Wohnungsstile sind ganz unterschiedlich. Aber was genau macht sie aus? Dem PROMAGAZIN wurden Blicke in zwei Wohnungen gewährt.
Für Ingeborg Dahmen ist ihre Wohnung ein wichtiger Rückzugsort. Damit er das sein kann, ist sie stets damit beschäftigt, sie zu verändern und anzupassen. Das Sofa ist eigentlich zu groß. Der Tisch auch. Dahmen bevorzugt wendige Möbelstücke. Einst hat sie zirka alle zwei Monate die Wohnung umgeräumt, mittlerweile beschränkt sie sich auf einmal jährlich. Das Nest der Lehrerin ist ständig in Veränderung. Je nach Stimmung werden die Dinge umgestaltet. Viele kleine Plätze entstehen so in der Wohnung, die Erinnerungen und Gedanken animieren: eine offene, beschriebene Karte mit einem Liebesgedicht, eine selbst modellierte Bärenfamilie – ein Geschenk von Schülern, Federn, eine Kette, Steine, ein beleuchtetes Bild.
Die Wohnung ist durchweg in warmen Farben gehalten. Orange und Rosa sind die Wände, alles selbst gestrichen mit einer eigenen Verwischtechnik. „Mit Farben habe ich es ganz stark“, sagt sie und erinnert sich daran, als sie einen Ausflug zum Blautopf – einem strahlend blauen See bei Ulm – machte. Dieses Blau und ein blaues Bild aus dem Buch „Die schöne Lau“ von Eduard Mörike inspirierten sie. Sie hätte gerne ein riesiges Wandbild gemalt, nur leider ist dafür kein Platz.
Alles ist sauber und aufgeräumt. Nicht immer sieht es so aus. Meist liegen ihre Sachen gerade so kreuz und quer rum. Absichtlich. „Es ist eine Art Inspiration für mich“, sagt sie. So fallen ihr mit den Dingen, die um sie herum sind, oftmals Themen für den Unterricht ein. Sie ist Klassenlehrerin an der Waldorfschule. Neben dem Sofa steht ein großer Korb, darin sind viele Weihnachtskarten und Geschenke. Gaben ihrer Schüler vor den Weihnachtsferien. Alles steht absichtlich dort, wo es steht. Um es zu sehen, in die Hand zu nehmen, dann wegzuräumen und etwas Aktuelleres an die Stelle zu tun.
„Die Wohnung ist für mich Heilungs- und Rückzugsort“, sagt die 60-Jährige, die in Schwäbisch Hall wohnt. Sie weiß, an welcher Stelle zu welcher Zeit die Sonne in die Wohnung scheint und richtet ihre Wohlfühlplätze danach aus. Morgens fällt sie an ihren Frühstücksplatz. Wenn Dahmen aus der Schule kommt, wartet das Sofa. Immer liegt ein Buch in der Nähe. Heute steht ein Korb voller Mandarinen und Erdnüsse darauf. Ihr Geschirr ist nicht irgendeins. Viele verschiedene kleine Einheiten von Teller, Tassen, Krügen bilden das große, bunte Ganze im hölzernen Vitrinenschrank. „An den Krügen konnte ich nicht vorbei.“ Weiße Töpferware mit roten Herzchen. Aber wenn sie abends ihren kleinen alten Fernseher hinter dem Vorhang rausholt, schaut sie Krimis. Ein Stil hat viele Gesichter.
Ganz individuell
„Unser Stil ist, dass es keinen Stil gibt“, sagt Tilmann Kaul. Er kocht Espresso und schäumt Milch auf, die er aus einem knallgelben Kühlschrank holt. „Boffi“ steht darauf – ein Designerteil und Erbstück. Ein Onkel wollte ihn wegwerfen. Seit fünf Jahren leben Tilmann Kaul und Yvonne Ruopp in dem alten Haus in der Ortsmitte Gailenkirchens. Bei der Entscheidung dafür waren sie sich einig. Obwohl ihnen ein moderneres Haus im Bauhaus-Stil noch ein kleines bisschen besser gefallen hätte. Aber das gibt es nur in Neubausiedlungen und die wollte das Paar vermeiden. Nun leben sie inmitten von Fachwerk auf drei Ebenen und folgen dem Stil, den das Haus vorgibt.
Es steht sowohl der bemalte Bauernschrank im Flur, als auch der Bauhaus-Schreibtisch im Arbeitszimmer. Küchentisch und Stühle sind im Landhausstil und daneben räkelt sich Katze Karla auf einem modernen, grauen Chaiselongue. Davor liegt ein Teppich mit Blumen. „Den hätte ich mir zum Beispiel nie ausgesucht“, sagt Kaul. Ebenso spricht Ruopp über das rote Ledersofa, das im Wohnzimmer in der Mitte des Raumes steht – und nun auch zu einem ihrer Lieblingsplätze geworden ist. Vor dem Sofa lässt sich eine Leinwand runter fahren. Einen Fernseher haben die beiden nicht, aber eine große DVD-Sammlung.
Möbel und Gegenstände – fast alles im Haus hat seine Geschichte. Der Geschirrschrank in der Küchenecke ist eine Erinnerung an das Kaul‘sche Elternhaus, ebenso die Eckbank, die beide eigentlich hässlich finden, aber sie ist halt praktisch und bequem.
Das Haus ist aufgeräumt aber durchaus nicht so, dass man nicht erkennen kann, dass hier gelebt wird. Die beiden nehmen es lässig und wenn Besuch kommt, machen sie sich nicht mit Putzen verrückt. Klinisch rein mögen es beide nicht. „Wenn ich sauber mache, dann kann das schon mal ein paar Stunden dauern“, sagt der 47-Jährige, der bei der Bausparkasse arbeitet, „Den Staubsauger habe ich entsorgt, ich mag den Lärm nicht. So kann ich Musik beim Putzen hören und zelebriere das Gefühl mein Haus zu pflegen.“ Yvonne Ruopp ist 39 Jahre alt und Kunstlehrerin. Selbst angefertigte Bilder oder Skulpturen lässt sie meist irgendwo liegen bis ihr Freund dafür sorgt, dass es im Haus zur Geltung kommt. Typisch für die beiden sei, dass die Fahrräder mit ins Haus genommen werden und im Flur stehen. Weil sie Radfahren und ihre Räder lieben.
Der Stil des Hauses ist nicht nur eine Geschmacksfrage, sondern auch Ergebnis aus dem Leben und der Persönlichkeit der Menschen, die darin wohnen. Nur dann kann es Heimat sein.
Sonja Alexa Schmitz