Disziplin und Organisation – damit kann Führung in Teilzeit gut funktionieren, ist sich Petra Boetzer sicher. Sie arbeitet als Abteilungsleiterin bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Innovation ist Tradition in der Personalabteilung.
Mama, ich seh dich so selten!“ Ja, den Satz hat sie schon von ihrer Tochter gehört. So ehrlich ist Petra Boetzer. Er kam aber so selten vor, dass sie ihr System nie geändert hat. Sie ist gern Führungskraft, in den vergangenen Jahren als Teamleiterin, mittlerweile als Abteilungsleiterin bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Genauso gern verbringt sie Zeit mit der Familie. Deswegen arbeitet sie in Teilzeit, 80 Prozent.
„Einen Tag pro Woche habe ich komplett frei“, erklärt sie. „Morgens bleibt Zeit für Termine, nachmittags genießen wir unsere Mutter-Tochter-Zeit.“ Auch ihr Mann arbeitet als Führungskraft in Teilzeit, verbringt zwei Nachmittage zu Hause mit der mittlerweile elfjährigen Tochter. „Organisation ist alles“, so Boetzer. Die Fähigkeit braucht sie nicht nur privat – auch beruflich, sagt sie, sei gute Organisation alles.
Jede dritte Führungsstelle bei der Bausparkasse ist von einer Frau besetzt, jeder zehnte Chef arbeitet in Teilzeit. Und das ist keine neue Errungenschaft. „Das bieten wir seit 30 Jahren an“, erklärt Claudia Klug, Generalbevollmächtigte der Bausparkasse. Damals habee sich ein Ehepaar eine Führungsstelle geteilt. „Beide müssen mit 55 Prozent dabei sein, damit Zeit zur Abstimmung bleibt.“ Eine Doppelspitze könne gut funktionieren, wenn die Mitspieler harmonieren. Teilzeitführung mit Personalverantwortung ist nach Meinung von Boetzer und Klug ab 60 bis 70 Prozent sinnvoll.
160 Mitarbeiter führt Petra Boetzer. „Die Teilzeitarbeit erfordert Disziplin und Organisation“, erklärt sie. „Ich delegiere nicht nur Verantwortung, sondern auch Entscheidungen. Mir muss bewusst sein, dass ich nicht bei allem involviert bin und dass das auch ok so ist.“ Vertrauen in ihre Mitarbeiter sei der Schlüssel.
Vorbild für junge
Für viele junge Mitarbeiterinnen ist sie ein Vorbild, was alles möglich ist. „Viele junge Frauen belegen sehr ehrgeizig und in Wahnsinnstempo verschiedenste Weiterbildungen“, erzählt Petra Boetzer aus ihrer Erfahrung. „Die stehen dann gut ausgebildet theoretisch dem Arbeitsmarkt Führung zur Verfügung. Es ist ein großer Fehler, wenn Unternehmen diesen Kräften keine Möglichkeiten bieten können.“
Was sagen die Mitarbeiter zur Chefin in Teilzeit? „Ein Tag in der Woche ist zu stemmen, das muss organisiert werden und es braucht Transparenz“, erklärt Siegfried Krahl, der seit Januar in Boetzers Team arbeitet. „Wichtig sind klare Vertretungsregeln. Die haben wir.“ Er merke keine Beeinträchtigung, ihre Abwesenheit ließe sich gut im Voraus planen. Eine Urlaubsvertretung zu organisieren sei stressiger. „Das Wissen, dass ich auch an meinem freien Tag erreichbar bin, hilft dem Team“, glaubt Boetzer.
Nicht alle sehen Führung in Teilzeit unproblematisch, das Denken einiger sei geprägt von einem klassischen Rollenbild, von der Präsenzkultur, wie Klug berichtet. „Aber wir sind stark daran interessiert unsere Mitarbeiter zu binden, auch durch Telearbeit und andere Möglichkeiten.“
„Wollte nie der bessere Mann sein“
Moderne Personalarbeitsinstrumente haben eine lange Tradition bei der Bausparkasse. „In den 60er Jahren hatten wir enormes Wachstum, es war wichtig, auch Frauen als Arbeitskräfte zu halten“, erklärt Pressesprecher Sebastian Flaith. In diesem Zuge sei unter anderem der Kindergarten entstanden. Die Frauenquote im Unternehmen hält sich konstant bei rund 60 Prozent, auf Führungsebene sind es mittlerweile 30 Prozent. „Das ist schon gut, aber es ändert sich zu langsam“, findet Claudia Klug. Dabei liegt die Verantwortung nicht allein bei den Männern. Frauen seien oftmals zu zögerlich. Vielen haftet der Gedanke an, sie müssten erst alles können, um eine Führungsposition zu übernehmen, Männer seien da mutiger.
Welche Eigenschaften haben Petra Boetzer geholfen? „Ich wollte nie der bessere Mann sein“, sagt sie. „Aber ich war schon immer ein Kämpfer.“ Neben einer gesunden Durchsetzungsstärke, Selbstbewusstsein und Liebe für Menschen hat sie während ihres Berufslebens einen guten Umgang mit Stress gelernt und sich auch eine positive Distanz zu Themen aufgebaut.
Arbeitswelt der Zukunft
„Frauen sind wertvoll in Teams“, findet Claudia Klug. Durchmischte Teams decken unterschiedliche Kompetenzen ab, verschiedene Sichtweisen und Lösungswege werden zusammengeführt. Das mache die Zusammenarbeit reicher. „Ich bin für eine Frauenquote – als Übergangslösung“, sagt sie. Durch heterogene Gruppen, durch mehr Frauen, durch mehr Teilzeitführungskräfte, biete sich die Möglichkeit, alte Strukturen und Verhaltensweisen aufzubrechen. „Ich muss mich fragen, welche Arbeitswelt der Zukunft ich haben will und muss“, so Klug. Sie ist sich sicher, dass andere Unternehmen in die gleiche Richtung gehen müssen mit Digitalisierung und Fachkräftemangel im Nacken.
Denise Fiedler