Klimaschutzfaktor Baubranche

Treibhausgase reduzieren als oberstes Ziel: Das gilt für den Einsatz von Rohstoffen und für das Bauen selbst. Foto: Adobe Stock/Smileus

Die Baubranche besitzt das Know-how, um die Klimaschutzziele zu erreichen, sagt Bauministerin Nicole Razavi. Um die Potenziale zu nutzen, setzt sie auf Technologieoffenheit, Modernisierung des Gebäudebestands und die Weiterentwicklung der Bauprodukte.

Wie kann die Baubranche dazu beitragen, die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen?

Nicole Razavi: Klimaschutz ist eine der drängendsten Aufgaben unserer Zeit. Die gesteckten Ziele können wir nur gemeinsam meistern – hier müssen also Politik, Verwaltung, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenarbeiten. Der Baubereich gehört zu den ressourcenintensivsten Sektoren, deswegen ist klar: Wir müssen Treibhausgase reduzieren. Das gilt für den Energieverbrauch genauso wie für den Einsatz von Rohstoffen und das Bauen selbst. Aber eines ist dabei zu beachten: Wir dürfen das Bauen nicht immer noch teurer machen.

Welche Maßnahmen können hier ergriffen werden?

Razavi: Bauen im Bestand kann beispielsweise einen erheblichen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. Denn Gebäude, die für eine wirtschaftliche Effizienz und einen langfristigen Werterhalt stehen und durch niedrige Betriebs- und Unterhaltskosten überzeugen, sind auch ökonomisch gesehen erfolgreich. Sind die Gebäude zudem umwelt- und klimaverträglich, ressourcensparend und nutzerfreundlich, dann werden sie ihrer Bedeutung als nachhaltiges Gebäude gerecht. Für den Erfolg ist es entscheidend, dass wir wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen, die zumutbar sind, damit sie in der Praxis auch ankommen.

Wie will die Regierung sicherstellen, dass bestehende Gewerbegebäude nachhaltiger gestaltet werden?

Razavi: Die Modernisierung des Gebäudebestandes ist ein entscheidender Faktor, der wesentlich zur Ressourcenschonung beiträgt. Wir müssen deshalb Folgendes in den Blick nehmen: Welche Maßnahmen bringen wirklich etwas und welche haben die beste Kosten-Nutzen-Relation. Denn ein Mehr an Technik und Materialien bedeutet nicht zwingend auch ein Mehr an Energieeinsparung und CO₂-Minderung. Wir müssen deshalb alle Lösungen daran messen, ob sie skalierbar, nutzeneffizient und dabei wirtschaftlich sind.

Welche Anreize gibt es in Baden-Württemberg hierfür?

Razavi: Baden-Württemberg hat es sich zum Ziel gesetzt, dass Nachhaltigkeitsaspekte als selbstverständlicher Bestandteil bei der Planung und Realisierung von Neubauten und Modernisierungen berücksichtigt werden. Um diesen Prozess zu unterstützen, stellt das Bauministerium beispielsweise das webbasierte Planungswerkzeug N!BBW (Nachhaltiges Bauen in Baden-Württemberg) als kostenfrei nutzbares digitales Hilfsmittel zur Verfügung. Es ermöglicht einen leichten Einstieg in das nachhaltige Bauen.

Inwiefern sind beim klimaneutralen Bauen weitere innovative Technologien relevant?

Razavi: Die Baubranche besitzt das Know-how für die Erreichung der Klimaschutzziele. Sie ist damit ein entscheidender Faktor und Partner für den Erfolg. Diese Potenziale müssen wir nutzen. Technologieoffenheit ist dabei das A und O auch für eine zukunftsträchtige Baupolitik. Für neue Impulse ist für mich besonders der Austausch und der Wissenstransfer zwischen den unterschiedlichen Akteuren wichtig. Alle Baustoffe und Anlagensysteme für den Betrieb eines Gebäudes sollen technologieoffen im Rahmen fairer Kriterien in den Wettbewerb um die nachhaltigste Lösung eintreten können. Dabei müssen wir immer das Gebäude als Ganzes und über seine gesamte Lebensdauer in den Blick nehmen.

„ Wir brauchen eine deutliche Stärkung der Kreislaufwirtschaft“

Welche Rolle spielen dabei regionale Baustoffe?

Razavi: Für den Klimaschutz wird es von entscheidender Bedeutung sein, Bauprodukte so weiterzuentwickeln, dass sie einen Beitrag zum klima- und ressourcenschonenden Bauen leisten. Da gibt es viele Möglichkeiten wie verbesserte Materialeigenschaften, nachwachsende Rohstoffe, recycelte Baustoffe oder gebrauchte Bauprodukte. Wichtig wird aber auch sein, die Prozesse bei der Herstellung von Bauprodukten zu optimieren, um den Energieaufwand und die Abfallmengen zu reduzieren, und Transportwege zu verknüpfen für mehr Regionalität.

Sie haben die Abfallmenge erwähnt. Was unternimmt Baden-Württemberg, um das Thema Recycling und eine Kreislaufwirtschaft voranzubringen?

Razavi: Klar ist: Wir brauchen eine deutliche Stärkung der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Deshalb ist die Kreislaufwirtschaft ebenso wie „Einfach (Um)Bauen“ ein wichtiges Thema im Strategiedialog „Bezahlbares Wohnen und innovatives Bauen“. Mit dem Strategiedialog geht die Landesregierung die großen Herausforderungen in den Bereichen Planen, Bauen und Wohnen an. Ziele sind, die Voraussetzungen für mehr bezahlbaren Wohnraum in Baden-Württemberg zu verbessern, das Bauen klimagerechter zu machen sowie die Digitalisierung und die Transformation der Bauindustrie voranzutreiben.

Wie werden die lokalen Bauvorschriften in Baden-Württemberg weiterentwickelt, um den Einsatz nachhaltiger Bauweisen im Gewerbebau zu fördern?

Razavi: Die Weiterentwicklung der Bauvorschriften und die Vereinfachung des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens ist eine Daueraufgabe. Ein konkretes Beispiel: Mit der neuen Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen geht Baden-Württemberg bei den baurechtlichen Regelungen zum Einsatz von Holz in mehrstöckigen Gebäuden im Bundesvergleich entschlossen und mutig voran und setzt ein deutliches Zeichen für das nachhaltige Bauen mit Holz.

Welche klimafreundlichen Bauvorhaben wurden in der Region denn bereits umgesetzt?

Razavi: Erwähnen will ich den Neubau der SWG Schraubenwerk Gaisbach GmbH. Hier wurde eine Produktionshalle in Holzbauweise und unter Verwendung eines neuen Bauprodukts, der „BauBuche“, errichtet, ein Furnierschichtholz aus Laubholz. Holz kann ein Gebäude in eine Kohlenstoffsenke verwandeln, so dass es also mehr Kohlenstoff speichert, als es abgibt.

Interview: Teresa Zwirner

Zur Person

Nicole Razavi (CDU) ist seit Mai 2021 Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen des Landes Baden-Württemberg.