Zoom oder Teams, Präsenz oder online? Nicht nur Tagungsveranstalter fragen sich, wieviele ihrer Kapazitäten künftig noch ausgelastet sein werden. Auch Unternehmen in der Region diskutieren darüber, in welcher Form sie künftig Kongresse und Tagungen buchen wollen. Für viele steht fest: „Digital“ alleine reicht nicht aus.
Mit weit verbreiteter Impfbereitschaft, schwächerer Virusvariante und erprobten Hygienekonzepten kehrt die Frage nach Präsenzveranstaltungen zurück – auch und vor allem für Unternehmen, die vor der Pandemie stark auf persönliche Kontakte gesetzt hatten. Während sich Veranstalter fragen, wieviel Auslastungskapazität sie künftig erwarten dürfen, diskutieren Unternehmen intern die Frage, ob und wie weit sie wieder zu Tagungen und Kongressen zurückkehren können und wollen.
Gesundheit steht für Michaela Lierheimer, Geschäftsführerin der AOK Heilbronn-Franken, an erster Stelle. Deshalb will sie in Sachen Veranstaltung angesichts der dynamischen Pandemielage weiter flexibel bleiben. „Der Begriff Gesundheit ist Teil unseres Eigennamens und als Krankenversicherung haben wir eine besondere Verantwortung für unsere Versicherten, unsere Geschäftspartner und unsere Mitarbeitenden“, sagt Lierheimer. „Wo Präsenzveranstaltungen unter den gegebenen Hygienebedingungen möglich und sinnvoll sind, etwa bei unseren Präventionskursen in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung, führen wird diese so durch. Wir haben aber auch ausgesprochen gute Erfahrungen mit Hybrid- und Onlineveranstaltungen gemacht.“
Die Resonanz der Geschäftspartner der AOK sei durchweg sehr positiv. Gleiches gelte für Veranstaltungen zur Gesundheitspolitik. „Diese digitalen Formate ermöglichen eine unkomplizierte Teilnahme und erreichen so mehr Menschen. Wir werden deshalb diese Möglichkeiten nutzen und, wo sinnvoll, ausbauen“, erklärt Lierheimer.
Persönlicher Austausch wieder im Fokus
Groninger, Maschinenbau-Spezialist für Pharma, Kosmetik und Consumer Healthcare, setzt in Zukunft wieder auf persönliche Kontakte. „Wir wollen und werden wieder Messen in Präsenz veranstalten und besuchen“, sagt Marketingleiterin Lisa Eisenmann. „Das haben wir – zwar eingeschränkt – bereits im vergangenen Jahr getan: Auch im Jahr 2021 waren wir auf verschiedenen Messen, Konferenzen und Kongressen als Aussteller und Besucher vertreten – hauptsächlich in den USA, aber auch in anderen Ländern.“ Der persönliche Kontakt und Austausch mit Kunden und Partnern sei dem Unternehmen immens wichtig, daran habe die Corona-Pandemie nichts geändert. Dennoch will das Unternehmen seine Präsenzveranstaltungen um digitale Konzepte ergänzen und erweitern. „Damit haben wir in der Pandemie bereits sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Eisenmann.
Die Zielgruppe, ob on- oder offline, sei zwar erst einmal dieselbe, die Ansprache aber oft eine andere. „Unsere digitalen Veranstaltungen können wir inhaltlich noch sehr viel stärker auf einzelne Zielgruppen zuschneiden als auf einer Messe, wo die Ansprache oft etwas allgemeiner gehalten ist. Das ergänzt sich hervorragend und wird von unseren Kunden sehr gut angenommen. Schließlich haben auch sie die Vorzüge von digitalen Angeboten zu schätzen gelernt“, erklärt Eisenmann.
Gleichzeitig stelle sie eine gewisse „Sehnsucht nach dem persönlichen Austausch“ fest – „bei unseren Kunden und Partnern, aber natürlich auch bei uns selbst. Es klingt trivial, aber auf uns wirkt es so, als dass der Wert einer Messe jetzt sehr viel mehr geschätzt wird. Besucher nehmen sich oft mehr Zeit und haben in vielen Fällen ein konkretes Projekt oder Anliegen, mit dem sie auf uns zukommen.“ Klassisches Laufpublikum sei aktuell nicht so stark vertreten wie früher.
Konzeptionell geht Groninger daher hauptsächlich optisch neue Wege, mit einem offenen Messekonzept, „sodass man sich als Besucher direkt willkommen und eingeladen fühlt“. Interaktiver soll es werden, Kunden sollen sich ausprobieren können, um sich von den Anlagen und Maschinenlösungen selbst ein Bild machen zu können. „Eine Anlage live und in Farbe zu entdecken ist dann doch etwas anderes, als sie nur digital zu sehen“, sagt Eisenmann. Dennoch bleibt Corona weiter ein Thema: Ein ausgewogenes Hygienekonzept, schnell anpassbar, sei inzwischen Standard. „Und das sollte es auch sein, schließlich stehen der Schutz und die Gesundheit unseres Messepersonals, aber auch unserer Kunden für uns an oberster Stelle“, merkt Eisenmann an.
Vertrauen aufbauen
Für Bernd Rieger, Teamleiter Veranstaltungen und Konferenzservice der Bausparkassen-Tochter Schwäbisch Hall Facility Management (SHF), ist der Fall klar: „Ja, auf jeden Fall kehren wir zu Veranstaltungen in Präsenz zurück. Es besteht hier eine große Nachfrage.“
Fest steht für ihn aber auch: Webkonferenzen oder Telefongespräche sind umweltschonender, sparen Zeit und oftmals auch Kosten. Hierbei gehe es häufig um die bewusste Verpflichtung zu mehr Nachhaltigkeit, also darum, beispielsweise nachhaltige Reiserichtlinien umzusetzen oder persönliche Treffen bewusster einzuplanen, erläutert Rieger. „In Zeiten von Reise- und Kontaktbeschränkungen sind Unternehmen froh, auf Online-Meetings zurückgreifen zu können“, sagt Rieger. „Doch bei der täglichen Nutzung von Online-Meeting-Tools offenbaren sich auch Nachteile.“
Erst physische Begegnungen im realen Leben könnten Vertrauen aufbauen, erhalten oder erneuern. Zwar seien Videokonferenzen durch die Verbindung von Ton und Bewegtbild persönlicher und vertrauensbildender als Telefonate, jedoch gingen dabei Spontaneität, nonverbale Kommunikation und Körpersprache zumindest teilweise verloren.
Deshalb setzt Rieger auch auf hybride Events: „Bereits im vergangenen Jahr haben wir unsere Sicherheits- und Hygienestandards den neuen Anforderungen angepasst sowie die technischen Voraussetzungen im Bereich hybride Events geschaffen. Diese Standards gilt es beizubehalten, weiter aufzubauen und Formate wie ein interaktives Online-Webinar mit Livestream, Chatrooms, Ausstellungs- und Diskussionsräumen weiter umzusetzen und voranzutreiben.“ Tagungen sollen künftig durch hybride Ansätze und Konzepte auch flexibler sein. Die technischen Voraussetzungen dafür rücken immer mehr in den Fokus – „und wer weiß, vielleicht ist auch das Thema Holografie in nicht mehr weiter Zukunft“, spekuliert Rieger.
Falk Enderle