Es herrscht Vollbeschäftigung, die Wirtschaft boomt. Bei solchen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt kann der Arbeitnehmer entscheiden, wo er am liebsten seine Brötchen verdienen möchte. Für Unternehmen heißt das: je attraktiver, desto besser. Denn nur so haben sie eine Chance beim Kampf um die besten Köpfe. Das Zauberwort heißt dabei häufig: familienfreundlich.
Ob alleinerziehend oder verheiratet: Für viele Frauen und auch immer mehr Männer wird es zunehmend schwieriger, Familienleben und Beruf zu vereinen. Glücklicherweise gibt es immer mehr Unternehmen, für die der Begriff Familienfreundlichkeit nicht nur eine Floskel ist.
So hat die Diakoniestation Heilbronn im vergangenen Jahr die Auszeichnung „Prädikat Familienbewusstes Unternehmen“ erhalten. Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, die Arbeitgeber Baden-Württemberg und der Landesfamilienrat Baden-Württemberg vergeben das Prädikat im Rahmen des Projekts „familyNET“ alle zwei Jahre. Gerald Bürkert, Geschäftsführer der Diakoniestation, hat sich aktiv um die Auszeichnung beworben.
Und das hat einen Grund: „Familie und Job unter einen Hut zu bringen, ist oft schwer“, sagt er. Als Leiter eines mittelständischen Betriebs möchte er es seinen Mitarbeitern ermöglichen, ihren familiären Ansprüchen gerecht zu werden. „Das Leben besteht nicht nur aus dem beruflichen, sondern auch dem privaten Leben. Und auch wer alleinstehend ist, habe eine Familie“, begründet er. Manche müssten sich beispielsweise um Eltern oder die Geschwister kümmern.“ In der Diakoniestation werden unter anderem flexible Arbeitszeiten angeboten, sodass etwa Mütter die Zeit haben, ihre Kinder in Tagesstätten zu bringen.
Um allen Mitarbeitern bestmöglich gerecht zu werden, tragen sie in ein Wunschbuch ein, zu welchen Zeiten sie gern arbeiten und Urlaub nehmen möchten. Die Wünsche werden nach Möglichkeit natürlich auch umgesetzt. Geht etwa die Waschmaschine kaputt, und man hat gerade kein Geld für Ersatz, kann man in solchen Situationen eine Vorschusszahlung bekommen. Mitarbeiter, die zu den Klienten fahren, können die Firmenfahrzeuge schon abends mitnehmen, um am nächsten Morgen direkt zum Einsatzort zu fahren – das spart Zeit. „Es gibt aber schon manchmal Grenzen“, gibt Bürkert zu.
Auch bei der Firma Bosch wird das Thema Familienfreundlichkeit großgeschrieben. „Es war dem Gründer Robert Bosch schon immer wichtig, seinen Mitarbeitenden faire Arbeitsbedingungen zu bieten“, sagt Sylvia Stiasny, Gruppenleiterin im Bereich Recruiting und Nachwuchsprogramme bei Chassis Systems Control in Abstatt. Dazu gehören heute auch familienfreundliche Rahmenbedingungen. „Es ist uns wichtig, dass die Mitarbeiter motiviert dabei sind. Das geht nur, wenn sie zum Beispiel ihre Kinder gut versorgt wissen“, erklärt sie. „Natürlich erreichen wir damit auch eine Bindung an das Unternehmen.“ Da dies Bosch schon lange wichtig ist, sieht das Unternehmen durchaus auch einen Vorteil gegenüber anderen Betrieben, die sich in Sachen Familienfreundlichkeit erst noch etablieren und einen Namen machen müssen.
„Wir haben flexible Arbeitszeitmodelle“, erzählt Stiasny. „So können wir individuell auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen und bei Bedarf auch ad hoc reagieren, wenn etwa kurzfristig in der Familie jemand erkrankt.“ Mobiles Arbeiten (Homeoffice) bietet das Unternehmen seinen Mitarbeitern ebenfalls an. „Und es ist möglich, Führungspositionen in Teilzeit innezuhaben sowie auf Wunsch auch mal ein Sabbatical zu machen, sich also eine Auszeit zu nehmen“, sagt Stiasny. Die Elternzeit werde sowohl von Müttern als auch von Vätern gut angenommen, sagt die Gruppenleiterin.
Bosch bietet auch Kinderbetreuung für Mitarbeiter an. „Wir haben eine Kooperationsvereinbarung mit der Gemeinde Abstatt.“ Es stehen bei einer Kindertagesstätte Betreuungsplätze für Mädchen und Jungen von sechs Monaten bis zum Schulalter zur Verfügung. In den Pfingst- und Sommerferien bietet der Standort in Abstatt eine Ferienbetreuung an, bei der die Kinder im Alter von fünf bis 13 Jahren mit vielfältigen Angeboten beschäftigt werden. „Wir haben außerdem ein Sommerfest, bei dem die ganze Familie eingeladen ist.“
Im kommenden Jahr läuft das Prädikat von „familyNet“ ab. Gerald Bürkert möchte sich erneut dafür bewerben, schließlich sei es auch ein Ansporn, sich zu überlegen, was man noch besser machen oder wie man flexibler werden kann. „Uns ist es sehr wichtig, die Mitarbeiter als ganzheitliche Kollegen wahrzunehmen.“
Tanja Capuana