Region zeigt Gesicht

Sie findet lediglich alle drei Jahre statt und ist die weltweit größte Messe der chemischen Technik und der Prozessindustrie – die Achema in Frankfurt am Main. Wir waren diesmal vor Ort und haben mit Firmen aus der Region gesprochen, die dort ausgestellt hatten.

 

Zugegeben: Heilbronn-Franken ist für vieles bekannt, nicht aber für eine florierende Pharma-, Chemie- oder Lebensmittelindustrie. Stellt sich die Frage, warum die Region so zahlreich auf der Achema, der weltweit wichtigsten Leitmesse für ebendiese Branchen, vertreten war. Wie so oft steckt auch hier der Teufel im Detail. Denn die Produkte unserer Hidden Champions werden zahlreich in hochkomplexen und entsprechend anspruchsvollen Bereichen eingesetzt – sei es beispielsweise bei explosionsgeschützten oder sterilen Anwendungen oder bei der Verarbeitung von aseptischen sowie toxischen Produkten. Also in solchen Fällen, die besonderes Know-how erfordern. Und dieses galt es, auf der diesjährigen Messe zu präsentieren.

„Die Achema zählt für uns zu den wichtigsten Messen überhaupt“, quittiert Anita Meister, Team Manager Marketing bei Groninger. An jenem Donnerstag im Juni blicken Meister und ihre Kollegen zufrieden auf die bereits absolvierten Messetage zurück. Kein Wunder. Auf dem Groninger-Stand in Halle 3.1 herrscht auch an diesem Tag reges Treiben. Zahlreiche Menschen bestaunen die ausgestellten Maschinen, lassen sich von den Vertriebsprofis die Details erklären, stellen Fragen über Fragen. Das Schmuckstück der diesjährigen Messe bekommen aber nicht alle Besucher zu Gesicht. Hinter einem blauschimmernden Kettenvorhang ist nur im Ansatz zu erahnen, was sich dahinter verbirgt: eine Abfüllmaschine, was sonst. Aber nicht irgendeine. Sie ist eine Besonderheit. Und das macht Meister deutlich: „Unsere Integra ist eine Weltneuheit.“ Die Anlage, die in Kooperation mit der Schweizer Firma Skan „auf einem weißen Blatt Papier“ konzipiert wurde, erfülle vor allem kundenspezifische Anforderungen: „Die Integra wurde entwickelt, um toxische Produkte sicher verarbeiten zu können. Sie ist Füllmaschine und Isolator zugleich.“ Das Innovative dabei: Das Absaugen von Flüssigkeiten oder Gasen erfolgt an der Rückseite der Maschine – weg vom Bediener. „Der Schutz der Mitarbeiter ist das A und O für uns.“ Für diesen Ansatz ist das Unternehmen mit dem „Achema Innovation Award“ ausgezeichnet worden.

Weniger ist mehr

Wenige Reihen weiter ist auch Schubert-Pharma zu finden. Der Messestand ist gänzlich anders gestaltet. Reduktion scheint die Devise zu sein. „Das war eine ganz bewusste Entscheidung“, sagt Michael Graf, der beim Verpackungsmaschinenhersteller im Consulting tätig ist. Das Herzstück des Standes bildet – wie könnte es anders sein – auch hier eine Verpackungsmaschine. Ergänzt wird diese um verschiedene Einzelmodule: ein Bildbearbeitungsmodul für die Fehlersuche etwa, eine Ultraschall-Siegeleinheit oder ein Etikettiergerät. Ein Blick in die Maschine offenbart, wie die einzelnen Module ineinandergreifen. „Wir wollen zeigen, wie man vor- und nachgelagerten Prozesse einbinden kann“, schildert Graf. Schubert präsentiert damit einmal mehr, was im Unternehmen unter Systemanbieter verstanden wird: Full-Service aus einer Hand – von der theoretischen Planung bis zur Realisierung und Produktion der betriebsfertigen Anlage.

In großem Stil präsentiert sich auch Optima auf der diesjährigen Achema. Auf stolzen 700 Quadratmetern zieht der futuristisch wirkende Messestand die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Neu in diesem Jahr: In einer sogenannten „Expert-Zone“ können sich Kunde und Fachberater intensiv austauschen. „Wir haben bereits zahlreiche Gespräche geführt. Das Konzept wird sehr gut angenommen“, so Jens Betsch, Team Leader Marketing Multimedia Design, zufrieden.

