Das Oberzentrum der Region setzt neue Maßstäbe: Noch in diesem Jahr wird in Heilbronn eine Teststrecke für autonomes Fahren in Betrieb gehen. Dafür arbeiten die Stadt und die Hochschule Heilbronn eng zusammen.
Vielen von uns wird dabei etwas unwohl: bei der Vorstellung, beim Autofahren Gasgeben, Bremsen oder Lenken einem kleinen Computer zu überlassen. Es scheint irgendwie merkwürdig, nicht greifbar. Vielmehr klingt es noch nach Zukunftsmusik. Doch Fakt ist, es nimmt ganz konkrete Züge an, wird immer mehr zur Realität. Autonomes Fahren ist auf dem Vormarsch. Wie lange wird es noch dauern, bis wir die Kontrolle über unser Fahrzeug an das selbige abgeben? Nicht mehr lange – da sind sich Experten einig. Das selbstgesteuerte, vernetzte Fahren wird schon in kurzer Zeit auf deutschen Straßen Einzug halten – und in noch kürzerer Zeit auf den Straßen unserer Region. Denn: Unser Oberzentrum, die Stadt Heilbronn, wird – in Kooperation mit der Hochschule Heilbronn – noch in diesem November eine Teststrecke zum autonomen Fahren in Betrieb nehmen. Damit bleibt die Käthchenstadt ihrem in der Vergangenheit eingeschlagenen Kurs treu: innovativ sein, neue Wege gehen, Vorreiter sein.
„Das passt sehr gut zu Heilbronn und der Region“, ist Gerd Eberhardt, der das Projekt von städtischer Seite her mit betreut, überzeugt und ergänzt: „Die Stadt, ja ganz Heilbronn-Franken befinden sich im Aufbruch, erfinden sich immer wieder neu. Wir verstehen es als ein wichtiges Zeichen, dass wir bei solchen Trends nicht nur irgendwann mitgehen, sondern diese von Grund auf mitgestalten.“ Das Konzept sieht Folgendes vor: Die Stadt stellt einen rund 7,5 Kilometer langen Streckenabschnitt – von der A6/Abfahrt Neckarsulm über die B27, Karl-Wüst-Straße, Alberti-/Hafenstraße bis zum Zukunftspark Wohlgelegen – für autonomes Fahren bereit. Wissenschaftler der Fakultät Mechanik und Elektronik der Hochschule Heilbronn werden diesen für ihre Forschung nutzen. Geplant ist, verschiedene Szenarien zu testen: etwa das Abfahren von der Autobahn, das Einfahren in die Stadt selbst oder in ein Parkhaus. Kurzum: Die Strecke soll möglichst viele Situationen abbilden, die im Straßenverkehr vorkommen können.
Was zunächst simpel klingt, ist mit einem enormen Aufwand verbunden – für alle Beteiligten. Denn die Technik, die dahintersteckt, bevor ein Auto quasi fahrerlos über die Straßen rollen kann, ist hochkomplex. Beim autonomen Fahren wird das Auto nicht vom Fahrer, sondern von einem Computer gesteuert. Sensoren, Kameras, Ultraschall, Laser oder Radar – drei bis vier dieser Vorrichtungen sind in einem Fahrzeug verbaut – erfassen dafür die Umgebung und verarbeiten die Daten. Außerdem wird auf die Vernetzung der Wagen und der Verkehrsinfrastruktur gesetzt: Autos tauschen sich mit anderen Autos, mit Ampeln und anderen Infrastruktursignalen aus. Entsprechend müssen auch diese ausgestattet sein.
„Es spielen unglaublich viele Faktoren eine immens wichtige Rolle“, erklärt Raoul Zöllner, Professor an der Hochschule Heilbronn. Alle Verkehrsteilnehmer – seien es Kraftfahrzeug- und Radfahrer, aber auch Fußgänger und Tiere – müssen erfasst und deren wahrscheinliches Verhalten ermittelt, Baustellen als solche erkannt werden. Gleiches gilt für Spuren: Fährt das Fahrzeug auf einer ein- oder mehrspurigen Straße? Kreuzen Bahngleise den Weg? „Hinzu kommen noch andere mögliche Verkehrseinflüsse. Das Wetter etwa“, schildert der Heilbronner Dozent. Bei Glätte oder Nässe müsse das Tempo auch beim autonomen Fahren den Straßenverhältnissen angepasst werden.
Ein anderes Szenario, das in Heilbronn getestet werden soll: das Valet Parking. Beim autonomen Parken in einem Parkhaus verlässt der Fahrer das Fahrzeug vor dem Parkhaus. Das Auto sucht sich in Interaktion mit dem Parkhaussystem einen Parkplatz und parkt ein. Über das Handy kann das Fahrzeug wieder gerufen werden. Dabei kommt es selbstständig vor das Parkhaus gefahren, wo der Fahrer dann einsteigt und übernimmt. Die Stadt Heilbronn lässt sich dieses Vorzeigeprojekt einiges kosten: Insgesamt stellt die Stadtverwaltung 430 000 Euro bereit, wovon rund 180 000 Euro für die Installation der Technik aufgewendet und die restlichen 250 000 Euro in den laufenden Betrieb investiert werden. Gerd Eberhardt ist sich sicher: „Das ist eine Investition in die Zukunft, die sich lohnen wird.“
Lydia-Kathrin Hilpert