Hier haben Azubis das Sagen

Azubi und gleichzeitig Chef – geht nicht? Geht wohl! Beim Handelsunternehmen Berner aus Künzelsau managen Nachwuchskräfte eigenverantwortlich eine Verkaufsniederlassung. Für die Kunden ist das kein Problem. Und sowohl Geschäftsführung als auch Personalabteilung sind mit den „Experten der Zukunft“ sehr zufrieden.

Wer den Profi-Point der Firma Berner in Künzelsau betritt, wird sich möglicherweise zunächst wundern. Denn die Verkaufsniederlassung des Familienunternehmens, das auf Befestigungs- und Montagetechnik spezialisiert ist, wird von Auszubildenden geleitet. Damit schenkt die Geschäftsführung den Nachwuchskräften nicht nur viel Vertrauen, sondern legt auch eine große Verantwortung in deren Hände.

Doch von vorne erzählt: Als einer von bundesweit insgesamt sieben wird der Profi-Point im Jahr 2016 in der Künzelsauer Würzburger Straße eröffnet. Im Vorfeld ist schon klar, dass dessen Management Berner-Azubis übernehmen sollen und damit auch in den Entstehungsprozess eingebunden werden. Daher erhalten diese vor der Eröffnung die Chance, auch ihre eigenen Gestaltungsideen einzubringen – etwa dass es Graffitis an den Wänden des Profi-Points geben soll. Das Ganze ist eine absolute Premiere – denn in den sechs anderen Shops haben Fachverkäufer das Sagen.

Ziel ist es, die „Experten der Zukunft“ sowohl in ihrer beruflichen als auch persönlichen Entwicklung bestmöglich zu fördern, sagt Angela Kuper, die für die Azubis bei dem hohenlohischen Betrieb verantwortlich ist. Nico Botta und Saskia Stein arbeiten als Azubis im Berner Profi-Point in Künzelsau. Sie sind beide im zweiten Ausbildungsjahr zur Kauffrau beziehungsweise zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel. In einem so praxisnahen Modell wie dem Profi-Point in Künzelsau können junge Menschen wesentlich schneller und vor allem vielfältigere Erfahrungen sammeln, als es normalerweise im Rahmen der Ausbildung möglich ist“, ergänzt sie. Mit diesem innovativen Konzept nimmt Berner branchenübergreifend eine Vorreiterrolle ein. Auch eine Auszeichnung als Exzellenzunternehmen von der Tüv-Süd-Akademie gab es bereits für das Projekt.

Selbstverständlich wurden die jungen Frauen und Männer jedoch nicht einfach ins kalte Wasser geworfen. „Berner bereitet die Auszubildenden gezielt auf ihre Tätigkeit im Profi-Point sowie auf ihre weitere berufliche Zukunft im Unternehmen vor“, erklärt Kuper. Das Trainingsprogramm umfasse dabei die Punkte Verhalten am Telefon, Verkaufstechniken, allgemeine Produkt- sowie spezielle Schulungen beispielsweise zum Thema KFZ-Chemie. Im Künzelsauer Shop werden übrigens 3000 Werkzeuge und Verbrauchsmaterialien für Gewerbetreibende aus dem Bau- und KFZ-Handwerk angeboten.

Aktuell hat Berner 32 Nachwuchskräfte im kaufmännischen sowie im logistischen Bereich. Die Station Profi-Point ist seit dem Jahr 2016 fester Bestandteil des Ausbildungsfahrplans bei dem 1957 gegründeten Handelsunternehmen. Je zwei Azubis aus dem zweiten beziehungsweise dritten Lehrjahr arbeiten immer drei Monate lang im Shop, bedienen dort Kundschaft, planen Aktionen, kümmern sich um Bestellungen und Umlagerungen, pflegen das E-Mail-Postfach und bringen sogar manchen Kunden ihre Ware direkt an Ort und Stelle – in einem Umkreis von 20 Kilometern. Das kommt richtig gut an bei den Handwerkern. „Der Mut, den wir hier bewiesen haben, wurde absolut belohnt“, findet Kuper. Schließlich erreichte die 300 Quadratmeter große Verkaufsniederlassung am Kocher bereits im November 2016 erstmalig die Gewinnzone. Ihren Rekordumsatz erzielten die Berner-Lehrlinge im vergangenen Sommer.

Und was sagen die jungen Manager selbst? „Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich“, resümiert Saskia Stein. Die 21-Jährige befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel mit Zusatzqualifikation Internationales Wirtschaftsmanagement. auch Nico Botta, der die gleiche Ausbildung – aber mit dem Zusatz Fachhochschulreife – absolviert und ebenfalls im zweiten Lehrjahr ist, macht die Tätigkeit im Profi-Point Spaß. „Besonders schätze ich den persönlichen Kontakt zu den Kunden“, meint der 18-Jährige. „Die große Verantwortung und die Möglichkeit, selbstständig Entscheidungen treffen zu können, kommen bei den Auszubildenden sehr gut an“, fügt Kuper hinzu.

Olga Lechmann