Innovationszentren sind das Bindeglied zur Wirtschaft

Im Keller des Kodis-Gebäudes (rechts) am Bildungscampus in Heilbronn soll bis nächstes Jahr ein stationäres Labor entstehen, unter anderem mit Experimentierflächen für Sensorik- oder Cloud-Applikationen sowie Bereichen für Workshops. Foto: Fraunhofer IAO

Im Mai 2019 hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) am Heilbronner Bildungscampus das Forschungs- und Innovationszentrum für Kognitive Dienstleistungssysteme, kurz Kodis, ins Leben gerufen. Dieses wird auch von Familienunternehmen in der Region gut angenommen. Denn es hilft, eine Lücke zu schließen.

Wenn es um die digitale Vernetzung der Industrie geht, steht Baden-Württemberg sowohl im Bundes- als auch im EU-Vergleich durchaus gut da. Das glaubt zumindest mancher Wirtschaftsexperte. Während jedoch vor allem Konzerne technologisch führend sind, gibt es Nachholbedarf beim Mittelstand. Oftmals fehle hier die technische, methodische und prozessbezogene Kompetenz, bestätigt Dr. Bernd Bienzeisler, Leiter des Forschungs- und Innovationszentrums Kognitive Dienstleistungssysteme, das inzwischen mehr unter seinem Kürzel Kodis bekannt ist.
Die Außenstelle des Fraunhofer IAO ist auf dem Bildungscampus in Heilbronn angesiedelt und bietet unter anderem kleinen und mittelständischen Unternehmen praktische Unterstützung beim Anwenden von Digitalisierung. „Wir haben viele Firmen in der Region, die vor großen Transformationsprozessen stehen“, sagt Bienzeisler. Corona habe das noch verschärft und zwar nicht nur in Bezug auf die Kommunikationswege, sondern auch bei den Prozessen innerhalb der Firmen. „Der Wandel ist gewaltig“, sagt Bienzeisler, der selbst darüber staune, mit welcher Geschwindigkeit dieser nun ankomme. „Die Wertschöpfungsketten werden künftig andere sein als heute. Unternehmen werden vermehrt Netzwerke brauchen, aus vielfältigen Gründen“, ist er sicher.

Ökosystem wird wichtig

Genau hierbei könnten Forschungs- und Innovationszentren wie etwa das Kodis für Unternehmen als Schnittstelle zu unterschiedlichen Akteuren fungieren. „Viele inhabergeführte Firmen in Heilbronn-Franken sind zum Beispiel hoch innovativ in dem, was sie tun, haben aber oftmals noch kein Bewusstsein für Forschung und Entwicklung im Sinne der Kooperation mit externen Partnern wie Forschungseinrichtungen, Universitäten, Hochschulen“, meint Bienzeisler. „Diese wollen wir abholen.“

Denn gerade für Innovationen sei es immer wichtiger, Trends im Blick zu haben. „Wir stehen in Kontakt zu den Playern in der Region und wissen, was zum Beispiel die Autoindustrie umtreibt oder auch die ganz großen Unternehmen wie SAP“, sagt Bienzeisler. Diese „Ökosystemperspektive“, wie er es nennt, werde aus seiner Sicht über künftige Unternehmenserfolge entscheiden.

Zudem schließe die angewandte Forschung die Lücke zwischen der Grundlagenforschung, die in Universitäten stattfindet, und der Forschung innerhalb von Firmen. Doch wie können die hiesigen Betriebe vom Ökosystem Wissenschaft und Forschung konkret profitieren? „Es ist nicht so, dass Sie bei uns reinlaufen und sich die fertige Innovation abholen“, witzelt der Kodis-­Leiter. Vielmehr unterstütze man die Firmen durch kooperative Prozesse.

Ein gemeinsamer Weg

„In den ersten Gesprächen mit den Unternehmen geht es um die Problemstellung, danach stellen wir ein Projektteam zusammen und definieren eine gemeinsame Zielsetzung. Erst dann schauen wir uns Datensätze an und erarbeiten auf deren Basis Lösungen“, erklärt Bienzeisler das übliche Vorgehen.

Etwa bei der Heilbronner Marbach-Gruppe, die im Bereich Thermo-­Umformtechnik und Stanzformtechnik zu den Weltmarktführern zählt, sei die Aufgabenstellung gewesen, auf der schon digitalen Anlage KI-Verfahren einzusetzen, um die Daten automatisiert zu analysieren. Dazu wurden von Fraunhofer IAO historische Testdaten eingelesen und verschiedene KI-Algorithmen der Fehlererkennung für bislang noch nicht bekannte Fehler erprobt.

Ein weiteres Beispiel kommt aus dem Maschinenbau im Rahmen der automobilen Fertigungskette: Viele Teile und Komponenten wie Ventile, Wärmetauscher, Hydrauliksysteme müssen vor der Montage auf Dichtigkeit und Festigkeit ausgiebig getestet werden. So will Ehrler Prüftechnik in Niederstetten KI-gestützte Software entwickeln und erproben, die minimalste Abweichungen bei Druck und Temperatur automatisch erkennen, unterscheiden und gegebenenfalls direkt in den Regelungsprozess eingreifen kann.

„Wenn Firmen nun solche Themen angehen wollen, entwickeln wir nicht einfach eine Software für sie, sondern helfen ihnen anhand des jeweils spezifischen Anwendungsfalls, dass sie in der Lage sind, dies eigenständig anzugehen. Das ist eigentlich immer eine gemeinsame Reise“, sagt Bienzeisler.

Die Nachfrage nach einer solchen Zusammenarbeit sei potenziell riesig. Bloß müsse das Bewusstsein dafür besonders bei Familienunternehmen teilweise erst geschaffen werden. Dass Heilbronn die Infrastruktur mit Projekten wie dem KI-Innovationspark konsequent ausbaut, begrüßt Bienzeisler. Er ist überzeugt: „In den nächsten Jahren wird in der Region Heilbronn-Franken ein richtiges Innovations-Cluster entstehen.“

Autorin: Melanie Boujenoui