Ihr Motto: Wertiger werden

Kein Interesse an Expansion haben Susanne und Kai Henkel – die beiden setzen damit erste Prinzipien zur Postwachstumsökonomie um. Foto: Richard Henkel

Weniger Wachstum, dafür mehr Stabilität – darauf setzt das Geschwisterpaar Susanne und Kai Henkel in seinem Unternehmen in Forchtenberg bereits seit Jahren. In der Krise zahlt sich das aus.

Wir arbeiten in guten Jahren etwas vorsichtiger, dafür müssen wir in schwierigeren Jahren nicht so stark reagieren“, sagt Kai Henkel, der den Familienbetrieb Richard Henkel in Forchtenberg gemeinsam mit seiner Schwester leitet. Die beiden sind überzeugt, dass Ökonomie und Ökologie dauerhaft kombiniert werden müssen. Deshalb haben sie vor einigen Jahren beschlossen, dass ihre Firma nicht mehr wachsen soll.

„Indem wir uns nachhaltig im Sinn der Stabilität aufstellen, wachsen wir nicht quantitativ. Aber wir werden wertiger“, ist Susanne Henkel überzeugt. Sie findet, man sollte beim Wirtschaftswachstum die Definition neu denken. Sich bloß auf den Umsatz als Kennzahl zu konzentrieren, sei ihr zu eng gefasst. „Im Inneren des Unternehmens gibt es viele Ressourcen, die man in den einzelnen eigenen Prozessen schöpfen kann“, weiß die Unternehmerin. So sollen Gewinne nicht aus immer höheren Verkaufszahlen stammen, sondern aus verbesserten Produkten. Auf diese Weise habe man vielleicht kein Umsatzwachstum, aber einen weit höheren Ertrag. „Das ist Profit“, sagt Susanne Henkel.

Ihr Unternehmen ist auf die Beschichtung von Metallteilen spezialisiert; die Stahlliegen mit der Schnurbespannung sind längst ein Klassiker des Möbeldesigns und etwa in Schwimmbädern zu finden. Innerhalb der Produktion haben die Henkels geschlossene Kreisläufe geschaffen – fast alles wird vor Ort fertigstellt; auf den Einsatz von Chemikalien wird weitestgehend verzichtet. Die jährlichen Abfälle sind von 26 auf drei Tonnen geschrumpft. Seit Jahren werden rund 50 Mitarbeiter beschäftigt. Schon vor zwanzig Jahren haben Susanne und Kai Henkel damit begonnen, den Betrieb energiesparend aufzustellen. Bis zum heutigen Tag im Vergleich zu 2001 habe das Unternehmen 70 Prozent CO2 reduziert. Die Energiekosten seien um 60 Prozent gesunken. „Alle Maßnahmen, die wir im Bereich Umweltschutz durchgeführt haben, haben sich innerhalb kürzester Zeit amortisiert und letzten Endes dazu geführt, dass wir heute am Markt überleben können“, bekräftigt Kai Henkel. Das helfe auch in Krisenzeiten. Das helfe auch der Umwelt.

Von ihnen gibt es wenige

Im Sinne der Umwelt bietet das Geschwisterpaar auch Reparaturen an, das sogenannte Re-Design. Die Aufarbeitung bringe zwar weniger Geld ein als eine Neuproduktion und damit auch weniger Wachstum; andererseits spare es Produktions- und Lagerkosten.

Die Einstellung der Henkels passt zum Zeitgeist, ist aber trotzdem die Ausnahme: Während in der Makroökonomie bereits über die Möglichkeit einer Wirtschaft ohne Wachstum diskutiert wird, findet das Thema auf Unternehmensebene kaum statt. In einer Pilotstudie setzten sich Forscher des Berliner Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) mit zehn sogenannten „wachstumsneutralen Unternehmen“ auseinander – eine belastbare empirische Erhebung gibt es jedoch nicht. Im Grunde legt die Untersuchung offen, dass die Vorstellung einer optimalen Betriebsgröße, deren Überschreiten deutliche Nachteile und Risiken mit sich bringen kann, in der gängigen Managementliteratur lediglich als Randnotiz auftaucht. Damit gehören Susanne und Kai Henkel mit ihrem über 95 Jahre alten Familienunternehmen wohl zu den Pioniergeistern für ein neues Wirtschaften jenseits des Wachstums.

Melanie Boujenoui