In nur zwei Minuten durch ganz Deutschland

Im April dieses Jahres hat das Versandunternehmen Hermes ein großes Logistikzentrum in Bad Rappenau im Landkreis Heilbronn eröffnet. Aus ganz Deutschland kommen hier Pakete an, werden sortiert und verlassen den Standort binnen kürzester Zeit. Wie das genau funktioniert und was sich in der großen Halle konkret abspielt, haben wir bei einem Besuch erfahren.

 

Der Kalender von Michael M. aus Öhringen zeigt den 21. Dezember. Beim Blick auf das Datum erstarrt er. Er bricht in Panik aus. „Oh nein, nur noch drei Tage bis Weihnachten“, denkt er sich. Der Schweiß perlt ihm bereits auf der Stirn. Es darf ihm nicht passieren, dass er auch dieses Jahr kein Weihnachtsgeschenk für seine Freundin hat. Hastig und völlig verzweifelt setzt er sich vor seinen Laptop. Nachdem er sich einige Zeit wie wild von Internetseite zu Internetseite klickt, springt ihm ein Angebot eines Online-Versandhandels ins Auge. Hat seine Freundin nicht kürzlich noch erwähnt, dass sie schwarze Schuhe bräuchte? Das ist seine Rettung. Er bestellt ein Paar und hofft, dass das Paket noch rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest bei ihm in Öhringen ankommt. Es muss also schnell gehen – und das tut es.

Beim Händler in Hamburg geht die Bestellung ein. Das Paket wird gerichtet und zusammen mit vielen anderen Kartons auf den Lkw geladen, der für seine Tour nach Bad Rappenau bereitsteht. Aber warum genau dieser Ort? Hier, genauer gesagt im Gewerbegebiet Buchäcker, befindet sich das Logistikzentrum des Versandunternehmens Hermes. Das im April dieses Jahres eröffnete Gebäude ist Bestandteil eines Expansionsprogramms des Logistikers. „Insgesamt entstehen neun baugleiche Logistikzentren in ganz Deutschland“, berichtet Peter Bachmann, General-Area-Manager des Standorts in Bad Rappenau. Das Versorgungsgebiet, zu dem auch Bad Rappenau gehört, fasst Hermes unter „nördliches Baden-Württemberg“ zusammen.

Das Herzstück des Zentrums

In den frühen Morgenstunden des Folgetages erreicht der Lkw mit den Schuhen an Bord das große Hermes-Gelände in der Großen Kreisstadt. Auf der 6,7 Hektar großen Fläche befindet sich eine langgezogene blaue Halle, die mit ihren rund 10.000 Quadratmetern aber nur 1/7 des Grundstücks einnimmt. Rund um die Halle und auf den großen Freiflächen stehen Lastwagen. Sie tragen schwere Container, die mit dem Hermes-Emblem bedruckt sind. Nachdem das Fahrzeug die Anmeldung und die Schranke passiert hat, nimmt ein Rangierer die Fracht ab und dockt mit dem Container direkt an der Halle an.

Von da an geht es in deren Inneres, zum Herzstück des Standorts: die Sortieranlage. „Das Be- und Entladen der Anlage übernehmen die Mitarbeiter, alles andere die Maschinen“, erläutert der Area-Manager. Die Packer beginnen, die Ladung auszuladen. Auch das Weihnachtsgeschenk ist dabei und wird auf das Zulauffließband gelegt. Im ersten Schritt wird es gewogen. Dann wandert es eine Etage höher, wo sich das eigentliche Sortierfließband befindet. Wie von Geisterhand reiht sich das Paket genau in der passenden Lücke zwischen einem großen und einem kleinen Karton ein.

Ausgelegt ist die Anlage auf eine Tagesleistung von bis zu 200.000 Gütern. Am heutigen Tag sind bisher 164.000 Kartons und Kunststofftüten über das Band gerattert. Diese beiden Verpackungsmaterialien sind es, die hauptsächlich im Logistikzentrum auflaufen. 90 Prozent der Ware stammt vom Händler und geht direkt an den Verbraucher, in der Fachsprache auch „B2C“ genannt. Lachend ergänzt Bachmann: „Natürlich sind da auch mal Brocken dabei.“ Das durchschnittliche Gewicht liege aber bei zwei Kilogramm pro Packstück.

Weiter geht die Reise durch die Halle: In einer scheinbaren Endlosschleife läuft das Band kontinuierlich und befördert seine Passagiere in beeindruckend schneller Weise weiter. Nach maximal einer halben Runde erreicht das Paket die sogenannte „Scannerdusche“. Ein roter Blitz leuchtet auf. In dieser kurzen Zeit erfasst die Maschine Herkunft, Zielort und Volumen des Päckchens. Diese Daten werden mit den bereits erfassten Gewichtsinformationen „verheiratet“, wie es Bachmann bezeichnet. Nun steht fest, an welcher Stelle die Rundreise für den Karton mit den Schuhen auf dem Band zunächst endet. Genau dort, wo unterhalb der passende Korb steht. Über eine Rutsche gelangt das Geschenk dort hin. In dem Behälter liegen bereits andere Pakete, die dasselbe Ziel – Öhringen – haben. „Ein Paket ist rund zwei Minuten im Umlauf, dann wird es schon wieder verladen“, fasst der Leiter des Standorts zusammen. Im Container des Lkw wird der Karton zur Zustellbasis von Hermes in Öhringen gebracht.

Pünktlich vor Heiligabend bringt der Auslieferer von dort das Päckchen zu seinem Empfänger. Erstaunt über die schnelle Lieferung, nimmt Michael M. die Schuhe entgegen. Da wird sich seine Freundin bestimmt freuen. Und wenn nicht, gibt es ja noch die Möglichkeit der Rücksendung. Auch dann landen die Schuhe wieder im Logistikzentrum in Bad Rappenau und starten dort ihre Reise zurück nach Hamburg.

Alexander Liedtke