Papier statt Plastik?

Beim Einkaufen auf Papiertüten zu setzen, ist einfach. Bei Produktverpackungen ist die Lage komplexer. Foto: Adobe Stock/YesPhotographers

Plastik ist angezählt: Bereits vor dem EU-Verbot von Einwegplastik begann die Verpackungsindustrie nach Alternativen zu suchen. Eine davon: Papier. Doch auch hier ergeben sich Schwierigkeiten, denn der nachwachsende Rohstoff ist derzeit teuer und auch nicht so oft recycelbar wie sein aus Erdöl gefertigter Konkurrent.

Der Müllberg wächst: Zwischen 2015 und 2017 produzierte Deutschland laut Umweltbundesamt 6,15 Millionen Tonnen Plastikmüll. Diese Zahl soll schrumpfen, auch mithilfe der EU-Verordnung, die seit 2021 in Deutschland umgesetzt wird. Trinkhalme, Bestecke, Menüverpackungen aus Plastik oder Polystyrol dürfen seit Juli vergangenen Jahres nicht mehr verkauft werden. Seither boomt die Papierverpackung. Ob sie jedoch in jedem Fall das richtige Mittel der Wahl ist, ist fraglich.

Bei Optima in Schwäbisch Hall ist man überzeugt, dass es nicht das eine perfekt nachhaltige Packmaterial gibt. „Es muss immer im Einzelfall geprüft werden. Papier kann jedoch in vielen Anwendungsfällen die richtige Lösung sein“, sagt Dominik Bröllochs, Group Sustainability Manager der Optima Packaging Group. Dies gelte jedoch nur für vollständig recycelbare Papierverpackungen ohne Kunststoffbeschichtungen und ohne Füllstoffe.

„Gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern entwickeln wir Verpackungs-lösungen, die eine funktionierende Kreislaufwirtschaft nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip ermöglichen. Wir verpacken zum Beispiel in einem Kundenprojekt Babywindeln in Papier.“ Recycling nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip bedeutet, dass das Material ohne Qualitätsverlust immer wieder für dasselbe Produkt wiederverwendet werden kann. „Vor allem im Bereich der Kunststoffverpackungen ist das noch besser möglich, da Kunststoff mehr Lebenszyklen im Vergleich zu Papier ermöglicht“, stellt Bröllochs fest.

Wiederverwenden, so oft es geht

Auch Illig Maschinenbau in Heilbronn denkt zirkulär und entwickelt Verpackungen so, dass sie oft wiederverwendet werden könnten: „Die jüngsten sich bereits im Handel befindlichen Lebensmittelverpackungen aus über 50 Prozent reduziertem Kunststoffeinsatz mit Kartonummantelung der Marke I-PACK sind ein Ergebnis dieser Entwicklungsarbeit“, erläutert Wolfgang Konrad, Leiter der Unternehmenskommunikation von Illig Maschinenbau.

Dazu gehören auch Kartonverpackungen, zum Beispiel für Zahnbürsten. „Durch die Umstellung auf Kartonblisterverpackungen werden somit jährlich über 444 Tonnen Kunststoff eingespart“, sagt Konrad.

Die Vorteile von Papier liegen auf der Hand: Der Rohstoff ist nachhaltig nachwachsend und kann zu 100 Prozent recycelt werden. „Papier bietet im Verpackungsbereich eine gute Schutzfunktion des Produktes vornehmlich im Nonfood-Bereich und ist somit für viele Verpackungsformen geeignet“, erläutert Konrad von Illig.

Noch nicht geeignet für empfindliche Produkte

Die Herausforderungen hierbei sind „die Formbarkeit und die Barriereeigenschaften von Papier“, sagt Bröllochs von Optima. „Deshalb ist Papier aktuell für viele empfindliche und leicht verderbliche Produkte wie Milchprodukte oder flüssige Pharmazeutika noch nicht die richtige Wahl. Hier sind Kunststoffe oder Glas weiterhin unabdingbar.“

Auch das Klima spiele eine entscheidende Rolle: Um auch in Gegenden mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit den Produktschutz zu gewährleisten, benötigen Hygieneprodukte dort eine Kunststoffverpackung. „Im Vergleich zu Kunststoffalternativen sind Papierverpackungen bei gleicher Reißfestigkeit zudem bis zu doppelt so schwer, bieten im direkten Vergleich nur einen geringen Produktschutz und benötigen für die Herstellung deutlich mehr Energie, Wasser und dazu Chemikalien“, ergänzt Wolfgang Konrad.

Zudem obliege es länderspezifischen gesetzlichen Vorgaben, bis zu welchem Modifizierungsgrad Papier noch als Papier gilt und in den Wertstoffkreislauf eingebracht werden darf und kann.

Lebenszyklus analysieren

Für Illig Maschinenbau kommt es auch auf die Herstellungstechnologie an: „Optimierte Verpackungen können den Einsatz von Rohstoffen insgesamt reduzieren und ein Recycling erst ermöglichen“, sagt Konrad. Nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gelten somit auch kombinierte Verpackungsmaterialien aus Papier und Plastik als nachhaltig, die zu 100 Prozent und ohne Qualitätsverlust wiederverwertet werden können, wenn sie eine einfache Trennung in reine Monomaterialien ermöglichen.

Entscheidend ist auch, ob das Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt, bei Kunststoff, ob dieser recycelbar ist oder nur verbrannt werden kann. Dies zeigt eine Analyse des Lebenszyklus auf, der auch den CO2-Ausstoß berücksichtigt. Im direkten Vergleich stellt sich heraus, dass Kunststoffverpackungen in vielen Fällen die sinnvollere Wahl sind.

„Dies sollte aber nicht der einzige Bewertungsaspekt sein“, schränkt Dominik Bröllochs von Optima ein. „Gerade bei Verpackungen, die Gefahr laufen, dass diese relativ häufig unbeabsichtigt oder beabsichtigt in die Umwelt gelangen, ist eine biologisch abbaubare Papierverpackung die bessere Wahl.“

Hohe Preise

Aktuell macht der papierverarbeitenden Industrie der hohe Papierpreis zu schaffen. So haben sich die Großhandelspreise für gemischtes Altpapier im September 2021 gegenüber Vorjahresmonat mehr als verdreifacht, meldete das Statistische Bundesamt.

Auch die Erzeugerpreise für Verpackungspapiere und -pappen hätten deutlich angezogen. Den hohen Preis teilt sich Papier jedoch derzeit mit Kunststoff-Rezyklat – auch hier hat sich die Nachfrage deutlich erhöht. Die Verpackungsbranche spürt den Preisdruck.

Falk Enderle