Traditionsunternehmen: Vom Händler zum Hersteller

Würth investiert derzeit kräftig in Herstellerkompetenz und Innovationsprojekte. Damit stehen die Zeichen auf „Multikanalstrategie“. Foto: Würth

Seit 16 Jahren führt Robert Friedmann den Würth-Konzern. Dieser befindet sich gerade im Wandel. Beim Gipfeltreffen der Weltmarktführer wirft er einen Blick auf die Zukunftsfähigkeit von Firmen.

Warum haben Sie sich bei Ihrem Vortrag für das Thema „Strategien eines Weltmarktführers für die Welt von morgen“ entschieden?

Robert Friedmann: Wir haben in den letzten Monaten erlebt, dass es verschiedene Säulen gab, die für uns sicheres und tragendes Fundament in der Coronakrise waren. Diese Grundpfeiler sind elementar für ein solides und nachhaltiges Wachstum. Darüber hinaus befinden wir uns in einem hochspannenden gesellschaftlichen Veränderungsprozess. Das Thema Nachhaltigkeit nimmt großen Raum ein: im privaten, politischen, aber auch wirtschaftlichen Rahmen. Wie wir uns dieser Verantwortung stellen, darüber werde ich in meinem Vortrag beim Gipfeltreffen berichten.

Und wie gehen Sie in einem so traditionsreichen Unternehmen wie Würth mit Veränderungen um?

Friedmann: Sagen wir mal so: Hinter jeder Herausforderung oder Veränderung verbirgt sich auch eine Chance. Was wir brauchen, ist den Blick, sie zu erkennen, sowie den Mut, sie zu ergreifen. Aus der Finanzkrise 2008/2009 haben wir einiges gelernt, was uns heute zugute kommt: Wichtig ist eine enge und regelmäßige Kommunikation innerhalb und unter den einzelnen Gesellschaften. Zudem ist es wichtig, die Vertriebsaktivitäten nicht abzubauen, sondern auf einem bestimmten Level zu halten, um dann sofort wieder einsatzbereit zu sein.

Zudem erhält die Innovationskultur bei Würth derzeit eine neue Dimension.

Friedmann: Das ist richtig. Mit dem Bau des neuen Innovationszentrums am Standort Gaisbach sind wir dabei, uns weiter vom Händler zum Hersteller zu entwickeln: Auf rund 15.000 Quadratmetern entstehen moderne Labore und Werkstätten. Dafür investieren wir 70 Millionen Euro. Rund 250 Menschen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung bei Adolf Würth und aus den Tochtergesellschaften, die im produzierenden Bereich tätig sind, sowie externe Forscher werden an den Produktneuheiten von morgen arbeiten. Dank der Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT sowie den Universitäten Innsbruck und Stuttgart bündeln wir unser Know-how an einem Ort. Damit wollen wir auch unsere Innovationszyklen stark verkürzen; Produktneuheiten sollen noch schneller auf den Markt kommen. Die Eröffnung soll 2022 sein.

Derzeit herrscht ein immens hoher Preisdruck. Welche Konsequenzen hat das für Würth?

Friedmann: Auch wenn der Konzern mit einem Umsatzplus von 10,3 Prozent im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahr gestartet ist und die Aussichten durchaus positiv sind, gibt es aktuell noch nie dagewesene Risiken. Dazu zählen Frachtkostensteigerungen sowie Rohstoffknappheit, die wiederum zu Preissteigerungen führen. Die Konjunktur ist einfach überhitzt. Durch den enormen Preisdruck auf den Beschaffungsmärkten führt kein Weg an Preiserhöhungen vorbei.

Dennoch hat Würth 2020 den Umsatz gesteigert – ist Erfolg eine Frage der Haltung?

Friedmann: Die Würth-Gruppe hat in 2020 14,4 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet, und ist damit um ein Prozent im Vergleich zu 2019 gewachsen. Sicher ist unsere Ausrichtung ein entscheidender Punkt: Wir sind mit über 400 Gesellschaften in mehr als 80 Ländern vertreten, das schafft Stabilität. Außerdem sind wir in unterschiedlichsten Branchen aktiv, was Unabhängigkeit von einem einzigen Wirtschaftszweig garantiert. Diese Ausrichtung zusammen mit unserer Digitalisierungsstrategie ist wichtig – speziell in Krisenzeiten.

Interview: Melanie Boujenoui