Die Unternehmen in der Region Heilbronn-Franken stehen aktuell vor großen Hürden. Caroline Bogenschütz berichtet von Hilfestellungen und Fördermaßnahmen für Unternehmen, über die das Landratsamt Hohenlohekreis berät.
Wie beurteilt die Wirtschaftsförderung die aktuelle Situation der Betriebe?
Caroline Bogenschütz: In den uns vorliegenden Berichten stellt sich die Lage der Betriebe trotz einiger Herausforderungen noch vergleichsweise gut dar. So lassen die Auswirkungen der Pandemie nach, die Auftragsbücher sind gut gefüllt und spannende Investitionsprojekte laufen. Auf der anderen Seite klettern die Energie- und Rohstoffpreise in die Höhe, die Kaufkraft sinkt und es fehlen Arbeitskräfte, Materialien und Lagerflächen. Entsprechend haben sich die Geschäftsaussichten leider stark eingetrübt.
Wo liegen die drängendsten Herausforderungen für die Unternehmen?
Bogenschütz: Zu nennen sind hier die steigenden Energie- und Materialpreise sowie die Sorgen in Hinblick auf die Energieversorgung. Ich bin froh, dass mit KEFF+ in der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken eine sehr kompetente Beratungsstelle für das Thema Ressourceneffizienz vorhanden ist, um hier ein wenig Abmilderung zu schaffen. Das Thema Energiepreise leitet über zur weiteren Herausforderung der sinkenden Kaufkraft der Endkunden angesichts der generellen Inflation. Herausfordernd sind zudem die globalen Lieferkettenengpässe, die sich in den vergangenen Monaten unter anderem durch Lockdowns in China, coronabedingte Krankheitsausfälle, den Ukrainekrieg, Containermangel, fehlende Lkw-Fahrer, die eingeschränkte Binnenschifffahrt wegen geringer Wasserpegel und die gestiegene Nachfrage im E-Commerce verschärften. Die bisher favorisierte „Just in Time“-Produktion funktioniert nicht mehr. Dies verstärkt auch die bestehende Flächenkonkurrenz zwischen Siedlungs-, Landwirtschafts-, Verkehrs- und Gewerbeflächen: Es werden nun dringend mehr Lagerflächen benötigt. Durch den Lagerflächenmangel vor Ort entstehen sehr viele Fahrten, die eigentlich vermeidbar sind, weil Lastwagen zwischen den Firmen und weit entfernt liegenden Lagerhallen unterwegs sind. Das belastet Infrastruktur und Umwelt.
Was kann bezüglich der Flächenkonkurrenz getan werden?
Bogenschütz: Hier geht es zunächst um Sensibilisierungsarbeit für die Bedeutung der Logistikflächen für die Wirtschaft und die Nachhaltigkeit. Lagerhallen sind nicht immer beliebt, da sie große Flächen im Gewerbegebiet beanspruchen und mit vergleichsweise wenigen Arbeitsplätzen verbunden sind. Es muss ein Interessensausgleich gefunden werden, denn unsere Unternehmen sollen vor Ort wachsen können und neue Unternehmen wollen sich ansiedeln. Gleichzeitig haben wir tolle landwirtschaftliche Böden, benötigen aber auch Wohnflächen – unter anderem für die dringend benötigten Fachkräfte. Auf der Suche nach Lösungen ist der offene Austausch zwischen Politik, Verwaltung und Unternehmen essenziell. Hilfestellungen bietet zudem das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR). Es soll mit dem Fokus auf innerörtliche Entwicklung dazu beitragen, dass die vorhandenen Flächen gut ausgenutzt werden.
Können auch Unternehmen ELR-Mittel beantragen?
Bogenschütz: Ja, zu den ELR-Schwerpunkten zählt die Grundversorgung. Hier soll beispielsweise der Erhalt von Dorfläden, Bäckereien und lokalen Handwerkern gefördert werden. Im Förderschwerpunkt Arbeiten werden vorrangig Projekte unterstützt, die zur Entflechtung störender Gemengelagen im Ortskern beitragen. Darüber hinaus sind Projekte von kleinen und mittleren Unternehmen, die zum Erhalt der dezentralen Wirtschaftsstruktur sowie zur Sicherung und Schaffung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen beitragen, förderfähig. Neubauprojekte sind in diesem Förderschwerpunkt nur noch förderfähig, sofern die Tragwerkskonstruktion aus einem CO2-speichernden Material besteht.
Gibt es abgesehen von der aktuellen Situation auch Dauerthemen?
