Rückschau: Das Gipfeltreffen der Weltmarktführer

Drei Generationen auf dem Podium (v.l.): Reinhold Würth, seine Tochter Bettina und die Enkel Benjamin, Maria und Sebastian Würth geben Einblicke in das Familienleben und zur Rolle, die das Unternehmen dabei spielt. Foto: Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023/Foto Vogt

Das Wichtigste auf einen Blick: Das Gipfeltreffen der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall lieferte spannende Denkanstöße und Impulse für Debatten. In unserer Rückschau haben wir einige Highlights zusammengestellt.

Von den Besten lernen“ – das ist das Motto des Gipfeltreffens der Weltmarktführer, das Anfang Februar in Schwäbisch Hall seine 13. Auflage erlebte. Hochkarätige Referentinnen und Referenten aus Wirtschaft und Politik erörterten, wie Unternehmen angesichts multipler Herausforderungen ihren Erfolg und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt behaupten können. Hidden Champions und Weltmarktführer präsentierten Best Cases und Strategien. Als Premiere widmete sich parallel zum Gipfel eine Veranstaltung dem Thema Dekarbonisierung im Mittelstand.

Dirk Täuber

Foto: Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023/Foto Vogt
Foto: Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023/Foto Vogt

„Vor der Tür saß einmal der Zufall.“ So lautete der Titel der Lesung von Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, die als Special Guest den Gala-Abend im Carmen Würth Forum bereicherte. Sie erzählte in einer Collage von den schrecklichen Erfahrungen, die sie bei Verhören durch den rumänischen Geheimdienst Securitate gemacht hat. „Am Beistelltischchen musste man die Arme an die Rippen pressen, um beide Hände auf den Tisch zu legen. Wenn man Angst hat, macht man das sowieso“, beschrieb sie die Situation im Verhörraum und skizzierte grundlegende Mechanismen von Unterdrückungsstaaten.

„Wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit war zu lange keine Priorität.“ Beim Gipfeltreffen erläuterte Bundesfinanzminister Christian Lindner, wo er Handlungsbedarf sieht. Aus seiner Sicht sei nicht nur eine sicherheitspolitische, sondern auch eine finanz- und wirtschaftspolitische Zeitenwende erforderlich. Hierfür skizzierte er einen Fünf Punkte-Plan: Erstens brauche es schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren in allen Bereichen, explizit auch im Straßenbau. Zweitens müsse angesichts des Fachkräftemangels die Zuwanderung von Arbeitskräften erleichtert werden. Drittens sei eine „rationale Energiepolitik“ erforderlich, die erkenne, „dass wir mindestens noch bis Anfang der 40er Jahre auch Gas und Öl benötigen.“ Viertens seien Entlastungen statt neue Belastungen für Unternehmen beim Thema Steuern nötig. Und fünftens dürfe es nicht zum Handelsstreit und Subventionswettlauf mit den USA kommen.

Foto: Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023/Foto Vogt
Foto: Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023/Foto Vogt
Foto: Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023/Foto Vogt
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„Unser Wirtschaftssystem, das auf billigem Gas und Öl aus Russland fußte, wurde komplett in Frage gestellt.“ Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung Klimawirtschaft, ist sich sicher: „Wir müssen uns ganz neu aufstellen.“ Angesichts gestiegener Energiepreise stelle sich die Frage, wie sich energieintensive Industrie in Deutschland und Europa halten könne. Sie beobachte eine „toxische Unsicherheit“ in der Wirtschaft, welche Investitionen in klimaneutrale Produkte sinnvoll seien. „Wir spüren einen Investitionsstau, den ich kritisch finde“, stellte sie fest. Ihr Appell: „Wir müssen erneuerbare Energien ausbauen, wo wir nur können, denn wir brauchen günstige Energie.“ Das helfe auch, die Klimakrise zu bewältigen, die aus ihrer Sicht die größte Herausforderung ist, vor der wir stehen. Die Transformation zur Klimaneutralität sei unverzichtbar, wenn Unternehmen auch in Zukunft international wettbewerbsfähig sein wollen.

„Deutschland muss von einer Fax-Republik zum Fortschrittsland werden.“ Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, will Tempo machen, denn bei der Digitalisierung stehe Deutschland nur auf Platz 13 von 27 im EU Vergleich. „Das reicht nicht“, findet der FDP-Politiker. Er verspricht, noch in diesem Jahr eine digitale Identität für Bürgerinnen und Bürger einzuführen, damit etwa die Anmeldung eines Fahrzeugs digital erfolgen kann. Die Digitalisierung der Verwaltung müsse massiv beschleunigt und der vorhandene Datenbestand besser genutzt werden, statt wie bei der Grundsteuerreform Informationen von Eigentümern abzufragen, die Behörden und Ämter eigentlich schon längst haben. Digitalisierung werde nur gelingen, wenn Daten in großem Stil systematisch gesammelt und genutzt werden, etwa mit digitalen Tickets im ÖPNV, deren Analyse zu einer Verbesserung des Angebots führen könne. Hier sei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Foto: Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023/Foto Vogt
Foto: Gipfeltreffen der Weltmarktführer 2023/Foto Vogt
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„Deindustrialisierung ist kein Schreckgespenst, sondern findet statt.“ Die deutsche Industrie steht nach Ansicht von Markus Steilemann, Vorstandsvorsitzender der Covestro AG, vor großen Herausforderungen – insbesondere die chemische Industrie, der sein Unternehmen als Kunststoffhersteller angehört. Er skizzierte die Risiken, von denen seine Branche angesichts wachsender geopolitischer Spannungen in besonderem Maße betroffen sei, vor allem mit Blick auf das Geschäft mit und in China. Das Chemieunternehmen mache dort mittlerweile bis zu einem Drittel seines Umsatzes. Doch Lockdowns, Lieferkettenprobleme sowie die gestiegenen Energiepreise belasteten das Ergebnis. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von China könnte sich als ähnlich riskant erweisen wie die Energieabhängigkeit von Russland. Sich abzukoppeln sei dennoch nicht der richtige Weg, so Steilemann. „Es braucht einen risikobasierten Ansatz.“