Holz ist im Neckarbogen der bevorzugte Baustoff

Blick auf den Neckaruferpark des ehemaligen Bundesgartenschaugeländes. Im HIntergrund sind die verschiedenen Wohngebäude des Quartiers zu sehen. Foto: Barbara Kimmerle

Vom Ursprung zum Ursprung – das ist mittlerweile ein wichtiger Aspekt beim Bauen. Das bedeutet, den gesamten Lebenskreislauf der Baustoffe im Blick zu haben. Genau das ist Ziel der Projekte im Neckarbogen. Sie sollen auf mehreren Ebenen nachhaltig sein.

Es ist ein Dilemma, vor dem jeder Gemeinderat im Land immer wieder steht, wenn es um die Ausweisung von Baugebieten geht. Auf der einen Seite benötigen die Bürger dringend Wohnraum, auf der anderen Seite steht die Versiegelung teils äußerst fruchtbarer Böden. Nachhaltigkeit heißt deswegen das Thema, das inzwischen zumindest teilweise auch die Baubranche erreicht hat. Es ist eines der Themen, die im Heilbronner Neckarbogen bereits im ersten Bauabschnitt – und im zweiten nun noch mehr – konsequent gedacht werden. Das Skaio, bei der Entstehung größtes Holzhochhaus in der Bundesrepublik, ist das Vorzeigeprojekt im Neckarbogen. Gerade erst hat die Stadtsiedlung Heilbronn dafür Deutschlands renommiertesten Architekturpreis, den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur, gewonnen – und das ist nicht mal der erste.

Für den Bau wurden Recyclingbeton und regionales Holz verwendet, was ohne Lösungsmittel auch gut für das Wohnklima ist. „Durch den Verzicht auf Klebermaterialien wird die Sortenreinheit nicht gefährdet, weil viel schwimmend verlegt wurde“, erläutert Jan Fries, Leiter des Liegenschaftsamts Heilbronn. Das ist vor allem dann wichtig, wenn das Gebäude doch, in hoffentlich erst vielen, vielen Jahren, wieder abgerissen werden müsste. Den gesamten Lebenskreislauf der Baustoffe mitdenken, das Prinzip „cradle to cradle“, ist inzwischen ein wichtiger Aspekt beim Bauen. „Es gibt Firmen, die sagen, die wichtigsten Rohstoffminen sind Städte, da lagern quasi die Baustoffe der Zukunft.“

Dieses Stoffkreislauf-Prinzip wurde neu in die Kriterien für das Investorenauswahlverfahren für den zweiten Bauabschnitt mit aufgenommen. Bereits vorher spielten neben Architektur, Technik und Nutzung auch Ökologie und Nachhaltigkeit in Sachen Energie eine wichtige Rolle. Im November hat die Jury aus 176 Konzepten 28 ausgewählt, die nun umgesetzt werden sollen. Unter den 22 Investoren sind auch drei private Baugruppen mit insgesamt 27 Architekturbüros. „Wir waren also sechsfach überzeichnet, das ist schon der Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass da ein Planungswert von fünf Millionen Euro dahinter steckt“, erklärt Fries diese Zahlen.

Jetzt muss man sagen, dass es auch im ersten Bauabschnitt schon weitere Holzhybridhäuser neben dem Skaio gegeben hat, bei der Hälfte der Gebäude wurde mit Holz gearbeitet, doch das wortwörtlich herausragende und mehrfach ausgezeichnete Gebäude der Stadtsiedlung hat besonders Aufmerksamkeit auf diesen Baustoff gezogen. 22 der 28 Gebäude im zweiten Abschnitt werden Holzhybridhäuser sein. „Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist das der Knüller“, freut sich der Liegenschaftsamtsleiter. Aber auch die sechs, die „konventionellen Massivbau“ planen, versuchen, eben nicht das klassische Wärmeverbundsystem mit auf Beton geklebtem Styropor zu verwenden. Manche arbeiten mit Recyclingbeton. „Und ein guter Massivbau aus Steinen ist auch eine gute Konstruktion.“

