Mehr Frauen im Vorstand großer Unternehmen

Frau sitzt mit anderen Menschen am Kopf eines Tisches in einem Meeting
Wenn es eine Frau in den Vorstand schafft, bleibt sie in den meisten Fällen die einzige. Foto: AdobeStock/fizke

Der Frauenanteil in den Vorständen der Privatwirtschaft ist 2023 wieder leicht gestiegen. Laut DIW Managerinnen-Barometer betrug er im Spätherbst 2023 in den 200 umsatzstärksten Unternehmen (Top-200) in Deutschland rund 18 Prozent. Das sind etwa zwei Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor.

Sogar noch etwas höher lag der Anteil der Vorständinnen mit 23 Prozent in den 40 größten börsennotierten Unternehmen (DAX-40). Banken und Versicherungen konnten gegenüber den anderen Unternehmen Boden gut machen und sich auf knapp 17 beziehungsweise gut 18 Prozent verbessern. Aus dem neuesten Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) geht darüber hinaus hervor, dass in den vergangenen Jahren zwar immer mehr Unternehmen erstmals eine Frau in ihren Vorstand berufen haben – es offenbar aber zumindest meistens auch erst einmal dabei belassen. An den Vorstandsspitzen kommen Frauen inzwischen sogar vielerorts noch seltener zum Zug als vor einigen Jahren: In der Top-200-Gruppe etwa gab es im vierten Quartal 2023 nur noch neun Frauen als Vorstandsvorsitzende – der zweite Rückgang in Folge.

Nie mehr als 40 Prozent im Aufsichtsrat

„Von wenigen Ausnahmen abgesehen steigt die Zahl der Frauen in Spitzengremien großer Unternehmen seit geraumer Zeit Jahr für Jahr – mal mehr, mal weniger stark. Unter dem Strich sind Frauen aber weiter klar unterrepräsentiert“, resümiert Virginia Sondergeld, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin. In den Aufsichtsräten der untersuchten Unternehmensgruppen liegt der Frauenanteil zwar durchgehend höher als in den Vorständen, übersteigt aber nirgends die 40-Prozent-Marke.

Sowohl die Geschlechterquote für Aufsichtsräte, die derzeit für etwa 100 Unternehmen gilt, als auch die Mindestbeteiligung für Vorstände, an die sich gut 60 Unternehmen halten müssen, wirkt. „Mit Blick auf die Vorstandsebene zeigt sich aber auch: Viele Unternehmen tun offenbar nicht viel mehr, als sie müssen“, sagt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin.

Grafik zum Frauenanteil in Vorständen

Top-200-Unternehmen oft mit nur einer Vorständin

Zwar erfüllen die Unternehmen, die der Mindestbeteiligung unterliegen, nach und nach die gesetzliche Vorgabe. In der Top-200-Gruppe, in der die Mehrheit der Unternehmen nicht an das Mindestbeteiligungsgebot gebunden ist, hat aber immer noch fast jedes zweite Unternehmen keine einzige Frau im Vorstand. Wenn es eine Vorständin gibt, ist sie meist allein auf weiter Flur: In fast 85 Prozent der Unternehmen gibt es höchstens eine Frau im Vorstand.

„Die Gefahr dabei ist, dass sich schleichend die Zielgröße von einer Frau im Vorstand als neue soziale Norm etabliert“, warnt Anja Kirsch, Professorin für Gender, Governance und internationales Management an der Freien Universität Berlin. „Das wäre zwar schon ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Zielgröße von null Frauen im Vorstand, die sich viele Unternehmen noch vor nicht allzu langer Zeit gesetzt haben. Die Mindestbeteiligung wörtlich zu nehmen und Frauen tatsächlich nur im Mindestmaß an Vorstandsposten zu beteiligen, kann aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein.“

Einfluss auf Gender Pay Gap

Welchen Einfluss Frauen in Führungspositionen insbesondere auf die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter haben können, zeigt eine zweite Studie im Rahmen des diesjährigen DIW Managerinnen-Barometers: Auf Basis von Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lässt sich belegen, dass mit mehr Frauen auf der ersten und zweiten Führungsebene eines Unternehmens der Gender Pay Gap — also der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern — unter den Beschäftigten sinkt. Besonders groß ist der Effekt, wenn mehr Frauen auf die zweite Führungsebene kommen. Der Gender Pay Gap, der in Deutschland zuletzt immer noch 18 Prozent betrug, fällt dann im Vergleich zu Unternehmen ohne Frauen auf dieser Führungsebene um mehrere Prozentpunkte kleiner aus.

Auf der obersten Führungsebene braucht es hingegen offenbar mindestens ein Drittel Frauen, bis sich vergleichbare Effekte auf den Gender Pay Gap einstellen. „Wenn man bedenkt, dass nach wie vor fast drei Viertel aller Beschäftigten in Deutschland in Betrieben ohne Frauen auf der obersten Führungsebene arbeiten, lässt sich erahnen, wie viel Potenzial für einen deutlich geringeren Gender Pay Gap hier noch brachliegt“, so Sondergeld.

Schlüsselrolle des Aufsichtsrats

Damit es schneller voran geht, sind den Autorinnen des Managerinnen-Barometers zufolge in erster Linie die Unternehmen gefordert. Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem Aufsichtsrat zu: Er kann vom Vorstand verlangen, durch Maßnahmen bei der Personalentwicklung sicherzustellen, dass es auf dem unternehmensinternen Arbeitsmarkt mittelfristig genügend potenzielle Vorständinnen gibt. Von externen Personalberatungsunternehmen, die an Vorstandsbesetzungen beteiligt sind, kann der Aufsichtsrat wiederum verlangen, dass sie gezielt Frauen suchen. „Letztlich kommt es aber darauf an“, so Wrohlich, „dass alle an einem Strang ziehen.“

red.