Solarenergie als Joker bei der Wende

Landwirt Gerhard Kümmerer (links) und Solarexperte Thomas Uhland setzen sich für den Solarausbau in der Region ein. Foto: Melanie Boujenoui

Photovoltaik (PV) hat sich in den letzten Jahren in vielerlei Hinsicht vorteilhaft entwickelt. Deswegen könnte sie der Schlüssel auf dem Weg in eine klimaneutrale Gesellschaft sein. Auch für den Mittelstand bringt sie gute Chancen.

Schon am Eingangstor lässt sich ein leises gleichmäßiges Summen vernehmen: Auf einem drei ­Hektar großen Feldstück hat Gerhard Kümmerer einen Solarpark in Betrieb. „Was man hier hört, ist das Geräusch der Wechselrichter, die den Gleichstrom der Solarmodule in nutzbare Energie umwandeln“, erklärt der Landwirt. Zurzeit warte er auf die Genehmigung für eine zweite Freifläche. Die nächste Sonnenkraftfarm solle noch etwas größer werden, rund fünf Hektar umfassen. Denn Kümmerer erkennt bei seinen Photovoltaikanlagen nur Vorteile: „Es ist eigentlich alles positiv und zwar nicht nur für unseren Betrieb, sondern auch für die gesamte Gemeinde“, ist er überzeugt.

Dunzendorf ist ein Ortsteil von Niederstetten – während Kümmerer mit seinem Schweinemastbetrieb nicht einmal zehn Prozent seines grünen Stroms selbst verbraucht, fließt der Großteil in das öffentliche Netz. Circa zwei Millionen Kilowattstunden produzieren seine Solarmodule aufs Jahr gerechnet. Das deckt in etwa den pro-Kopf-Bedarf von 315 Personen. Hinzu kommen die Anlagen auf den Bestandsdächern seines Hofs, die er seit zwölf Jahren betreibt.

STRUKTURELLER WANDEL

Thomas Uhland vom Photovoltaik-Netzwerk Heilbronn-Franken, das den Landwirt beratend begleitet, hält ­solare Freiflächen für einen wichtigen Pfeiler der Energiewende. „Wir müssen alle Potenziale sehr viel schneller als bisher erschließen – am besten mit Doppelnutzen: Dächer und Fassaden schützen vor Wind und Wetter und erzeugen mit der Photovoltaik zusätzlich günstigen und sauberen Solarstrom. Ebenso die Solarparks, die Landwirtschaft, Naturschutz und Klimaschutz verbinden“, sagt Uhland.

Kümmerer sieht darin eine Chance für Landwirte, mithilfe der Einnahmen durch den Solarstrom, die preis-und witterungsbedingten Schwankungen, welchen die Agrarindustrie unterliegt, auszugleichen. „Während besonders die letzten fünf Jahren mit heftigen Dürre- und späten Frostperioden für viele kleine bis mittlere Betriebe schwierig gewesen waren, sind meine Fotovoltaikanlangen ohne große ­Leistungseinbußen gelaufen“, sagt er. Zudem sei der Park in der Regel wartungsfrei. „Im Prinzip hat sich die Fläche unterhalb der Solartische zum ­artenreichen Dauergrünland hin ­ent­wickelt. Wir kümmern uns um die Pflege und errichten Habitate für Insekten“.

Die Module stehen auf Stahlstelzen, die betonlos in der Erde ­stecken. Da­runter wachsen Gras, Gestrüpp und Blumen, es fleucht und kreucht allerlei Getier. Obendrauf sitzen gerne Vögel. „Es ist eben keine ­Monokultur, wie wenn die Fläche ein Acker wäre. Dünger und Pestizide kommen auch nicht zum Einsatz“, freut sich der Landwirt. Wenn er es in ­Zahlen übersetzt: „Alleine diese Fläche vermindert soviel CO2 wie 100 Hektar Wald; gleichzeitig bringt sie mir soviel Ertrag wie 150 Hektar Ackerland ein.“

MEHR FIRMEN NUTZEN SOLAR

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat kürzlich ermittelt, dass die Nutzung der Sonnenkraft in Deutschland derzeit die günstigste aller Stromerzeugungsformen ist. Dass daher auch immer mehr Unternehmen aus Handel, Gewerbe und ­Industrie die Vorteile der Solarenergie für sich entdecken, weiß Ralf Stier, ­Geschäftsführer und Mitgesellschafter des Crailsheimer Solar- und Windkraftdienstleisters Ingenia Projects. „Fossile Brennstoffe sind endlich, der Ausstieg aus Braunkohle und Atomkraft ist politisch entschieden. Die Photovol­taik bietet eine gute Alternative“, erklärt Stier. In den letzten Jahren habe sie nicht nur enorme technologische ­Fortschritte vollzogen, sondern auch preisliche.

