Klimatechnik-Spezialisten in Heilbronn-Franken: gute Auftragslage, verzögerte Lieferzeiten

Ein Mitarbeiter von EBM-Papst in der Fertigung: Die Nachfrage nach Ventilationslösungen ist in Europa deutlich gestiegen. Foto: EBM-Papst

Die Hersteller von Klima- und Lüftungstechnik sowie Ventilatoren in der Region treiben innovative Produkte und Services voran. Dennoch macht sich die Corona-Zeit auch bei Marktführern wie EBM-Papst, Nicotra Gebhardt oder Ziehl-Abegg bemerkbar.

Lüftungs- und Ventilationsanlagen sorgen in Betrieben, Produktionshallen oder Büroräumen grundsätzlich für gute Raumluft: Sie führen frische Luft zu und verbrauchte Luft ab. Seit dem Ausbruch der Coronapandemie kommt den Anlagen auch in Sachen Infektionsschutz eine hohe Bedeutung zu. Konnten die Spezialisten der Region dadurch neue Absatzmärkte für sich erschließen? Wir haben uns umgehört.

Bei der Nicotra Gebhardt GmbH mit Sitz in Waldenburg, einem führenden Hersteller von Industrie-, Prozessluft- und Entrauchungsventilatoren sowie Filterlösungen für geschlossene Raumsysteme, zeigen sich die Auswirkungen der Corona-Pandemie hauptsächlich in der Beschaffungslogistik, wie Produkt- und Marketingmanager Achim Falk betont. „Die Liefersituation ist aktuell in vielen Branchen weltweit schwierig. Mit der Pandemie gehen sehr starke Angebots- und Nachfrage-schwankungen entlang den Wertschöpfungs- und Logistikketten einher“, erklärt Falk.

Bislang sei es dem Unternehmen aber über eine flexible Produktsteuerung gelungen, den Nutzenerwartungen der Kunden vollumfänglich zu entsprechen. „Ein breites Produktspektrum an hocheffizienten Ventilatoren kommt uns dabei sehr entgegen“, sagt Falk.

Gesundheit und Klima schützen

Was dem Team von Nicotra Gebhardt in Corona-Zeiten ebenfalls aufgefallen ist: Betreiber von Raumlufttechnischen Anlagen (RLT) seien unmittelbar auf die Erfordernisse der Pandemie eingegangen, indem sie den Anteil der Frischluftzufuhr im Teilluftbetrieb erhöhten, um die potenzielle Virenlast zu senken. Ein wichtiges Stichwort in diesem Kontext seien „Hocheffiziente Partikelfilter“ (HEPA). „Es ist möglich, auf Fördermittel für die Nachrüstung von speziellen HEPA-Filtern zuzugreifen“, merkt Falk an.

Unabhängig von der Pandemie sei es aus Sicht des Ventilationsexperten häufig ratsam, im Rahmen von Umbaumaßnahmen über eine energetische Sanierung der Anlagen nachzudenken. „Durch den Austausch von ineffizienten Ventilatoren werden die Energiekosten deutlich gesenkt und dadurch wird auch ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz geleistet“, bekräftigt Falk. „Unterstützt wird der Austausch ineffizienter Ventilatoren durch öffentliche Förderprogramme“.

In Frage kämen etwa Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wie „Energieeffizient Sanieren“ oder „Hocheffiziente Querschnitttechnologien“ vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

Nachfrage europaweit gestiegen

Beim Markt- und Technologieführer EBM-Papst mit Hauptsitz in Mulfingen sei die Auftragslage hoch. „Aufgrund der Pandemie ist die Nachfrage nach unseren energieeffizienten Ventilatorlösungen im Bereich der Gebäudeklimatisierung und Luftreinhaltung, insbesondere in Europa nochmals deutlich gestiegen“, berichtet Pressesprecher Hauke Hannig. „Unternehmen, die wir bedienen, haben sich beispielsweise mit der Produktion von Luftreinigungsgeräten beschäftigt, die vorher auf diesem Gebiet nicht tätig waren“.

