„AI auf einem Quantencomputer ist AI on steroids“

Quantencomputing
Beeindruckende Zahlen, aber auch den Appell, nicht länger zu warten, sondern zu handeln, hat Quantenphysiker Markus Pflitsch für sein Publikum beim Gipfeltreffen. Foto: Birgit Kalbacher

Quantencomputing ist eine Must-Have-Technologie und sie wird in sehr vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle spielen. Abwarten ist daher aus Sicht von Markus Pflitsch, Quantenphysiker und Gründer und CEO von Terra Quantum, keine Option. „Wir müssen handeln“, so sein Appell.

Bei der Technologie des Quantencomputing handle es sich um die disruptivste Technologie, die die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen und das Leben verändern werde, erklärte Markus Pflitsch beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall. Während derzeit das Rennen hauptsächlich China und die USA machten, müsse Europa zusehen, dass es den Zug nicht verpasse. „Wir müssen mehr machen“, sagte Pflitsch. Zum einen, um die eigene Souveränität zu wahren, und in keine Abhängigkeiten zu geraten, und zum anderen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn die Performanceopportunity des Quantencomputing sei so groß, dass Unternehmen, die in diesem Bereich nicht mithalten, ganz schnell ins Hintertreffen geraten.

Optimierungen mit hybridem Ansatz

Laut Pflitsch sind bereits heute, mit einem hybriden Ansatz, klassische Implementierungen über 15 Prozent schneller, das Maschinenlearning mit weniger Daten 30 Prozent effizienter und Simulationen bis zu 200-mal schneller. Pflitsch spricht von zusätzlichen großen, dreistelligen Millionenbeträgen an zusätzlichen Erträgen, die durch diese Optimierungen bereits möglich sind.

Beim sogenannten hybriden Ansatz werde das Hardware-Tal – da Quantenhardware und Quantenchips noch nicht so weit sind – überbrückt, erklärte Pflitsch. So werde die Quantensoftware bereits entwickelt und laufe dann auf einem klassischen Hochleistungsrechner, der einen Quantencomputer und übergangsweise Qubits simuliere.

Gerade diese jetzt schon vorhandenen Möglichkeiten machten deutlich, wie wichtig es sei, nicht länger zu warten, sondern sich bereits heute mit dem Quantencomputing auseinanderzusetzen.

Laut Pflitsch steigt beim tatsächlichen Quantencomputer dann mit zunehmender Kapazität das Rechenvolumen exponentiell an und eröffnet damit bislang ungeahnte Möglichkeiten. „Es ist ein riesiger, ein Billionen-Euro-Markt, der schon in rund zehn Jahren eigentlich alle Industrien berühren wird. Vor allem diejenigen mit komplexen Big-Data-Analytics-Themen etwa bei der Optimierung oder Simulation“, so Pflitsch.

Spannend: AI in Verbindung mit Quantentechnologie

Einen weiteren spannenden Bereich sieht Pflitsch in der Verbindung von AI mit Quantentechnologie. Eine klassische KI, die auf einem klassischen Hochleistungsrechner laufe, sei deterministisch und komplett regelbasiert. Hinzu komme, dass es bei ihrer Evolution zu einer Inflationierung der Parameter komme, die sich auf einem klassischen Supercomputer nicht mehr darstellen lasse. Bei einer AI, die auf einem Quantencomputer laufe, komme nun die Quantenzufälligkeit hinzu, das Element der Unberechenbarkeit. Das sei deshalb so aufregend, weil sie dadurch wesentlich näher an die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns heranrücke. „Das ist etwas völlig anderes. AI auf einem Quantencomputer ist AI on steroids“, erläuterte Pflitsch. Das öffne ein sehr spannendes Tor – und schreie regelrecht nach exponentieller Technologie.

Schon heute Handlungsbedarf bei der Sicherheit

Der wichtigste Aspekt, bei dem Pflitsch sofortigen Handlungsbedarf bei den Unternehmen sieht, ist die Sicherheit. „Schon heute ist Quantencomputing eine unmittelbare Bedrohung für die Datensicherheitslage“, erklärte der Gründer von Terra Quantum.

„Jede klassische Verschlüsselung ob symmetrisch oder asymmetrisch wird durch einen Quantencomputer genügender Mächtigkeit früher oder später gehackt werden“, warnte Markus Pflitsch. Der sogenannte Q-Day – der Tag an dem man gehackt wird – werde derzeit von amerikanischen Behörden bei zirka 2030 angesiedelt. Zum Schutz der Daten müsse hierfür jede digitale Informationsübertragung angepackt werden. Mit Blick auf die Komplexität, den Aufwand und die Notwendigkeit empfiehlt Pflitsch Unternehmen schon heute, ihr Unternehmen quantensicher aufzustellen und auf quantensichere Kommunikationsstandards zu migrieren. Bereits jetzt gebe es immer mehr Akteure, die versuchen, klassisch verschlüsselte Daten zu bekommen, um sie dann mit dem entsprechenden Datenchip in drei bis vier Jahren zu entschlüsseln.

Markus Pflitschs eindringlicher Appell: Die Unternehmen, aber auch die EU müssen jetzt handeln, um nicht von China und den USA abgehängt, beziehungsweise zu abhängig zu werden. Aus seiner Erfahrung seien im Vergleich zu den USA die Zyklen hier jedoch häufig noch zu lang und die Prioritäten lägen, auch mit Blick auf die Budgets, woanders.

Birgit Kalbacher