Je nach Anlagengröße koste der Sonnenstrom inzwischen nur noch fünf bis acht Cent pro Kilowattstunde und ist damit um einiges günstiger als fossile Kraftwerke. „Errichtet ein Unternehmen eine Solaranlage und speist den Solarstrom vollständig in das ­öffentliche Netz ein, sind bereits jährliche Renditen von fünf Prozent ­möglich“, sagt er. „Wer den Strom teilweise selbst verbraucht, kann den inanziellen Ertrag bis auf das Drei- bis Vierfache steigern.“ Genau wie in der Agrarwirtschaft könnten so besonders kleinere mittelständische Unternehmen einen Teil der Betriebskosten langfristig absichern. Hinzu komme, dass die Vergütung für den in das Stromnetz eingespeisten Sonnenstrom über das Erneuerbare-Energien-­Gesetz (EEG) für alle Anlagengrößen verlässlich für 20 Jahre bezahlt wird.

VIEL MEHR AUSBAU MÖGLICH

Das Potenzial für Photovoltaikanlagen bei Firmen in Deutschland sei noch in beachtlichem Umfang möglich: Allein in Baden-Württemberg stehen laut dem Solar Cluster rund 440 000 Nichtwohngebäude zur Verfügung. „Dort gibt es oft große Dachflächen, ein guter Teil davon sind Flachdächer. Hinzu kommen unzählige Freiflächen in Industrie- und Gewerbegebieten, die als Konversionsflächen ausgewiesen sind“, meint Stier. Was zuweilen ein Problem darstelle, sei die Bausubstanz. „Manche Flachdächer großer Gewerbehallen sind nicht darauf ausgelegt, schweres Gewicht zu tragen.“

Doch dafür gebe es jetzt neuste technische Lösungen wie Ultraleichtmodule, erklärt der Fachmann. Wer über ein großes ­Firmenareal verfüge, könne einfacher auf die Industriefläche ausweichen; im Gegensatz zu den Paneelen auf ­Dächern erfordere dies jedoch eine Baugenehmigung. Ratsam sei es daher, gleich beim Neubau oder einer anstehenden Erweiterung die PV-Planung einzukalkulieren, empfiehlt Stier.

ALLE SIND GEFRAGT

„Die gesamte Entwicklung geht in die richtige Richtung“, fasst Thomas Uhland die Lage im Solarbereich zusammen. Der Experte macht jedoch gleichzeitig darauf aufmerksam, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigt werden müsse, wolle man das Klimaschutzziel von ­Paris wirklich erreichen und damit den drastischen Klimaveränderungen entgegentreten. In Baden-Württemberg seien im vergangenen Jahr nur etwa acht Prozent des Bruttostromverbrauchs von Photovoltaik abgedeckt worden. Gerade in der Region seien auch die Kommunen gefragt, dies als Chance zu erkennen und sich entsprechend aufzustellen.

Als positives Beispiel nennt ­Uhland den Main-Tauber-Kreis, der alle Akteure im Landkreis auffordert und unterstützt, mehr Solarenergie auf den Dächern und Freiflächen zu ­nutzen – im Landesvergleich liegt der Main-Tauber-Kreis beim Ausbau der Solarenergie im vorderen Drittel: Auf den Dachflächen ist dort insgesamt eine Leistung von 150 Megawatt Peak installiert, womit rein rechnerisch rund 43 000 Haushalte ihren Strombedarf abdecken; die Freiflächenanlagen ­können mit rund 52 Megawatt Peak weitere 16 300 Haushalte versorgen – das ergeben die Auswertungen im ­ersten Quartal dieses Jahres. „Solarstrom sorgt, nicht nur durch die aktuelle Klimadiskussion, auf allen Ebenen für ein positives Image, sondern lässt sich auch sehr schön vermarkten“, sagt Jürgen Muhler, Sachgebietsleiter der Energieagentur Main-Tauber-Kreis. „Durch den Verkauf sowie den Eigenverbrauch des Stroms ist eine Anlage in der Regel in einer überschaubaren Zeit abgeschrieben“, ergänzt er. So profitiere die Kommune auch finanziell direkt von der Solarenergie.

Die Herausforderung mehr und schneller Solarstrom zu nutzen, sei dennoch eine gemeinschaftliche und funktioniere nur, wenn alle Akteure Hand in Hand arbeiten. „Es ist jeder ­gefragt seinen Teil beizutragen, vom Unternehmer über die Kommune bis zum Bürger“, bringt es Thomas Uhland auf einen Nenner.

Melanie Boujenoui