Neuer Kundennutzen durch Datenverwertung

Dr. Oliver Niehörster, Leiter der Abteilung „Maschinelle Intelligenz“ am Fraunhofer-Institut in Lemgo, Hans-Dieter Tenhaef, geschäftsführender Gesellschafter der MIT – Moderne Industrietechnik GmbH & Co. KG und Vorstandssprecher des Netzwerks „OWL Maschinenbau“, Professor Dr. Tobias Schäfers vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und Professor Dr. Jürgen Jasperneite, Direktor des Lemgoer Fraunhofer-Instituts. Foto: Fraunhofer IOSB-INA

Datenbasierte Wertschöpfungsketten gewinnen zunehmend an Bedeutung, weil in automatisierten industriellen Produktionsumgebungen immer mehr Daten gewonnen werden. Damit insbesondere mittelständische Unternehmen zukünftig mehr Nutzen aus diesen Daten generieren können – etwa mit der Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) und über neue Geschäftsmodelle – wurde am Fraunhofer-Institut in Lemgo ein neuer Forschungszweig gegründet.

„Für die wachsenden Datenmengen im Rahmen automatisierter und KI-unterstützter industrieller Produktion gibt es bisher kaum wirtschaftlich nachhaltige Verwendung“, sagt Professor Dr.-Ing. Jürgen Jasperneite, Direktor des Fraunhofer-Instituts in Lemgo. So entstand die Idee für einen neuen Forschungszweig. Mit an Bord ist Professor Dr. Tobias Schäfers vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL). „Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit dem Wandel von produktzentrierten zu dienstleistungsbasierten Geschäftsmodellen“, sagt Schäfers. In der Kombination verschiedener technischer und betriebswirtschaftlicher Blickwinkel liege viel Potenzial, von dem mittelständische Unternehmen profitieren können.

„Es ist heute ja so, dass wir mit Technologie schon sehr viel erreichen können“, sagt Jasperneite. Mit Automation und KI ließen sich Geschäftsprozesse sehr gut optimieren. „Aber es gibt bis heute im Mittelstand keine wirklich klare Perspektive, was Unternehmen mit den Daten geschäftsmäßig machen können.“ Die Fragestellungen, mit denen er und sein Team am Fraunhofer-Institut in Lemgo zu tun hätten, kommen aus der technologischen Richtung. „Mit der ergänzenden betriebswirtschaftlichen Sichtweise schließen wir eine Wissenslücke in ganz Deutschland“, ist sich Jasperneite sicher. „Bei uns Wirtschaftswissenschaftlern ist es genau umgekehrt“, ergänzt Schäfers. Es sei bereits viel aus der Technik heraus entwickelt worden. Auch gäbe es zahlreiche Methoden zur Erschließung neuer Geschäftsfelder. „Aber aus einer technologischen Fragestellung entwickelt sich nicht automatisch ein Angebot, das auch aus Kundensicht sinnvoll ist und für das eine Zahlungsbereitschaft besteht“, erläutert Schäfers.

Wichtig sei den Technikern des Fraunhofer-Instituts und den Wirtschaftswissenschaftlern der TH OWL das wissenschaftlich fundierte Vorgehen. „Wir arbeiten individuell mit Partnerunternehmen, beispielsweise in Workshops, in denen wir zum Teil Menschen zueinander bringen, die im operativen Tagesgeschäft oft zu wenig gemeinsam eine strategische Perspektive einnehmen: Produktions- und Vertriebsleiter, Einkäufer und die Unternehmensführung. Im Grunde koppeln wir Technologie und Change-Management aneinander. Dabei bieten wir in einem ersten Schritt gut erprobte Technologiebausteine an und finden dann in den Workshops heraus, was von den anfallenden Daten für wen im Unternehmen oder auf Kundenseite von Nutzen ist“, stellt Jasperneite klar.

Der neue Forschungsansatz kommt bei den Praktikern gut an. Einer, der sicher ist, dass das Projekt für alle Unternehmen von großem Nutzen sein kann, ist Hans-Dieter Tenhaef. Der geschäftsführende Gesellschafter der MIT – Moderne Industrietechnik GmbH & Co. KG und Vorstandssprecher des Netzwerks „OWL Maschinenbau“ kennt das Problem nur zu gut. „Wir liefern Systemarmaturen für die Industrie, bauen zum Teil individuelle Lösungen für Abfüll- und Dosiereinrichtungen. Und selbstverständlich fallen etwa bei Pumpenlöschanlagen ständig jede Menge Daten über Druck, Temperaturen und Weiteres an, die wir zwar für die Optimierung unserer Kundenlösungen einsetzen, aber derzeit nicht als Grundlage für eigene Geschäftsmodelle nutzen“, sagt Tenhaef. Dabei sei ihm auch klar, dass er sich nach neuen Geschäftsfeldern umschauen müsse: „Schwerpunktmäßig blasen wir PET-Flaschen auf und befüllen diese. Da weiß man ja auch nicht, ob das angesichts der Klima- und Nachhaltigkeitsdebatten in zwei, drei Jahren als Geschäftsmodell überhaupt noch funktioniert.“

Für Wirtschaftswissenschaftler Schäfers liegt hier ein Kernproblem der modernen industriellen Produktion: „Derartige Daten könnten eine Grundlage für kundenindividuelle oder auch übergreifende Dienstleistungen darstellen, etwa im Bereich der Artung oder der Produktionsoptimierung. Dieses umzusetzen erfordert aber neben der Technologie auch organisatorische Fragen, etwa bei der Gestaltung der Vertriebswege, und zum Teil völlig andere Preismodelle.“

Dr. Oliver Niehörster, der bei Fraunhofer die Abteilung „Maschinelle Intelligenz“ leitet und sich bereits seit Jahren mit Data Science und KI in der Produktion beschäftigt, pflichtet Schäfers bei: „Was könnte man mit den Daten alles machen, wenn die dafür notwendigen Kompetenzen in den Unternehmen vorhanden wären. Aber es fehlen oft Kompetenzen und Vertriebsstrukturen. Allerdings haben die Unternehmen, die mit uns zusammenarbeiten, schon längst erkannt, wie viel eine regelmäßige interdisziplinäre Kommunikation bewirken kann. Wir freuen uns darauf, durch unsere neue Forschungsgruppe zahlreiche Mittelständler dabei zu unterstützen, Kundennutzen durch Daten zu erzeugen.“

red.