Über die Treppe zur Sonne

Die Museumslandschaft in Heilbronn-Franken kann sich definitiv sehen lassen – von diversen Automobilmuseen über ein Jeansmuseum bis hin zum Weinbaumuseum gibt es viel zu entdecken. Das im Bad Mergentheimer Schloss untergebrachte Deutschordensmuseum beeindruckt mit einer großen Vielfalt unterschiedlichster Exponate.

W er denkt, die Redewendung „Nomen est omen“ muss auch – oder sogar vor allem – auf das Deutschordensmuseum zutreffen, täuscht sich gewaltig. Das Museum ist viel mehr als nur Schauplatz für Exponate, Schilder und Tafeln, die von der römisch-katholischen Ordensgemeinschaft zeugen. Auf etwa 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche können Besucher nicht nur etwas über die Geschichte des Deutschen Ordens, dessen Geschicke fast 300 Jahre lang vom Bad Mergentheimer Schloss aus gelenkt wurden, erfahren. Sie lernen auch die Jungsteinzeit im Taubertal, die Stadtgeschichte Bad Mergentheims, den württembergischen Major Carl Joseph von Adelsheim, den schwäbischen Lyriker Eduard Mörike, den jüdischen Künstler Hermann Fechenbach und sogar Puppenstuben kennen.

Begonnen wird am besten – wenn man das Museum auf eigene Faust erkunden möchte – mit der Abteilung Jungsteinzeit, die seit 2015 im Deutschordensmuseum zu finden ist. Das zweifellos imposanteste Exponat und damit Highlight der gesamten Ausstellung ist ein Hockergrab aus dem Jahre 2500 vor Christus, in dem zwei Erwachsene und zwei Kinder in liebevoller Umarmung bestattet wurden. 1939 wurde es bei Ausgrabungen in Althausen, einem Stadtteil Bad Mergentheims, entdeckt. Die menschlichen Überreste der beiden Kinder sowie des Mannes und der Frau sind noch in erstaunlich gutem Zustand. „Es handelt sich allerdings nicht um eine richtige Familie. Denn ein Kind stammt von der Frau und das andere vom Mann“, erklärt Museumsdirektorin Maike Trentin-Meyer. Das konnte man anhand der DNS der Knochen herausfinden. „Wir bezeichnen sie deshalb als unsere Patchwork-Familie“, ergänzt sie schmunzelnd. „Da die Toten seinerzeit sehr liebevoll gebettet wurden, ist die Bestattung emotional sehr ansprechend.

Weil das außergewöhnlich ist, wollte man sie unbedingt im Museum zeigen.“ Das Grab war schließlich Anlass dafür, großflächiger in der Epoche auszuholen und weitere Exponate aus dem Taubertal, die aus der Jungsteinzeit stammen, zu präsentieren. So sind heute etwa Schnurkeramik und trepanierte Schädel im Keller des Mergentheimer Schlosses zu finden. Trepanationen, also Operationen am Kopf lebender Menschen ohne Betäubung, konnten im Taubertal überraschend oft nachgewiesen werden.

Weiter geht es zum Sonderausstellungsraum, in dem zurzeit 120 Holzschnitte des Jugendstils zum Thema „Endlich Schnee!“ an den Wänden hängen. Zu sehen sind die Exponate noch bis zum 18. Februar. Zwei- bis dreimal im Jahr wechseln die Ausstellungen, für die eine Fläche von 500 Quadratmetern zur Verfügung steht.

Ein Glanzstück der Einrichtung

Um zur Abteilung des Deutschen Ordens zu gelangen, muss man eine Wendeltreppe erklimmen – oder man nimmt den Aufzug, doch die Treppe ist wesentlich sehenswerter. Auch sie gehört zu den wahren Glanzstücken des Museums. Die Berwart-Treppe, benannt nach ihrem Baumeister Blasius Berwart, wurde 1574 fertiggestellt. Sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass man, wenn man sich unten in die Mitte der Spindel stellt und nach oben schaut, eine goldene Sonne umgeben von Sternen an der Decke sieht. Das sorgt definitiv für einen Wow-Effekt bei Besuchern. Erwähnenswert sind auch die Ornamente im Stein, von denen keines ist wie das andere. So verstecken sich dort Tier- und Engelsgestalten, aber auch Gesichter. „Was häufig auftaucht, ist die Mariensymbolik“, weiß Trentin-Meyer. Das verwundert nicht, schließlich ist Maria die Patronin des Deutschen Ordens.

Und da ist man nun, um Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückversetzt, in die Zeit, als der Deutsche Orden gegründet wurde. Alles begann im Heiligen Land 1190. Zunächst ein Spitalorden, wurde der Deutsche Orden 1198 zum Ritterorden erweitert. „Man wollte auch politische Macht sein und hatte sein Glück in Ungarn versucht, ist aber gescheitert“, berichtet die Museumsleiterin. Einflussreich war der Orden dennoch: So wurden durch den Hochmeister Hermann von Salza Preußen und Livland, früher das Gebiet Estlands und Lettlands, erworben. „Die Haupterwerbszeit an Territorium war im 13. Jahrhundert“, sagt Trentin-Meyer.

Allein in Preußen hatte der Orden 150 Burgen, darunter große Anlagen wie die Burg Rehden, von der ein Modell im Museum ausgestellt ist. „Der Deutsche Orden war in ganz Europa aktiv, aber er hat Europa nicht beherrscht“, betont die Expertin. Heute ist er ein kirchlicher Orden mit etwa 1000 Mitgliedern. Dazu zählen Priesterbrüder, Ordensschwestern, Familiaren und der Hochmeister.

Verschnaufspause für das Gehirn

Es ist ein krasser Bruch, aus der Welt der Kreuzzüge, Ritter, Eroberungen und des Katholizismus in eine Sphäre zu treten, die so banal und profan ist wie die nächste Abteilung: die Puppenstuben. Doch es ist auch wie eine Verschnaufpause für das Gehirn. So kann man gemütlich durch die drei Räume flanieren und sich an den Miniaturhäusern und -menschen erfreuen, die zum großen Teil eine Schwäbin zusammengetragen und dem Museum überlassen hat.

Danach warten noch die Abteilung über die Stadtgeschichte Bad Mergentheims, das Mörike-Kabinett, die Neue Fürstenwohnung, die drei Zimmer der Adelsheim-Sammlung sowie der Bereich, in dem sich rund 30 Holzschnitte aus dem 500 Stücke umfassenden Nachlass des jüdischen Künstlers Hermann Fechenbach befinden. Dabei handelt es sich um teilweise verstörende und schonungslose Bilder aus der Zeit des Holocausts. Am beeindruckendsten ist aber der Kapitelsaal mit seiner eleganten klassizistischen Ausstattung und der interessanten Raumgestaltung in den fürstlichen Räumen des Schlosses.

Olga Lechmann

Öffnungszeiten
Das Deutschordensmuseum in Bad Mergentheim hat in der Zeit von November bis März immer dienstags bis samstags von 14 bis 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 10.30 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet. Montag ist Ruhetag. Ab dem 24. März, mit Beginn der Sommersaison, wird man werktags ebenfalls schon ab 10.30 Uhr eingelassen. Die Räume sind weitestgehend barrierefrei.