialwohnungsbau 2023 in Bayern mit 389 Millionen Euro unterstützte, betrug die Förderung in Baden-Württemberg ebenfalls 391 Millionen Euro – nahezu identisch. Allerdings stockte Bayern diesen Betrag um weitere 700 Millionen Euro auf, während Baden-Württemberg lediglich 160 Millionen Euro zusätzlich bereitstellte.

Welche Maßnahmen könnten Bauunternehmen selbst helfen?

Möller: Eine degressive Abschreibung könnte eine Lösung bieten. Das Konzept sieht vor, dass Bauunternehmen jedes Jahr einen festgelegten Betrag absetzen können, was zu einer Steuerersparnis führt, da dieser Betrag vom zu versteuernden Einkommen abgezogen wird. Aktuell wird über eine Abschreibung von sechs Prozent diskutiert, jedoch wird voraussichtlich eine Einigung auf fünf Prozent erzielt. Die Entscheidung darüber soll bis Ende März getroffen werden.

Ein Mammutprojekt ist auch das Thema Nachhaltigkeit. Welche Chancen sehen Sie hier für die Baubranche?

Möller: Hier bieten sich enorme Chancen. Wir sind überzeugt davon, dass wir maßgeblich zur Bewältigung der Klimakrise beitragen können. Allerdings müssen die Baukosten wieder erschwinglich sein, um diesen Fortschritt zu ermöglichen. Die Option, alte Gebäude zu renovieren oder abzureißen und durch nachhaltigere Strukturen zu ersetzen, besteht. Wenn jedoch die Preise die Umsetzung behindern, besteht die Gefahr, dass wir statt energieeffizienter Gebäude weiterhin auf Energiefresser setzen.

Inwiefern können digitale Innovationen Chancen für die Baubranche eröffnen?

Möller: Die Digitalisierung birgt immense Chancen, insbesondere in Bezug auf Zeit- und Kosteneinsparungen sowie die Bewältigung des Fachkräftemangels. Automatisierung spielt hier eine entscheidende Rolle, da sie es ermöglicht, Routinevorgänge zu vereinfachen und Mitarbeiter in Behörden oder Bauverwaltungen auf komplexe Fälle zu fokussieren.

Die Bauteile selbst werden auch zunehmend automatisiert gefertigt. Bemerken Sie eine verstärkte Anwendung des modularen Bauens?

Möller: Beim Bau von Einfamilienhäusern besteht bereits seit einigen Jahren ein Trend hin zum Fertigteilbau, insbesondere im Bereich des Holzbaus. Auch im Massivbau gibt es langsam Bewegung in diese Richtung. Diese Entwicklung wird voraussichtlich weiter zunehmen, insbesondere in Bereichen, in denen standardisierte Bauverfahren möglich sind, wie bei mehrgeschossigen Gebäuden. Modulares Bauen bietet die Möglichkeit, sowohl Kosten als auch Material zu sparen, und wird von der Baugenossenschaft als weniger unfallträchtig angesehen. Allerdings setzt dies voraus, dass der Standardbau eingehalten wird und keine Abweichungen erfolgen.

Angesichts all dieser Aspekte: Welche zukünftigen Entwicklungen erwarten Sie für die Baubranche?

Möller: Dieses Jahr wird zweifellos herausfordernd bleiben. Selbst wenn die derzeitigen Forderungen angenommen werden, wird es ein bis zwei Jahre dauern, bis sie umgesetzt sind. Langfristig gesehen bleibt der Bedarf an Bauwerken jedoch riesig und wird es auch bleiben.

Interview: Teresa Zwirner

Zur Person

Thomas Möller ist seit 2018 Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Die Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V. ist die gemeinsame Interessensvertretung von Baugewerbe und Bauindustrie in Baden-Württemberg.