Nachhaltig und preiswert

Ein weiteres Highlight wird wieder ein Gebäude der Stadtsiedlung sein. Das kommunale Wohnungsbauunternehmen wird im Baufeld L eine Holzkonstruktion erstellen, deren Wände aus Stampflehm sind. „Die Stadtsiedlung hat den Anspruch, nachhaltig und gleichzeitig preiswert zu bauen, im Neckarbogen probiert sie da viel aus.“ Die Stadt kontrolliert übrigens mittels eines Qualitätssicherungsverfahrens, dass das, was da jetzt den Zuschlag bekommen hat, auch umgesetzt wird. Noch gehören ihr nämlich die Grundstücke. Erst wenn das Baugesuch eingereicht und vom Gemeinderat genehmigt wird, werden diese verkauft. „Wenn es Änderungen gibt oder geben muss, dann muss der Architekt das mit der Baukommission absprechen“, weiß Fries.

Seit Januar wird alle zwei Wochen mit den Planern gesprochen. Wichtig ist auch die Nutzung, denn auch da geht es darum, dass das umgesetzt wird, was eingereicht wurde. Schließlich sollen die Bewohner im Neckarbogen gut durchmischt sein, worauf bereits bei der Auswahl geachtet wurde. „Die Ausgewogenheit in der Mischung ist ganz wichtig, die Nutzung neben den harten Baufaktoren deswegen die dritte Säule.“ Da gehören zum Projekt für Frauen in schwierigen Lebensumständen ebenso seniorengerechtes Wohnen, aber eben auch Wohnungen für Besserverdienende dazu. 20 Prozent geförderten Wohnraum hatte der Gemeinderat mindestens vorgegeben, geworden sind es mehr als 30 Prozent.

Nachhaltigkeit spielt im Neckarbogen aber nicht nur in Sachen Baustoffe eine wichtige Rolle. Angefangen vom mehrgeschossigen Wohnbau, um die Ressource Fläche möglichst effektiv zu nutzen, über das Thema Mobilität (Nähe zum Bahnhof, Quartiersgaragen) bis hin zur effektiven Nutzung des umbauten Raums, wobei das Skaio wieder ins Spiel kommt. „Der Spagat zwischen gefördertem Wohnraum und Baukosten geht über kluge Grundrisse“, erläutert Fries. So gibt es in den Wohnungen des Hochhauses keine Waschmaschinen, was zum einen Wasserschäden verhindert, aber durch die Platzersparnis auch Miet- und Baukosten verringert. „Wenn außerdem unten drei Waschmaschinen für 60 Wohneinheiten stehen, heißt das, dass 57 nicht produziert wurden und auch das spart Energie und Ressourcen.“ Ähnlich wird es mit der Quartiersgarage sein, die so gesteuert werden soll, dass zwar alle Mieter einen Platz sicher haben, diese aber gleichzeitig tagsüber auch Besuchern zur Verfügung und somit nicht leer steht.

Im Wohngebiet sollen die Fahrzeuge nämlich möglichst nicht parken, denn für Fries gehört auch das zum Thema Nachhaltigkeit: Freiraum als Erholungsraum für alle sichern und nicht nur als Fläche zum Autoabstellen. Am Ende wäre es jedoch am wichtigsten, wenn die neuen Gebäude möglichst lange stehen – denn dann sind sie wirklich nachhaltig.

 

Stefanie Pfäffle

 

Foto: Stefanie Pfäffle

 

Zu Person:

Jan Fries ist Leiter des Liegenschaftsamts Heilbronn.

Für ihn hat das Thema Nachhaltigkeit im Neckarbogen viele verschiedene Aspekte. So ist ein Gebäude wirklich Nachhaltig, wenn es lange stehen bleibt.