Prof. Dr. Martina Klärle ist glücklich in ihrer neuen Rolle als DHBW-Präsidentin. Ihr Plan für die größte Hochschule des Landes: mehr Master-Studiengänge und mehr Weiterbildung für die regionale Wirtschaft. Als Umweltwissenschaftlerin und Gründerin mehrerer Unternehmen weiß sie, wie das geht.
Frau Prof. Klärle, Sie sind Unternehmensgründerin und Wissenschaftlerin – kommt Ihnen diese Doppelrolle als neue DHBW-Präsidentin zugute?
Martina Klärle: Das ist der Grund, warum ich mich auf diese Stelle beworben habe. Ich bin seit vielen Jahren
immer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft hin- und hergewechselt, war immer an deren Schnittstelle tätig. Das heißt, ich kenne beide Seiten, spreche beide Sprachen, kenne beide Kulturen. Jetzt bin ich an der Dualen Hochschule, die diese Schnittstelle verkörpert wie keine andere. Daher bin ich dankbar, fühle mich hier unheimlich wohl – und schreibe auch deshalb manchmal unter meine Mails „Schöne Grüße von Wolke sieben”.
Was wird Ihre Aufgabe an der Spitze der Hochschule sein, um Wissenschaft und Wirtschaft zueinander finden zu lassen?
Klärle: Wir befinden uns in einer Welt der Transformationen. Unsere Aufgabe muss sein, vorauszuschauen, um die richtigen Bildungsangebote frühzeitig bereitzustellen. Damit versuchen wir, den Fachkräftebedarf an Wissen und Fähigkeiten in direkter Zusammenarbeit mit Unternehmen vorausschauend zu decken. Dies geschieht nicht nur im Studium, sondern auch in der Weiterbildung. Meine persönliche Aufgabe ist es, Ermöglicherin zu sein für diese Bildungsangebote im Hinblick auf die nächsten fünf bis zehn Jahre. Ich möchte nicht nur Mittel einwerben, sondern mit Unternehmen, Verbänden und der Politik gemeinsam überlegen, was wir in fünf bis zehn Jahren an Bildung brauchen, um dem Markt voraus zu sein.
Wie schnell können Sie neue Studiengänge entwickeln?
Klärle: Der schnellste Fall, der Studiengang Embedded Systems, brauchte bis zum offiziellen Start weniger als ein Jahr. Mein Wunsch ist es, dass wir maximal ein bis zwei Jahre an einem Studiengang entwickeln. Derzeit entstehen neue Studiengänge im ganzen Bundesland. Dabei probieren wir auch didaktische Formen aus; derzeit pilotieren wir zum Beispiel einen reinen Online-Kurs Informatik. Unsere Weiterbildungszertifikate, die wir auch teilweise in Unternehmen selbst anbieten, entstehen noch rascher.
Ändern sich durch die Transformation auch die Ansprüche der Unternehmen an die Bildung?
Klärle: Vor 20 bis 30 Jahren wollten Unternehmen reine Spezialisten. Heute wächst der Bedarf an Spezialisten, die einen hohen Grad an vernetztem Denken mit Querschnittsthemen aufweisen. Es gibt beispielsweise heute weniger Interesse an reinen Programmierern, stattdessen wächst der Bedarf an Informationsmanagern – sprich zum Beispiel Menschen, die in der Beschäftigung mit Informationen oder Daten auch Softwareverträge verhandeln, abschließen und ihre Konsequenzen verstehen können. Zweitens ändern sich Themen heute schneller. Batterietechnologie war natürlich auch vor 20 Jahren ein Thema, allerdings wenig prominent, weil sie wenig nachgefragt wurden. Heute aber werden politisch schneller Weichen gestellt, die diese Technologie voranbringen. Das bedeutet auch für uns, wir müssen uns schneller anpassen. Das können wir, weil die Wirtschaft ständig mit uns an einem Tisch sitzt und ihren Bedarf mit uns teilt.
Welche konkreten Beispiele gibt es für diese Kooperation mit der Wirtschaft?
Klärle: Sehr viele an unseren zwölf Standorten, aber, um einige herauszugreifen: In Mosbach beispielsweise ist es das Thema nachhaltiges Bauen. Vor Jahren entwickelt und angeboten, wird es aktuell in einem Master-Studiengang Bauingenieurwesen nachgefragt. Dort soll auch ein landesweit relevantes wissenschaftliches Baukompetenzzentrum angesiedelt werden. In kurzer Zeit wurde auch der Studiengang Nachhaltige Agrarwirtschaft entwickelt. In Heilbronn ist unser Schwerpunkt Handel und Lebensmittel, nun gestärkt durch den Innovationscampus Künstliche Intelligenz. Neue Bausteine hier sind die ressourcenschonende Lebensmittelproduktion, Recycling, individualisierte Ernährung und KI-gestützte Lebensmitteltechnologie sowie unser Forschungsprojekt „Weinnova“ zu alkoholreduzierten Weinen.
Welche Entwicklung wünschen Sie sich in der DHBW in den nächsten Jahren?
Klärle: Ich muss den Erfindern der DHBW danken, denn sie ist die zeitgemäße Antwort: Man wird die DHBW in fünf Jahren mehr brauchen als heute, um Studienangebote flexibel zu entwickeln. Ich wünsche mir ein starkes Wachstum vor allem im Master-Bereich und ein noch stärkeres Wachstum im Weiterbildungsbereich. Diese Bereiche werden wir brauchen, um auch in Zukunft unseren Beitrag zu einem innovativen und wettbewerbsfähigen Baden-Württemberg zu leisten.
Interview: Falk Enderle
Zur Person:
Prof. Dr. Martina Klärle ist Präsidentin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW).