International agierende Unternehmen mussten sich im Laufe der Coronapandemie nicht nur Herausforderungen in Heilbronn-Franken stellen: ein Blick auf Konzerne und ihre Auslandstöchter.
Die Coronakrise hat die deutsche Wirtschaft kräftig durchgeschüttelt. Das globale Ausmaß der Pandemie hat dazu geführt, dass sich international agierende Unternehmen mit Niederlassungen rund um die Welt nicht nur um Probleme hierzulande, sondern auch auf weit entfernten Kontinenten kümmern mussten: keine leichte Aufgabe in Zeiten von Lockdowns und Reisebeschränkungen.
„COVID-19 hat das Leben und die Wirtschaft auf der ganzen Welt auf den Kopf gestellt. Aber wir haben die Chance, gestärkt aus der Krise hervorzugehen“, sagt Mathias Hallmann, Vorstandsvorsitzender des Explosionsschutzexperten R. Stahl mit Hauptsitz in Waldenburg und Vertriebs- und Produktionsstandorten rund um den Globus. Lockdowns und Corona-Einschränkungen haben allerorts die Arbeit erschwert. Das Werk im indischen Chennai beispielsweise habe auf staatliche Anordnung hin geschlossen werden müssen. „Allerdings konnten wir die zuständigen Behörden schnell von der großen Bedeutung unserer Produkte für wichtige Schlüsselindustrien überzeugen, den Betrieb nach wenigen Wochen wiederaufnehmen und sukzessive hochfahren“, berichtet Hallmann.
Vom globalen wirtschaftlichen Einbruch im Laufe der Pandemie blieb auch R. Stahl nicht verschont. „Als Hersteller von Investitionsgütern ist R. Stahl stark von der weltweiten Konjunktur abhängig und mit Ausnahme der Pharma- und Lebensmittelindustrie folgen alle Branchen unserer Kunden diesen konjunkturellen Zyklen. Vor allem unser hoher Umsatzanteil von mehr als 40 Prozent, den wir direkt oder indirekt mit Kunden aus dem besonders von COVID-19 betroffenen Öl- und Gassektor erwirtschaften, hat dazu geführt, dass auch wir 2020 einen Umsatzverlust hinnehmen mussten“, sagt Hallmann. Viele Kunden seien nur „auf Sicht gefahren“ und hätten Projekte erstmal zurückgestellt. „Von großem Vorteil unter diesen insgesamt sehr schwierigen Rahmenbedingungen war es, dass R. Stahl weltweit operiert. Dadurch konnten wir besonders starke Rückgänge in einigen Regionen durch weniger betroffene Märkte auf Konzernebene teilweise ausgleichen – bis hin zu Umsatzsteigerungen, die wir 2020 im Vergleich zum Vorjahr beispielsweise in Italien, Dubai und Singapur erzielt haben“, ergänzt Hallmann. Reisen und persönliche Kundenkontakte waren stark eingeschränkt, weltweit wurden Mitarbeiter wo möglich ins Homeoffice geschickt, die Kommunikation mit den Auslandsniederlassungen und Kunden wurde entsprechend verstärkt auf Video Calls umgestellt. Doch mittlerweile sei Besserung in Sicht, vor allem mit Blick auf den internationalen Vertrieb und das für R. Stahl sehr wichtige Geschäft mit Öl- und Gasförderländern.
Persönliche Beziehungen
Der Spezialist für Luft- und Antriebstechnik Ziehl-Abegg ist in mehr als 100 Ländern mit eigenen Verkaufsniederlassungen präsent. Um vor Ort für Kunden zu produzieren wird auch das Produktionsnetzwerk kontinuierlich global ausgebaut. Gerade in Krisenzeiten seien persönliche Bindungen, die über Jahre grenzüberschreitend gewachsen sind, eine gute Basis, um schnell, zielorientiert und auch unkonventionell zu agieren.
„Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine enge Beziehung zwischen den Akteuren in der Firmenzentrale und den Niederlassungen ist“, sagt der Vorstandsvorsitzende Peter Fenkl. Ziehl-Abegg habe gleich zu Beginn der Pandemie Hilfsmaterialien – von Masken bis zu OP-Kleidung – aus Deutschland zu den Kollegen nach China und in die dortigen Krankenhäuser geschickt. Kurz vor dem Exportverbot von Schutzausrüstung wurde auch die norditalienische Niederlassung mit Masken und Desinfektionsmitteln unterstützt. Als die Pandemie in Deutschland Fahrt aufnahm und sich in China abschwächte, hätten wiederum die chinesischen Kollegen und auch enge Geschäftspartner Masken nach Hohenlohe geliefert.
Weltweit mit Niederlassungen vertreten zu sein, habe sich auch in anderer Hinsicht bezahlt gemacht. „Dieses Netzwerk hat es uns ermöglicht, temporäre Lockdowns in einzelnen Ländern für unsere Kunden etwas abzumildern“, sagt Fenkl und ergänzt: „Dadurch konnten wir, als das internationale Reisen nicht möglich war, den persönlichen Kontakt mit unseren Kunden dennoch weitgehend halten. Denn trotz aller technischen Möglichkeiten, wie etwa Videobesprechungen, ist der persönliche Kontakt auf Dauer nicht ersetzbar.“
Auch der Experte für Kunststoffverarbeitung Wirthwein mit Hauptsitz in Creglingen hat an seinen Standorten in Europa, USA und China die Auswirkungen der Pandemie auf vielerlei Weise hautnah miterlebt. Mitarbeiter wurden ins Homeoffice geschickt, strenge Hygiene- und Präventionsmaßnahmen wurden eingeführt. Aufgrund von Lockdowns mussten Produktionen an internationalen Standorten reduziert und zeitweise ganz eingestellt werden. Schulungen, Geschäftsreisen und der persönliche Austausch sind komplett entfallen. Die Anwesenheit von deutschen Mitarbeitern bei der Einführung neuer Tools, Programme und Prozesse an den internationalen Standorten war nicht möglich. „Ein konkretes Beispiel ist die Umsetzung einer komplexen Anlage zur Fertigung von speziellen Kunststoffkomponenten für einen Automotivekunden. Die Anlage wurde ausschließlich mittels Videokonferenzen zwischen den Mitarbeitern in Deutschland und New Bern, North Carolina, USA angefahren und in Betrieb genommen“, sagt Marcus Wirthwein, Vorstand der Wirthwein AG.
Smarte Prozesse
Vor allem die Digitalisierung habe geholfen, die Auswirkungen der Pandemie auf Arbeitsabläufe abzufedern. „Wir haben schon vor Corona viele digitale Tools intensiv genutzt, aber die Pandemie hat dies beschleunigt und vertieft“, berichtet Wirthwein. Prozesse seien dadurch noch smarter und digitaler geworden, Meetings, Schulungen, Veranstaltungen und Messen seien ins Web abgewandert. „Die Coronapandemie hat dem Thema Digitalisierung einen riesigen Schub verliehen, der ohne die Krise in dieser kurzen Zeit nicht so schnell gekommen wäre“, stellt Wirthwein fest.
Die internationale Ausrichtung des Unternehmens werde trotz Krise sogar verstärkt. „Unsere Auslandstöchter sind und bleiben enorm wichtig, da sie die Stabilität des Gesamtunternehmens garantieren“, sagt Wirthwein. „Beispielsweise expandieren wir aktuell am Standort im polnischen Lodz und bauen eine dritte Fertigungsstätte auf. Im In- wie auch im Ausland sind wir natürlich weiterhin auf eine positive Gesamtentwicklung der wirtschaftlichen Situation angewiesen.“
Autor: Dirk Täuber