Leider gibt es angesichts der weltweit immer noch fragilen Lieferketten einen Wermutstropfen, der das anziehende Geschäft ausbremst. „Aufgrund des aktuellen Mangels an Elektronikbauteilen und der im Frühjahr zögerlichen und späten Bestellungen, um beispielsweise Schulen mit diesen Geräten auszustatten, können wir die zusätzliche Nachfrage auf diesem Gebiet derzeit nicht wie gewünscht erfüllen“, berichtet Hannig.

Fokus auf mehr Effizienz

Luft werde bei EBM-Papst seit jeher als bedeutendes „Lebensmittel“ angesehen, von dem jeder Mensch bis zu 15.000 Liter pro Tag ein- und ausatmet. „Wir haben auf dem Gebiet der Lüftung und Klimatisierung langjährige Erfahrungen und speziell in Asien ist das Thema Luftverschmutzung und Smog bereits seit Jahrzehnten im Fokus“, sagt Hannig. Unabhängig von der schwer einzuschätzenden Entwicklung der Pandemie-situation setze man in der EBM-Papst-Gruppe bei der Entwicklung von innovativen Produkten und Services künftig noch stärker auf Effizienz und Digitalisierung.

„Das Thema Effizienz treiben wir noch weiter voran, indem wir unsere sparsamen Lösungen durch die Möglichkeiten der Digitalisierung ergänzen und einen Mehrwert aus der Gewinnung von Daten schaffen. Rund 120 Millionen Euro setzen wir jährlich für Innovation innerhalb unserer Forschungs- und Entwicklungsbereiche ein“, sagt Hannig.

Mit „urbanharbor“, dem ersten klimaneutralen Stadtquartier Europas in Ludwigsburg, packt EBM-Papst aktuell ein Großprojekt mit Pioniercharakter an. „Statt neu zu bauen, werden alte Produktionshallen in neue Bürogebäude transformiert. Die Frischluft-versorgung der Räume wird durch eine der ersten semizentralen Lüftungsanlagen Europas gewährleistet“, berichtet Hannig.

Ventilatoren und die cloudbasierte Building-Connect-Plattform vom Start-up „ebm-papst neo“ sorgen im „urbanharbor“ effizient und bedarfsgerecht für frische Luft.

Trend zu Digitalisierung und Homeoffice

Ziehl-Abegg, internationaler Marktführer für Motoren- und Ventilatorentechnik mit Hauptsitz in Künzelsau, hatte als Zulieferer für die Lebensmittelindustrie oder Krankenhäuser schon vor der Pandemie Produkte im Portfolio, die höchsten Hygieneansprüchen genügen müssen. „Daher konnten und können wir auch in der aktuell besonderen Situation technisch alle Ansprüche befriedigen“, betont Pressesprecher Rainer Grill.

Auch den Digitalisierungstrend kann er bestätigen. „Natürlich spüren wir den Trend zur Digitalisierung und zum Homeoffice. Die Betreiber von Rechenzentren expandieren und benötigen neue Ventilatoren“. Derzeit würden zudem die Bestellungen von Herstellern mobiler raumlufttechnischer Anlagen ansteigen.

Nutzen für Menschen und Tiere

Für Ziehl-Abegg war ein gutes Raumklima schon in Zeiten vor Corona von elementarer Bedeutung. „Wer in einem schlecht belüfteten Raum arbeitet, kann Kopfschmerzen bekommen und unter Konzentrationsschwäche leiden. Waren früher muffige Büros und stinkende Werkshallen eher die Regel, steht nun immer mehr die Qualität der Luft in Gebäuden im Fokus. Eine gute Belüftung treibt natürlich den Umsatz bei Ventilatorenherstellern nach oben, sie nützt aber vor allem den Menschen“, unterstreicht Grill.

Auch in der Landwirtschaft sei die energieeffiziente und geräuscharme Produktpalette von Ziehl-Abegg zunehmend gefragt. „Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere leiden unter schlechter Belüftung oder unpassenden Temperaturen. Daher legen immer mehr Landwirte auch Wert auf moderne raumlufttechnische Anlagen.“

Andreas Scholz