Robert Friedmann (50) ist seit 1992 bei der Würth-Gruppe, die beim Umsatz im Jahr 2015 die 10-Milliarden-Marke erreicht hat. Seit 2004 ist er dort Mitglied der Konzernführung, seit 2005 deren Sprecher. Im Januar hat Friedmann den Aufsichtsratsposten beim Automobilzulieferer ZF übernommen.
Die Verkaufsprozesse sind seit Amazon und Co einem starken Wandel ausgesetzt.Wann hat die Würth-Gruppe darauf reagiert und aufgrund welcher Überlegungen?
Friedmann: Ein Unternehmen muss sich stets weiterentwickeln, mitentwickeln: Ob wir von Industrie 4.0, E-Business oder „facebook and friends“ sprechen. Veränderung in Technik, in Prozessen bedeutet immer auch Veränderung in der Unternehmensstruktur, dem Geschäftsmodell. Und das war schon immer so: Die Divisionalisierung in den 90er-Jahren oder die Vertriebskanalsegmentierung in den letzten Jahren, das heißt die Differenzierung des Vertriebs nach Kundenpotenzial, sind hier zwei gute Beispiele. Aktuell steht der Ausbau des Multikanalvertriebs im Vordergrund: direkt über den Verkäufer, stationär über unsere weltweit 1.700 Würth-Niederlassungen und natürlich über die unterschiedlichen Möglichkeiten, die das E-Business bietet. Ziel ist dabei immer, die Interaktionsmöglichkeit zu bieten, die der Kunde sich wünscht, die zu ihm passt.
Wie wurde der Online-Handel an die Kundenbedürfnisse angepasst?
Friedmann: Wir bedienen heute weltweit über drei Millionen Kunden, in Deutschland über 500.000. Aus der täglichen Interaktion zwischen dem Verkäufer beziehungsweise den Niederlassungen und dem Kunden erhalten wir kontinuierlich direktes Feedback.Das ist für uns eine extrem wichtige Rückkopplung. Anders als Startup-Unternehmen verfügen wir so über einen umfangreichen Datenpool und kennen die Präferenzen sowie Anforderungen der unterschiedlichen Zielgruppen innerhalb unseres Kundenspektrums. So entsteht ein kontinuierlicher Prozess, der uns unsere Aktivitäten nahe am Handwerker optimieren und ausbauen lässt.
Welche Vorteile ergeben sich daraus für Händler, Handwerker und Endkunden?
Friedmann: Wir sind uns sicher, dass wir mit der Kombination der oben genannten Angebote die perfekte Lösung für den Kunden bieten: die schnellstmögliche Deckung seines Warenbedarfs, mit gleichbleibender verlässlicher Qualität und den gewohnten, erwarteten Serviceleistungen. In Deutschland zum Beispiel sind wir mit unseren Niederlassungen so aufgestellt, dass jeder Kunde, egal wo, innerhalb von durchschnittlich 15 Minuten die nächste Würth-Niederlassung erreichen kann, um dort seinen Sofortbedarf zu decken. Die Würth-App entwickeln wir stetig weiter – sie gehört heute zu den Besten im B2B-Umfeld. Dass wir hier auf dem richtigen Weg sind, spiegeln uns auch die wachsenden Umsätze über die App. All diese Aspekte fasst unsere Unternehmensstrategie „Nah. Näher. Würth!“ zusammen.
Wie verlief seit dem Start die geschäftliche Entwicklung im Online-Handel?
Friedmann: Der Online-Handel hat bei uns in unterschiedlichen Kanälen wie dem Online-Shop, scannergestützten Bestellsystemen oder der Würth-App unterschiedlich lange Historien. In Deutschland macht der Online-Handel einen Umsatzanteil von rund zwölf Prozent aus. Bei unseren industrienahen Unternehmen innerhalb der Würth-Gruppe sind es teilweise sogar schon 50 Prozent. Ganz gezielt haben wir in diesem Bereich zuletzt mit unserer Konzernplattform Wucato investiert – eine eigene Online-Beschaffungsplattform für den B2B-Bereich, über die der Kunde auf ein konzernübergreifendes Sortiment mit über 50.000 Produkten zugreifen kann. Quasi wie ein zentraler Marktplatz, um den Gesamtbedarf zu decken und Einkaufsprozesse zu optimieren. Mit Wucato als zukunftsweisendem weiteren Vertriebskanal reagiert die Würth-Gruppe auf die erweiterten Kundenanforderungen und neuen Marktgegebenheiten.
Wie sehen Sie die Entwicklung in der Zukunft und welche Pläne hat das Unternehmen mittel- bis langfristig in diesem Bereich?
Friedmann: Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserer Go-to-market-Strategie auch im Wettbewerbsvergleich gut aufgestellt sind. Wir nehmen wahr, dass Pure Player – das sind Anbieter, die ihre Produkte und Services ausschließlich über das Netz anbieten – im Augenblick damit beschäftigt sind, einen Außendienst aufzubauen. Auch sie merken, dass der Vertrieb allein über das Internet nicht ausreichend ist – vor allem, um Kunden mit mittlerem und großem Potenzial zu gewinnen. Deshalb sind wir überzeugt, dass die Multikanalstrategie genau die richtige Antwort auf die Erwartungen unserer Kunden ist – heute und auch in absehbarer Zukunft.
Interview: Uwe Deecke
Zur Person
Robert Friedmann ist als Sprecher der Konzernführung der Würth-Gruppe verantwortlich für deren operative Leitung. In seinen Aufgabenbereich fallen die Unternehmensentwicklung und operative Führung von verschiedenen Unternehmenseinheiten. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann studierte Friedmann Betriebswirtschaftslehre an der FH Pforzheim und später in den USA. Der 50-Jährige ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.