Bogenschütz: Dazu zählen sicher der grüne Wandel und der digitale Wandel. Diesbezügliche Transformationsprozesse befinden sich in vollem Gange. Wir freuen uns, dass der eigenwirtschaftliche Glasfaserausbau dank des gemeinsamen Gigabitkompetenzzentrums nun voranschreitet und das Thema 5G angepackt wird. Auch mit Blick auf den Arbeitskräftemangel ist es immer wichtiger, mithilfe dieser Infrastruktur die Möglichkeiten der Digitalisierung ausschöpfen zu können. Der Mangel an Arbeitskräften – von Fachkräften über Hilfskräfte bis hin zu Azubis – ist tatsächlich eine besonders gewichtige Langzeit-Herausforderung. Von fast allen Branchen ist zu hören, dass die Besetzung offener Stellen immer schwieriger wird. Während bereits große Industrie- und Handelsunternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad und vielen Aufstiegschancen diesbezüglich zu kämpfen haben, sieht die Lage in kleinen Handwerksbetrieben und im Gastgewerbe noch herausfordernder aus. Die Konkurrenz um Arbeitskräfte wird noch weiter anwachsen: Die IHK Heilbronn-Franken führte im Juli eine Konjunkturumfrage durch, bei der 15 Prozent der befragten Betriebe angaben, dass sie Stellenstreichungen erwägen. 23 Prozent wollten hingegen Personal aufbauen. Zudem pro-
gnostiziert die IHK, dass das Angebot an Fachkräften in der Wirtschaftsregion von 2022 bis 2035 um 25 Prozent abnehmen wird. Kürzlich vermeldete die Handwerkskammer Heilbronn-Franken 317 freie Ausbildungsplätze für das Jahr 2022 und 133 für das Ausbildungsjahr 2023 in der Lehrstellenbörse.
Wie reagiert die Wirtschaftsförderung auf den Fachkräftemangel?
Bogenschütz: Unser Ansatz ist zum einen die Arbeitgeberplattform „Hohenlohe.Business“. Diese umfasst mehr als 40 Profile von Arbeitgebern im Hohenlohekreis und ist mit einer Google- und Social Media-Kampagne sowie weiteren Werbemaßnahmen verbunden. Unser Ziel ist, die Aufmerksamkeit von Arbeits- und Ausbildungsplatzsuchenden mittels Geotargeting und einer Keyword-Strategie über die Profile zu den jeweiligen Karriereportalen der Arbeitgeber zu lenken. Verknüpft ist die Plattform mit der Website der Wirtschaftsinitiative Hohenlohe, die Infos zum Leben und Arbeiten im Hohenlohekreis bereithält. Unser Kooperationsprojekt mit dem Landkreis Schwäbisch Hall und dem Main-Tauberkreis „jobs4young“ soll junge Menschen frühzeitig auf unsere Arbeitgeber in Hohenlohe aufmerksam machen. Zusätzlich sind wir bei der Kampagne „Platz für Originale“ der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken dabei.
Mit welchen weiteren Mitteln werden die Firmen unterstützt?
Bogenschütz: Wir stehen den Betrieben mit Beratungsangeboten, unserem Newsletter und unserer Lotsenfunktion mit Blick auf Fördermittel und Ansprechpartner zur Seite. Des Weiteren stellen wir ihnen Standortdaten zur Verfügung und sind im Standortmarketing aktiv. Durch unsere Bewerbungen um Aufnahme der Limesregion Hohenlohe-Heilbronn und der Region Hohenlohe-Tauber in das Europäische Maßnahmenprogramm Leader 2023–2027 möchten wir dafür Sorge tragen, dass vor Ort EU-Mittel zur Stärkung des ländlichen Raums und seiner Wirtschaft bereitstehen. Wir wollen zudem das Gastgewerbe unterstützen, sich frühzeitig auf die kommende Mehrwegpflicht einzustellen. Im April letzten Jahres haben wir gemeinsam mit der Abfallwirtschaft des Hohenlohekreises, der Touristikgemeinschaft Hohenlohe und dem Dehoga-Kreisverband daher das Projekt „Hohenlohe to go“ ins Leben gerufen. Es handelt sich um ein gemeinsames Mehrwegsystem im Hohenlohekreis, für das die Wirtschaftsinitiative mit Unterstützung der Sparkasse Hohenlohekreis ein Förderprogramm aufgelegt hat. Auch unser Leader-Projekt „Hohenlohe mit dem Rad erfahren“ soll Gastgewerbe und Einzelhandel unterstützen.
Welche Projekte sind noch geplant?
Bogenschütz: Aktuell planen wir den Ausbau unseres Projekts „Regionales auf Knopfdruck“, um auf ein Konzept für die Verbreitung von Direktvermarktungsautomaten hinzuarbeiten. Ebenfalls stehen verschiedene Veranstaltungskooperationen mit Partnern aus der Wirtschaftsregion an, zum Beispiel zum Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. „Hohenlohe mit dem Rad erfahren“ wird nicht das letzte Projekt sein, das wir bei Leader beantragen.
Wo liegt beim Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum der Fokus?
Bogenschütz: In 2023 gibt es die Schwerpunkte Innenentwicklung, Wohnen und Grundversorgung. Zu dieser zählt der Erhalt von Dorfläden und Bäckereien. Auch lokale Handwerker können profitieren. Beim Thema Arbeit gibt es ebenfalls Fördermöglichkeiten: Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten können eine Zuwendung für die Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen erhalten.
Welche Fördermittel sind in Aussicht?
Bogenschütz: Da steht eine breite Palette auf Landes-, Bundes- und EU-Ebenen zur Auswahl. Von „Spitze auf dem Land“ für KMU, über „Horizon Europe“ für internationale Forschungs- und Entwicklungskooperationen bis hin zum Regionalbudget für Kleinprojekte mit einem Fördersatz von 80 Prozent und einem sehr geringen bürokratischen Aufwand könnte ich jetzt vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Ich darf an dieser Stelle unseren Newsletter, unsere Website und unsere Beratungsangebote empfehlen.
Interview: Beatrix Drescher /Dirk Täuber