Für kaum eine Branche stellt die Digitalisierung eine so große Herausforderung dar wie für das Handwerk. Eine Herausforderung, die aber auch Chance sein kann. Wir haben nachgefragt, wie man sich die Digitalisierung zunutze machen kann.
Kundenorientiert, individuell, qualitativ hochwertig: Das sind die Merkmale des Handwerks in Heilbronn-Franken und ganz Deutschland – lange Zeit absolute Alleinstellungsmerkmale. Durch die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche und der daraus resultierenden stärker werdenden Orientierung an Online-Angeboten bietet sich nun auch für industrielle Unternehmen die Möglichkeit, näher am Kunden zu agieren. Eine Entwicklung, mit der gerade mittlere und kleine Handwerksbetriebe nun Schritt halten müssen. Die neuen Techniken und Entwicklungen stellen naturgemäß neue Anforderungen an die Mitarbeiter und den Betrieb als Ganzes und verändern darüber hinaus viele der bisherigen Arbeitsprozesse. Auch in der Region besteht in Sachen Digitalisierung somit noch Nachholbedarf für das Handwerk, wobei die Handwerkskammer Heilbronn-Franken betont, dass hierbei von Branche zu Branche große Unterschiede bestehen – und auch von Ort zu Ort. Ein großes Problem in Teilen Heilbronn-Frankens ist nämlich bislang noch die fehlende Breitbandverbindung, die der Digitalisierung an manchen Stellen der Region Grenzen setzt.
Digitale Technologien also ein Gegenpol zum traditionellen Handwerk? Mitnichten. Den Betrieben in der Region ist die Problematik durchaus bekannt, allerdings wägen sie sehr genau ab, ob sich der Einsatz digitaler Technologien tatsächlich für sie lohnt.
Derzeit ist rund jedes vierte Handwerksunternehmen in Deutschland auf sozialen Medien wie Facebook oder Twitter vertreten, rund 95 Prozent verfügen über eine eigene Homepage – in Sachen der immer wichtiger werdenden Online-Kommunikation ist die Digitalisierung also bereits angekommen im Handwerk und wird von den Betrieben als Chance verstanden, die Kundenkommunikation zu erleichtern – wie das Beispiel von „Krimmers Backstub“ in Untermünkheim zeigt. Auf der umfangreich gestalteten Online-Plattform der Bäckerei können die Kunden unter anderem von PC oder Smartphone aus bestellen oder sich via Online-Formular direkt von Bäckermeister Krimmer beraten lassen. Ein innovativer Weg, die steigenden Möglichkeiten der digitalen Welt zu nutzen, der auch seinen Teil dazu beitrug, dass „Krimmers Backstub“ 2017 als Top-Gründer im deutschen Handwerk ausgezeichnet wurde.
Und das ist nicht die einzige Chance, die sich für Handwerksbetriebe nun bietet. „Die Digitalisierung verschiedener Geschäftsprozesse wie beispielsweise Angebotserstellung oder Einkauf kann den Betriebsinhaber deutlich entlasten. Dadurch können die Produktivität, aber auch die Beratungsqualität erhöht werden“, sagt Marc Zendler, Leiter der Unternehmensberatung bei der Handwerkskammer Heilbronn-Franken. Aus diesem Grund bemühen sich auch Handwerksverbände und Regierung um eine feste Verankerung der digitalen Kultur in der Branche. So tritt künftig die Vermittlung digitaler Kompetenzen in den Lehrplänen von Aus-, Fort- und Weiterbildungen stärker in Erscheinung. Mit dem „Kompetenzzentrum Digitales Handwerk“ wurde außerdem ein bundesweites, vom Ministerium für Wirtschaft und Energie gefördertes Projekt ins Leben gerufen, das Betriebe informiert und bei der praktischen Umsetzung unterstützt. Auf der Webseite der Initiative können Unternehmen über den „Digitalisierungscheck“ Auskunft über den Grad der Digitalisierung im eigenen Unternehmen erhalten. Auf Landesebene verfasste der Baden-Württembergische Handwerkstag zuletzt einen Brief an Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und forderte sie auf, den im Sommer ausgeschütteten Fördertopf zur Digitalisierungsprämie aufzustocken. Die bislang ausgeschütteten 2,2 Millionen Euro waren schnell aufgebraucht, viele geeignete Betriebe deshalb leer ausgegangen. Angebote, von denen jeder profitieren kann, bietet der Baden-Württembergische Handwerkstag nun selbst: Die Veranstaltungsreihe „Digitallotse“ soll Interessierten einen Einblicke in die Thematik geben – auch in Heilbronn-Franken.
Michael Bächle