Planung gegen den Kollaps

Die staatlichen Investitionen in den Ausbau von Straßen und Schienen sind seit den 1990ern deutlich zurückgegangen, der Verkehr nahm aber gleichzeitig stark zu. Nun soll eine Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) beim Ausbau der A6 helfen.

Ein relativ kleiner Unfall im November vor Bad Rappenau sorgte mal wieder für ein Verkehrschaos: Über fünf Stunden ging nichts mehr am Weinsberger Kreuz, Stillstand auf der Autobahn und dafür reger Lkw-Verkehr auf den Ausweichstraßen über Land. Für Heilbronn, unlängst unter den Top-Staustädten Deutschlands gelandet, leider kein seltenes Bild. Der Ausbau der A6 ist seit Langem überfällig.

Günstiger und schneller soll nach Aussage der Befürworter der Ausbau Richtung Bayern dank der ÖPP werden, wenn die ersten Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sind und Baurecht geschaffen wurde. Die Realität sieht bei früheren Projekten nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes aber anders aus. Die Kosten für fünf untersuchte ÖPP-Projekte seien 1,9 Milliarden Euro teurer als beim herkömmlichen Ausbau, warnt der Rechnungshof. Bereits seit Jahren ist der ÖPP-Betreiber der A1 in Schieflage und eine Pleite könnte für den Steuerzahler teuer werden: Nach Angaben der Betreiber blieben die geplanten Erlöse aus der Lkw-Maut aus, das Konsortium hat Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht.

Beim Ausbau der A6 nach Wiesloch ist ein neues ÖPP-Projekt bereits in vollem Gange, bezahlt wird dabei nach Verfügbarkeit. Das bedeutet, gibt es Baustellen mit Fahrbahnverengungen, erhalten die Betreiber auch weniger von den Maut-Einnahmen. Ein dreispuriger Ausbau ist das Ziel von „ViA6West“, der auch die Brückenneubauten beinhaltet. Gerade entsteht neben der Neckartalbrücke das neue Bauwerk, nachdem die alte Brücke durch Freigabe der Standspuren für Lkw vorzeitig baufällig wurde.

Neben dem Neubau der Neckartalbrücke realisiert „ViA6West“ 79 Brücken, Über- und Unterführungen, Durchlässe, Lärmschutzwände und Regenrückhaltebecken. Der Betriebsbeginn für das Projekt war im Mai 2017, die Fertigstellung soll im Sommer 2022 erfolgen. Die Kosten werden auf 1,3 Milliarden Euro beziffert, dafür ist die Firma 30 Jahre lang an den Maut-Einnahmen beteiligt. Die Finanzierung setzt sich zusammen aus Eigenkapital der privaten Partner und Fremdkapital internationaler Banken, einem Kredit der Europäischen Investitionsbank sowie einer Anschubfinanzierung in Höhe von 320 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt.

„Seit der durchgehenden Eröffnung im Jahr 1979 verdreifachte sich der Verkehr, der Schwerverkehr nahm sogar um das Vierfache zu. Der heutige Querschnitt mit nur zwei Fahrstreifen plus Standstreifen kann diese hohe Verkehrsbelastung nicht mehr aufnehmen“, stellt das Regierungspräsidium in seiner Projektbeschreibung zur A6 nach Bayern fest, die im Sommer in der Öhringer „Kultura“ vorgestellt wurde. Deshalb sei im Bundesfernstraßenausbaugesetz der sechsstreifige Ausbau mit Standstreifen der gesamten Strecke vorgesehen, von Weinsberg bis Kupferzell im „vordringlichen Bedarf“ und von Kupferzell bis zur Landesgrenze im „weiteren Bedarf“.

Kritiker des ÖPP-Modells fordern nach den jüngsten Erfahrungen bei der A1 eine Wirtschaftlichkeitsanalyse über Vor- und Nachteile einer ÖPP. Dann muss das Projekt europaweit ausgeschrieben werden, was zusätzlich Zeit in Anspruch nimmt.

Uwe Deecke