Auf Kommunikation setzt auch das Unternehmen Microfilter aus Neuenstein. Zwischen 30 und 50 Gespräche würden pro Tag geführt, schätzt Klaus Pfitzer, der beim Filterspezialisten im Bereich Technik und Vertrieb arbeitet. Die Firma, deren Produkte hauptsächlich in den Segmenten „Maschinen- und Anlagenbau“, „Rennsport, Luft- und Raumfahrt“, „Medizintechnik“ sowie „Chemie- und Pharmaindustrie“ Anwendung finden, nutzt die Achema als Türöffner, um Neukunden zu gewinnen und bestehende Kontakte zu pflegen. Da kann man sich natürlich nicht lumpen lassen. Entsprechend hat Microfilter gleich zwei Innovationen im Gepäck: einen Doppelumschaltfilter und eine neuartige BBS-Filterscheibe. „Beides kommt bei unseren Kunden sehr gut an“, bestätigt Pfitzer und ergänzt lächelnd: „Bei einem Bestandskunden hatte zuletzt der zuständige Ansprechpartner gewechselt. Seinen Nachfolger haben wir auf der Messe kennengelernt, haben gute Gespräche geführt und unsere Produkte präsentiert. Am Schluss stand der ganze Tisch voll mit Exponaten.“

Selbst probieren

Speziell für die Achema hat auch I.Safe aus Lauda-Königshofen ein Produkt entwickelt – und das kann sich sehen lassen. Wer an den Stand des Spezialisten für explosionsgeschützte Kommunikationsgeräte kommt, geht nicht selten mit einem gewissen „Wow-Gefühl“ wieder weg. Dabei sticht die Produktneuheit eher auf den zweiten Blick ins Auge. An einem Helm befestigt, schwebt er förmlich vor dem Auge des Messebesuchers: ein leistungsstarker, tragbarer Computer, der mittels Sprachsteuerung bedient wird. Der papierlose Einsatz auf Baustellen ist damit garantiert. „Wichtig ist uns, dass wir unsere Kunden selbst testen lassen, wie das Head Mounted Tablet funktioniert“, sind sich Geschäftsführer Martin Haaf und Marketing-Manager Anja Mahler einig. Und dieses Angebot wird rege genutzt – zur Freude der Messebesucher und der I.Safe-Mitarbeiter.

Selbst aktiv werden kann man auch am Stand von Gemü. Das Familienunternehmen aus Ingelfingen-Criesbach setzt auf der diesjährigen Achema auf Virtual Reality (VR). Im eigenen VR-Center können Neugierige abtauchen in eine reale Applikation. „Oft ist das eine Spielerei. Bei uns aber ist das eine echte Anlage“, betont Marco Becker, Head of Global Marketing, und ergänzt: „Nutzer können virtuell in einem Membranventil einen Membranwechsel vornehmen.“ Vor allem für Schulungszwecke sei diese Art von Training ganz hervorragend geeignet. Wer die Membrane richtig austauscht, bekommt am Ende sogar ein Zertifikat. Und dieses scheint heiß begehrt zu sein, denn die VR-Brille, die das Eintauchen in die virtuelle Welt möglich macht, ist an diesem Tag dauernd in Betrieb. Entsprechend zufrieden zeigt sich der Marketing-Chef: „Die Achema läuft für uns sehr gut.“ Das Standkonzept, das speziell für die Achema entwickelt wurde, werde gut angenommen, die Stimmung sei allgemein positiv und die Anzahl an Besuchen hoch. „Wir sind zufrieden.“

Zufrieden zeigt sich auch Serdar Ertong, Geschäftsführer der Fima Maschinenbau GmbH aus Obersontheim-Oberfischach. „Unsere Erwartungshaltung an die Achema sind erfüllt worden.“ Man sei unter anderem mit der Intension angereist, herauszufinden, wie „Fima pro“ am Markt akzeptiert werde. Fima pro ist ein Tochterunternehmen von Fima mit Sitz im türkischen Çardak, das sich auf die Herstellung von Standardkomponenten der Ventilatoren und Verdichter spezialisiert hat. „Wir wollten wissen, ob es für unsere Kunden interessant ist“, beschreibt der Geschäftsführer. Und? „Fima pro ist gut angenommen worden. Eine Überlegung wäre nun, das Konzept auf weitere Länder wie Indien und China auszuweiten.“

Auch das Ilshofener Familienunternehmen Bausch und Ströbel zeigt wieder Flagge auf der Achema – wie bereits in vielen Jahren zuvor. „Wir sind fast seit Anbeginn dabei“, weiß Pressesprecherin Tanja Bullinger. Die Achema zähle – zusammen mit der Interpack – zu den wichtigsten Messen überhaupt. Entsprechend groß ist die Präsentation in Frankfurt: Auf stolzen 680 Quadratmetern zeigt Bausch und Ströbel, welchen Weg die Firma zukünftig einschlagen und welchen Service sie damit ihren Kunden liefern möchte. Industrie 4.0 und Digitalisierung sind dabei die zentralen Begrifflichkeiten. Das wird auch im sogenannten „Cube“ deutlich. Die Partner der Excellence United, ein Zusammenschluss führender Spezialmaschinenbauer und Anlagenhersteller der Medizin- und Pharmabranche, dem auch Bausch und Ströbel angehört, zeigen hier eine Produktionslinie, die vollintegriert und digitalisiert arbeitet. „Der Andrang war groß“, bescheinigt Bullinger. Teilweise habe man bis zu 30 Minuten warten müssen, um den Cube zu besichtigen.

Lydia-Kathrin Hilpert